Stellungnahme des Bundesprecher:innenrates der Antikapitalistischen Linken in der LINKEN zum „Manifest für den Frieden“ und zum Aufruf zur Kundgebung am 25.02.2023 in Berlin

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Mehr als eine halbe Million Menschen haben via Internet-Unterschrift das „Manifest für den Frieden“ inzwischen unterschrieben, das von Alice Schwarzer initiiert und dann von Sahra Wagenknecht für eine gemeinsame Initiative aufgegriffen wurde.

Die Medien reagieren mehrheitlich auf diesen Aufruf wie auf fast alle Friedensaufrufe des letzten Jahres mit Häme und dem Hinweis, dass man mit Putin nicht verhandeln könne und die Menschen in der Ukraine Unterstützung in Form von Waffen benötigen. Das ernsthafte Anliegen vieler nach einem Ende des Krieges, nach Abrüstung statt Aufrüsten und Friedensverhandlungen, dass von der Friedensbewegung zum Jahrestag des russischen Angriffskrieges mit vielfältigen Aktionen gefordert wird, soll mal wieder diskreditiert werden.

Während wir das Anliegen, gegen den Krieg zu protestieren, gegen die Hetze in der wie gleichgeschaltet agierenden bürgerlichen Medienwelt verteidigen, gab es auch in den Reihen der AKL grundsätzliche Kritik am „Manifest“. Dabei hat gerade auch eine unklare Positionierung der Partei DIE LINKE es ermöglicht, dass dieses Manifest so großen Zulauf bekommen hat. Es ist ein Block von Menschen aus dem Umfeld der LINKEN, aus der Friedensbewegung und vielen demokratisch engagierten Kulturschaffenden bis hin zu exponierten Vertretern aus der politischen Rechten wie dem CSU-Haudegen Peter Gauweiler oder dem ehemaligen CDU-Mitglied Jürgen Todenhöfer. Der Preis der LINKEN und der Linken für das Zustandekommen dieses Propagandablockes ist der Verzicht auf wesentliche Elemente einer linken Analyse des mörderischen Krieges Russlands in der Ukraine.

Es fehlt eine klare Kritik am imperialistischen Handeln Russlands und die Forderung nach Rückzug der russischen Truppen.

Es fehlt eine Kritik am Aufrüstungskurs der NATO-Staaten. Linke müssen sich der gewaltigen Umverteilung von Haushaltsmitteln zugunsten der Rüstungs- und Kriegsindustrie entgegenstellen.

Es fehlt die Solidarität mit den Geflüchteten aus der Ukraine und vor allem den Desertierenden aus den am Krieg beteiligten Armeen.

Es fehlt die Unterstützung der Antikriegsbewegung in Russland – ganz zweifellos ein Schlüsselelement für eine Antikriegsposition der LINKEN.

Es fehlt die Verteidigung des Rechtes der ukrainischen Bevölkerung auf nationale Selbstbestimmung.

Es fehlt eine kritische, auch weltweite Bestandsaufnahme der bisherigen Sanktionspolitik, die eben nicht die Kriegstreiberei ernsthaft behindert hat, sondern großen Anteil an der weltweiten Teuerung für den Lebensunterhalt der Mehrheit der Bevölkerungen hat.

Stattdessen wird ein national-bürgerlicher Argumentationsrahmen („Schaden von Deutschland abzuwenden“) benutzt, ohne den dieser Propagandablock mit rechten und konservativen Kräften nicht zustande gekommen wäre. Keine erzielte „Breite“ des Aufrufes „Manifest für den Frieden“ rechtfertigt die damit verbundene Preisgabe linker Positionen. Das Manifest wurde von ihren Initiatorinnen so angelegt, um nach rechts anschlussfähig zu werden. Und prompt werden auch die entsprechenden Geister und realen politischen Kräfte aus dem Umfeld der AfD und anderer rechter Strukturen mobilisiert, sich diesem „Manifest“ anzuschließen.

