Bericht von Klausur des Parteivorstandes der LINKEN 30.6./01.07.2018

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KONSTITUIERUNG UND GRUNDSATZ-DISKUSSION

In Berlin-Schmöckwitz fand am 30. Juni und 1. Juli 2018 die konstituierende Sitzung des neugewählten Bundesvorstandes der LINKEN statt. Die Sitzung war gut besucht, 10 der PV-Mitglieder ließen sich entschuldigen (insbesondere wegen der gleichzeitig stattfindenden Demonstration gegen den AfD-Parteitag in Augsburg).

Im PV sind 16 Mitglieder neu in das Gremium gewählt. 31 Mitglieder sind Berufspolitiker*innen als Abgeordnete, Mitarbeiter*innen von Abgeordneten oder der Partei oder der RLS-Stiftung oder anderen politischen Verbänden. Vier PV-Mitglieder sind Gewerkschaftshauptamtliche (oder waren es und sind jetzt in Rente). Fünf PV-Mitglieder haben, was gemeinhin migrantische Wurzeln bezeichnet wird.

Mit Lucy Redler und Thies Gleiss sind zwei Bundessprecher*innen der AKL im PV und wir werden in Zukunft weiterhin unsere – zweifellos entsprechend subjektiven – Berichte den Sitzungen schreiben. Dieser Bericht ist nur von Thies Gleiss, weil Lucy noch im Mutterschaftsurlaub ist. Der Bericht umfasst wegen vorzeitiger Abreise nicht die letzte Stunde der Sitzung am Sonntag, für Beschlüsse in diesem Zeitraum verweise ich auf Protokoll und Sofortmitteilung der Geschäftsführung.

Konstituierung

Es wurden die üblichen Prozedere absolviert, damit das Gremium arbeitsfähig ist. Eine Geschäftsordnung wurde verabschiedet, geringfügig gegenüber der Geschäftsordnung des letzten PV verändert. Die lange Liste an Ordnungen, Tarifverträgen, Reisekostenregelungen, Organigramm der Geschäftsstelle, Stellenplan, Anstellung des vom Parteitag gewählten neuen Geschäftsführers usw. wurden den Mitgliedern zu Kenntnis gegeben beziehungsweise auf die Seiten im Online-Archiv der Partei verwiesen. Alle unmittelbar die PV-Mitglieder betreffenden Regelungen wurden zusätzlich mit großen Mehrheiten bestätigt.

Die Internationale Kommission des PV, die beiden vom Gesamtgremium gewählten zusätzlichen Mitglieder des Geschäftsführenden Parteivorstandes und die Delegierten des PV für den Bundesausschuss werden erst auf der Sitzung im September gewählt.

Aktuelle politische Lage

Erster inhaltlicher Tagesordnungspunkt war wie stets auf den PV-Sitzungen die aktuelle politische Lage.

Im Mittelpunkt stand die Auswertung des Parteitages in Leipzig und der, wie es Bernd Riexinger nannte, „Rechtsputsch“ gegen die Kanzlerin Angela Merkel. Zur Auswertung des Parteitages aus AKL-Sicht wird auf die Texte dazu auf der AKL-Seite verwiesen, (https://akl.minuskel.de/?p=2658)

Die Bewertung der Parteitagsereignisse, insbesondere die spontane Debatte nach der Rede der Fraktionsvorsitzenden, wurden erwartungsgemäß kontrovers diskutiert.

Bernd stellte zurecht fest, dass es Aufgabe der LINKEN sein muss die gegenwärtige Auseinandersetzung zu einer klaren Rechts gegen Links Auseinandersetzung zuzuspitzen. Die bisher fast reibungslose Strategie der AfD, alle anderen Parteien in der Frage der Geflüchteten-Politik vor sich her zu treiben darf nicht zugelassen und muss von der LINKEN durchbrochen werden. Auch Thies Gleiss betonte, dass die Haltung der LINKEN, die sich selbst eine völlig irreale und überflüssige Geflüchteten-Debatte hat aufzwingen lassen, nicht ausreichend war, sondern das Konzept der AfD viel zu sehr in Ruhe gelassen hat.

