Positionen der AKL zum Diskussionsprozess zur programmatischen Weiterentwicklung der Partei DIE LINKE

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Die Mitglieder in den Landes- und Kreisvorständen sowie in den Zusammenschlüssen wurden aufgefordert, sich zu einem Diskussionsprozess zur programmatischen Weiterentwicklung zu äußern.

Angeführt wurde dann der Beschluss des Parteitages „Kein Aufrüstung, keine Krieg. Für eine neue Friedensordnung und internationale Solidarität.“ Dazu gibt es bereits einen Zeitplan des Parteivorstandes, nach dem von der Internationalen Kommission bis Ende Februar Positionspapiere bzw. Optionen vorliegen sollten. Von einer inhaltlichen Weiterentwicklung des gesamten Programms war bisher nicht die Rede bzw. gibt es unseres Wissens dazu keine Beschlüsse.

Als politischer Zusammenschluss wollen wir uns einer Debatte natürlich nicht verweigern, aber die programmatische Weiterentwicklung darf nicht dazu führen, dass die Partei ihre friedenspolitischen Grundsätze entsorgt, auch wenn dies von den bürgerlichen Parteien und den Mainstreammedien immer wieder als Voraussetzung für eine Regierungsfähigkeit postuliert wird.

Die antikapitalistische Linke wird sich dafür einsetzen, die Positionen zu Krieg und Frieden, zu Abrüstung und Auflösung der Bundeswehr, für die Auflösung des NATO-Kriegsbündnisses zu schärfen. Der Absatz aus dem Programmteil 4.6. „Für DIE LINKE ist Krieg kein Mittel der Politik. Wir fordern die Auflösung der NATO und ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands, das Abrüstung als ein zentrales Ziel hat.“ erweist sich gerade in der aktuellen Kriegssituation als programmatischer Kompass für unsere Politik. Wir lehnen Krieg als Mittel der Politik ab und fordern ein Ende der Waffenlieferungen und Friedensverhandlungen mit dem Ziel eines kollektiven Sicherheitssystems.

Änderungsbedarf gäbe es in Bezug auf die NATO nur dahingehend, nicht nur die Auflösung, sondern auch den Austritt Deutschlands aus der NATO zu fordern. Dann wäre das Land endlich aus der Kriegslogik des Bündnisses raus, gemeinsam mit den NATO-Partnern Auslandseinsätze durchzuführen und Waffen an verbündete Staaten zu liefern.

Statt Aufrüstung, militärischer Auslandseinsätze und EU-NATO-Partnerschaft, also einer Kriegslogik, ist die Umkehr zu einer friedlichen Außen- und Sicherheitspolitik notwendig… DIE LINKE setzt daher auf Abrüstung und Rüstungskontrolle, fordert ein striktes Verbot von Rüstungsexporten und den Umbau der Streitkräfte auf Basis strikter Defensivpotenziale.“ Dieser Satz ist aktueller denn je. Und auch bei dem Satz „DIE LINKE verfolgt langfristig das Ziel eines Deutschlands, eines Europas ohne Armeen, einer Welt ohne Kriege.“ sollten wir nur das Wort „langfristig“ streichen. An diesem Ziel müssen wir konkret arbeiten, dass zeigt die Eskalation im Krieg um die Ukraine.

Zu der Frage, ob allgemeine oder gezielte Sanktionen in bestimmen Konstellationen sinnvoll und unterstützenswert sind, steht im Programm bisher aus gutem Grunde nichts. Wenn wir uns als Partei verstehen, die sich am Völkerrecht orientiert, sind Sanktionen oder genauer Wirtschaftsblockaden als Alternative zu militärischen Interventionen genauso abzulehnen wie Kriege. Sanktionen verletzten Menschenrechte und stellen eine kollektive Bestrafung der Bevölkerung der sanktionierten Länder dar. Wir haben das in Kuba, Venezuela, Irak, Iran und auch Afghanistan gesehen und diese immer abgelehnt. Diese Wirtschaftsblockaden sind Teil der Wirtschaftskriege der Industrienationen gegen unliebsame Regime. (Interessant dazu eine aktuelle Studie der SWP https://www.swp-berlin.org/publikation/jenseits-des-westens-wie-afrikanische-und-nahoestliche-staaten-auf-den-russland-ukraine-krieg-blicken)

Ein wenig ambivalenter ist der Programmteil 4.5. zum Verhältnis der LINKEN zur EU. Dieser Teil ist von vielen Illusionen über den Charakter der EU geprägt. Obwohl DIE LINKE bzw. die Vorgängerorganisation aus gutem Grund den Vertrag von Lissabon abgelehnt hat, wird die europäische Union als unverzichtbare Handlungsebene bezeichnet. Die AKL hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die EU ein neoliberales, undemokratisches und militaristisches Bündnis zur Aufrechterhaltung der kapitalistischen Produktions- und Marktbedingungen ist. Es ging den Gründungsländern von Anfang an darum, einen großen gemeinsamen Markt für Waren, Dienstleistungen und Arbeitskräfte zu schaffen und damit die Konkurrenzbedingungen auf dem Weltmarkt zu stärken. Wir sollten die Illusionen in den Charakter der EU aus unserem Programm streichen und eine klare internationalistische Position beziehen.

