Stolpern um den kalten Brei

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Sahra und Dietmar im Duett. Ein Kommentar von Thies Gleiss

Wenn die „Erste stellvertretende Vorsitzende“ und der „Stellvertretende Vorsitzende“ der Fraktion der LINKEN im Bundestag gemeinsam das Wort ergreifen und die ersten zwei Worte gleich „Strategische Ausrichtung“ lauten, dann sollte doch eigentlich ein Donnerhall zu erwarten sein, der durch das Land tönt.  Von den Spitzenfunktionären einer Partei mit siebzigtausend Mitgliedern und fünf Millionen WählerInnen wäre als „strategische Ausrichtung“ doch wenigstens ein Schlachtruf gegen den Kapitalismus und für eine sozialistische Gesellschaft  zu erwarten, der sich meilenweit von den inhaltslosen Gesülze all der anderen Parteien absetzt, die nicht er- und aufklären, sondern die Wahrheit vernebeln wollen. Ein Text,  der vielleicht eine längere politische Halbwertzeit hat, als es zum Ergreifen des Lochers und Abheften von fünf Seiten Papier braucht.

Und was ist herausgekommen aus dem Duett? Zum Beispiele das hier „Die LINKE ist damit die Opposition für eine soziale, friedliche und gerechte Gesellschaft“. Und ich bin die Opposition für das tägliche Zähneputzen. Oder das hier: „Zudem wollen wir neue Milieus erschließen, zum Beispiel Menschen, denen es gut geht und die Interesse an einer gerechten Gesellschaft haben.“ Die Besserverdienenden zum Beispiel, die nichts besseres als Stilblüten aus einer beliebigen Textmaschine verdient haben. Oder das hier: „Aktuell hat sich die  SPD entschieden (nichts mit der LINKEN zu tun haben zu wollen….) und wir werden sie an ihren Taten messen.“ Also messen wir sie mal an Rüstungsexporten, Kriegstreiberei in der Ukraine, an gebrochenen Wahlversprechen, an Leiharbeit, Rente ab 67, Plünderung der Sozialkassen und Rolle rückwärts in der Energiepolitik. Doch weit gefehlt: Sahra und Dietmar messen mit anderem Werkzeug und in anderen Einheiten: „In Ländern und Kommunen, in Ost und West müssen nun politische (rot-rote oder rot-rot-grüne) Bündnisse entstehen. Wo sich diese Frage stellt, muss der jeweils stärkste Partner selbstverständlich den Ministerpräsidenten oder die Ministerpräsidentin stellen.“

Gut, wir sind zu streng. Eine strategische Ausrichtung, die die großen Ziele der LINKEN verschweigt, kann ja vielleicht indirekt wirken. Und Stilblüten zu  einer Parteienallianz mit SPD und Grüne, die höchstens noch den Hund von Ramelow hinter dem Ofen hervorlocken, können ja wenigstens als Freundlichkeit diesem Hund gegenüber respektiert werden. Aber dann sollte man die Dialektik auch durchhalten und verkünden, dass die LINKE den Wandel durch Anpassung auf subtilste Weise erreichen könnte. Stattdessen gipfelt der Text in  einer Orgie des Selbstbewusstseins: „Die LINKE muss ein unverwechselbares Gesicht haben und behalten.“ Spätestens hier wird es jetzt nur noch Dummtüüch, wie die HamburgerInnen sagen, weil nur das eine oder das andere geht: Politische Bündnisse mit der SPD (oder gar mit den Grünen, die unerschütterlich mit genannt werden) oder Unverwechselbarkeit.

Und als quasi Anordnung, diese „strategische Ausrichtung“ der Doktoren Wagenknecht und Bartsch, ganz schnell zu vergessen, kommt am Ende das bekannte  „zu Risiken und Nebenwirkungen…“. Hier lautet es, endlich mal gut formuliert so:  „Sollte stattdessen der Verdacht entstehen, dass wir bis 2017 zum inhaltslosen SPD-Kanzlerwahlverein mutieren, werden wir unsere Glaubwürdigkeit verlieren.“

Vor dem Glauben und der Würde stirbt in der Regel die schlichte Fähigkeit, die Verhältnisse so zu erkennen, wie sie sind, und so zu benennen, wie sie heißen.

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