Die Spannungen zwischen CDU, rechter Flügel der CDU und CSU, bei denen nicht nur die AfD, sondern auch die FDP knallhart Partei für die Rechten ergreift und die SPD in beschämender Weise verstummt ist, haben auch der EU eine neue Etappe in ihrer Dauerkrise verschafft. Darauf wiesen insbesondere Andrej Hunko und Tobias Pflüger hin. Im Schatten dieser Krise und Streit über die Geflüchteten wurden auf dem EU-Gipfel auch neue Verschärfungen in Sachen Militarisierung der EU (PESCO, Frontex-Ausbau u.a.) festgelegt.

In dieser aktuellen Diskussion wurde auch über die sehr gut gestartete Pflegekampagne der LINKEN berichtet und der erste in allgemeiner Wahl gewählte Bürgermeister der LINKEN in der Westzone (Schwabstedt in Schleswig Holstein, am Wilden Moor) wurde freudig zur Kenntnis genommen.

Und letztlich fanden am Sonntag zuvor, die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Türkei statt. Mehrere LINKE-Mitglieder waren im Rahmen von Wahlbeobachtungs-Delegationen in der Türkei. Andrej Hunko wurde als offiziellem OSZE-Beobachter die Einreise in die Türkei verweigert.

Gastreferat von Alex Demirovic

Ergänzend zur Debatte über die allgemeine politische Lage wurde Alex Demirovic eingeladen, in einem Inputreferat über den Rechtsruck, die Aufgaben der Linken und die gesellschaftliche Stimmungslage zu referieren. Ob dieses interessante Referat auch gedruckt oder online gestellt werden wird, glaube ich nicht.

Alex Demirovic bezeichnete die Aufgabe der Linken (und damit natürlich auch der LINKEN), dafür zuständig zu sein, die „großen Lösungen“ zu propagieren und als die wirkliche Alternative zu der Nicht-Alternative der AfD zu vermitteln. Dabei sind zusammenführende Begriffe wie „Sozialismus“ als Perspektive nicht semantischer Kleinkram, sonder sehr wichtig ist, um die Debatte zu polarisieren.

Die Rechten betreiben eine Kampagne der „Wahrheitsvernichtung“, und das wird von den bürgerlichen herrschenden Kräften willkommen aufgegriffen. Der Nationalstaat, hat für eine sozialistische Perspektive heute nicht die ausreichende Handlungsfreiheit, sondern wird durch eine linke Strategie herausgefordert werden. Die EU als Alternative zum Nationalstaat ist keine (wollte und konnte sie eigentlich auch nie sein, wurde in der Debatte hervorgehoben), sondern sie zerstört die Ökonomien ganzer Länder und schickt die Menschen in den Tod. Es muss eine neue europäische und internationale Perspektive gefunden werden, und dieses Neue setzt einen Bruch mit dem Alten voraus.

Die kontinuierliche Programmdebatte ist für die Linke wichtig und sie muss dahin gehend intensiviert werden, dass es endlich eine linke Stimme von Unten gibt.

Anschließend an das Referat gab es eine längere Debatte, in der Thies Gleiss vor allem auf die weitere Zuspitzung der Krise der Sozialdemokratie einging und eine Strategie vorschlug, die „großen Lösungen“ der LINKEN, die sozialistische Perspektive in Forderungen für die heutigen Kämpfe und Konflikte umzusetzen, die immer wieder die Eigentumsfrage in den Mittelpunkt stellen. Wie zum Beispiel bei der Wohnungskampagne mit der Forderung nach Enteignung von Vonovia und Deutsche Wohnen.

Bericht vom Bundesausschuss und Anträge vom Parteitag

Die Mitglieder des Präsidiums des Bundesausschusses, die regulär an den PV-Sitzungen teilnehmen, berichteten von der letzten Tagung des Bundesausschusses, die ganz im Zeichen der Auswertung des Parteitages stand.