Die 12 Jahre seit Erstellung des Erfurter Programms der LINKEN haben besonders gezeigt, dass

  • die EU wegen ihrer eigenen Widersprüche in eine Dauerkrise geraten ist bezüglich Selbstverständnis, täglichem Funktionieren und Legitimation bei der Bevölkerung Europas;
  • die EU beständig die Bemühungen fortgesetzt hat, einen eigenen militärischen Beitrag im internationalen Konkurrenzkampf zu leisten und eigene militärische Strukturen aufgebaut hat;
  • die EU und ihre Krise das Aufkommen rechts-nationalistischer Kräfte und Regierungen nicht etwa verhindert, sondern gefördert haben.

Die zwei bedeutendsten programmatischen Erneuerungen deren die LINKE bedarf, sind aber gleichzeitig die in der Partei unstrittigsten: Die Frage der weltweiten Migration und das Jahrtausendthema Ökologische und Klima-Krise. Hier müsste ein klarer Radikalisierungsschub in der politischen Analyse geschehen, der von einer Mehrheit der Mitglieder ausdrücklich gewollt wird. Störend sind hier die mäßigenden Auftritte und Positionierungen unserer Parlamentsgrößen, die noch nicht einmal die Radikalität der gemäßigten Teile der Ökologiebewegung teilen möchten – nicht, weil sie anderer Meinung sind, sondern weil sie taktisch motivierte Angst haben, in einem solchen Fall ihren praktischen Kurs auf Mitregieren und Mitverwalten einstellen zu müssen.

Die antikapitalistische Linke wird sich dafür einsetzen, die Positionen zur Klima-, Umwelt und Wirtschaftspolitik an die krisenhaften Entwicklungen der letzten Jahre und die Krisenperspektive der Zukunft anzupassen. Angesichts von Klimawandel, Artensterben und schwindenden Rohstoffen gibt es kein „Weiter so“ – auch nicht für DIE LINKE.

Die multiple Krise kann nur bewältigt werden, wenn sich das Wirtschaften und der Umgang mit Natur grundlegend verändern. Der Aufbau einer überwiegend regionalen Kreislaufwirtschaft in der Rohstoffe und Wertstoffe weitestgehend wiederverwertet werden, muss sofort begonnen werden. Notwendige Gebrauchsgüter müssen langlebig und reparaturfähig werden. Ein weiteres Wachsen der Wirtschaft kann nur in Sektoren geduldet werden, die Klima und Umwelt nicht zusätzlich belasten. Klima- und umweltschädliche Produktionen müssen jedenfalls decarbonisiert, aber zu einem großen Teil auch rückgebaut werden. Der sogenannte ökologische Fußabdruck von derzeit 2,83 gHa darf vor allem in den westlichen Industrienationen nicht mehr wachsen, sondern muss jährlich schrumpfen. Dazu muss der Flächenverbrauch reduziert werden.

Eine Schlüsselrolle im Kampf gegen das Artensterben kommt dem Umbau der Landwirtschaft zu. In Deutschland wird die Hälfte der Fläche landwirtschaftlich genutzt. Monokulturen, die heute das Bild bestimmen, müssen aufgelöst werden. Herbizide und Pestizide müssen aus der Nahrungskette verschwinden. Die Flur muss wieder ausreichend Lebensräume für Wildpflanzen, Insekten, Amphibien, Vögel und Säugetiere bereitstellen. Der übermäßige Eintrag von Nitraten in Gewässer und Böden ist zu stoppen. Lebensräume von Wildpflanzen und Tieren dürfen nicht verinselt werden, sondern müssen zusammenhängen. Die Waldfläche muss weltweit vergrößert werden, wobei hauptsächlich Wälder ohne größere menschliche Eingriffe zu schaffen sind. Die industrielle Massentierhaltung ist klima- und umweltschädigend. Sie muss unverzüglich in eine artgerechte, an die Hoffläche gebundene Tierhaltung nach Bio-Standards überführt werden. Dabei muss garantiert werden, dass allen Menschen ausreichend gesunde Lebensmittel zur Verfügung stehen. Die Vernichtung von verwertbaren, gesunden Lebensmitteln durch die Erzeuger oder den Handel ist sofort zu stoppen.

Ein so tiefgreifender, rascher wirtschaftlicher Umbau ist mit den marktwirtschaftlichen Mitteln des Kapitalismus nicht zu bewerkstelligen. Es bedarf stattdessen einer gesamtgesellschaftlichen, planvollen wirtschaftlichen Vorgehensweise. An die Stelle der Konkurrenz zwischen Unternehmen muss eine zielgerichtete Kooperation von Betrieben treten. Eigentumsverhältnisse, die einer solchen Wirtschaftsordnung entgegenstehen, müssen neu geordnet werden. Im Rahmen einer solchen Neuordnung muss die praktische Lenkung der Betriebe demokratisiert werden.

In diesem Sinne wünschen wir uns eine solidarische Programmdiskussion.