Eine Reihe von Einzelanträgen wurden vom Parteitag an den Parteivorstand überwiesen, weil bei der Tagung in Leipzig nicht genügend Zeit zur Verfügung stand.

Die Anträge der BAG Selbstbestimmte Behindertenpolitik gegen Zwangs-Psychiatrisierung und Medikamentenversuche an Heimkindern wurden angenommen (G21 und G22). Der Antrag vom Frauenplenum zu Frauen in Bewegung (G6) wurde angenommen. Der Antrag, das Kindergeld nicht auf Harz IV anzurechnen (G10) wurde angenommen. Der Antrag der Ökologischen Plattform, das Thema „Sozial-Ökologischer Umbau“ auf einem der nächsten Parteitage schwerpunktmäßig zu behandeln (G23), wurde in dieser Form abgelehnt. Aber es soll mit der ÖPF eine Initiative ergriffen werden, dieses Thema konkret zugespitzt in einem gesonderten längeren Tagesordnungspunkt des Parteitages einzubringen. Der Antrag des Frauenplenums zu den Folgen der Digitalisierung für Frauen( G25) wurde abgelehnt, und eine genauere Bearbeitung dieser Frage eingefordert und soll entsprechend mit dem Frauenplenum angegangen werden. Der Antrag der Sozialistischen Linken, die Debatte über ein bedingungsloses Grundeinkommen in der LINKEN offen zu halten und nicht durch einen Mitgliederentscheid zu beenden (P9) wurde angenommen.

Die Anträge zu der den Parteitag besonders bewegenden Migrations- und Geflüchtetenpolitik, die an den PV überwiesen wurden, werden erst auf der Septembersitzung beraten.

Sonstige Anträge und Positionierung zu Gaza

In Österreich gibt es eine große Mobilisierung gegen drastische neue Arbeitszeitgesetzte der Rechtsregierung. Dazu gab es eine Solidaritätserklärung des PV und ein entsprechendes Gruppenfoto mit Banner für die Medienwelt.

Die Unterstützung des großen Sommerfestes zum Feiern der kubanischen Revolution, am 28. Juli in Berlin, wurde wie jedes Jahr gewährt.

Ein Positionspapier des SDS und der Verantwortlichen für Hochschularbeit in der Fraktion zur Fortsetzung des Hochschulpaktes und Forderungen der Studierenden dazu wurde gebilligt und beschlossen.

Es lagen 3 Varianten einer Protest-Erklärung der LINKEN zu den brutalen Einsätzen der israelischen Armee im Gaza-Streifen vor. Über einen solchen Antrag sollte eigentlich schon der Parteitag befinden, wurde aber aus nicht nachvollziehbaren Gründen von der Antragskommission als nicht zulässig verworfen.

Der wesentliche Unterschied der drei Entwürfe war ein Einschub, der sich kritisch mit der Hamas und ihren Raketenangriffen auf Israel befasst.

Angenommen wurde der Entwurf des geschäftsführenden Parteivorstandes, der allerdings um den in den beiden anderen Entwürfen enthaltenen Bezug auf die Protestbewegung gegen die Militäreinsätze in Israel und unter der israelischen Linken selbst ergänzt wird.

Thies Gleiss hat in der Debatte für den Antragstext des BAK Gerechter Frieden in Nahost geworben und insbesondere darauf hingewiesen, dass die Gleichsetzung der israelischen Militär- und Polizeieinsätze mit den Widerstandsaktionen der palästinensischen Bevölkerung und militärischen Anschlägen der Hamas nicht hinnehmbar ist. Wenn Anlass besteht, gegen Raketenangriffe der Hamas oder islamistische Anschläge zu protestieren, dann muss die LINKE dies tun, aber in einer gesonderten Erklärung. Die Gleichsetzung beider Seiten in dieser zutiefst asymmetrischen Auseinandersetzung ist eine falsche Parteinahme für die israelische Armee und die rechtsradikale Regierung Netanjahus.

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