Trotzdem enthält das „Manifest“ neben all den mehrdeutigen und unklaren Formulierungen eine klare und praktisch wirksame Forderung: Stopp der Waffenlieferungen in die Ukraine.

Die AKL unterstützt diese Forderung und ruft auf, alle Demonstrationen und Kundgebungen zum Jahrestag des Überfalls aus Ukraine und in der Zeit danach, die sich um diese Forderung aufstellen, zu unterstützen, insbesondere die Kundgebung am 25. Februar in Berlin.

Die AKL erwartet von der LINKEN, dass sie sich mit aller Kraft an diesen Aktionen beteiligt, mit eigenen Aufrufen und Materialien – ohne das „Manifest“ zu unterzeichnen.

In der LINKEN läuft angesichts des „Manifest für den Frieden“ und den Aktionsaufrufen zum 24. und 25. Februar eine breite Diskussion, wie sich die Partei dazu verhalten soll. Der Parteivorstand hat in einem zweiteiligen Beschluss vom 12. und 16. Februar richtige Kritik am „Manifest“ geäußert und einen allgemeinen Aufruf zu den Aktionen rund um den Jahrestag verabschiedet. Er hat sich aber gegen einen konkreten Aufruf zur Kundgebung am 25. Februar in Berlin entschieden, weil es unklar sei, ob und wie bei dieser Demonstration eine Distanzierung von rechten Kräften erfolgt.

Die AKL hält diesen Teil des PV-Beschlusses für falsch.

Wie grenzt mensch sich von Nazis und rechtem Pack ab? Nicht in erster Linie durch Presseerklärungen und Distanzierung, womöglich noch auf direkten Druck äußerer Kräfte, sondern bei der inhaltlichen und praktischen Organisierung der Aktion. Hier ist der Fehler nicht beim Parteivorstand, sondern bei Sahra Wagenknecht und ihrem Apparat passiert. Ihr Aufruf mit Alice Schwarzer lockt die Rechten schlichtweg an. Ein einziger klarer politischer Satz im Aufruf hätte das verhindern können. Der PV hätte allerdings schon im Dezember massiv zu eigenen Aktionen im Februar zum Jahrestag des Ukrainekrieges aufrufen müssen.

Was tun, wenn es trotz (oder sogar wegen) solcher fremder und eigener Fehler dennoch politisch sehr sinnvoll und nötig ist, zu dieser Kundgebung aufzurufen, wie es nun mal heute bei einer halben Million Unterstützer:innen des Friedensmanifestes der Fall ist? Dann gibt es nur eins: So massiv und selbstbewusst mit allen Mittel und eigenen Inhalten aufzurufen wie möglich. Dann muss die Linke stärker als die Rechte werden. Wenn es nicht klappt, haben die Rechten gewonnen. Eine Garantie für Erfolg gibt es dabei nie. Dazu sind bei den Kundgebungen und Demonstrationen eigene Ordner und Schutzmittel erforderlich. Wir würden nicht auf die Polizeikräfte als Kraft vertrauen, die entscheidet, wer mitmachen darf und wer nicht. Abgrenzung vor allem in der konkreten politischen Praxis – nur das ist ein sinnvolles Vorgehen.

Die LINKE sollte sich darauf einstellen, dass wenn wirklich praktisch wirksame Politik gegen den Kapitalismus gemacht werden soll, solche „gemischten“ Aktionen auch entgegen den Wünschen linker Vorstände und gegen linke Lehrbuchweisheiten vorkommen werden. Konkrete linke Aktionen werden auch mal von Rechten aufgesucht – wir sind optimistisch, dass nur eine solche Erziehung in der Praxis die Positionen der Linken stärken wird. Was aber generell nicht geht, sind Propagandablöcke mit rechten Kräften, um solche gemeinsamen Aktionen zu organisieren. Solche „Volksfronten“ kennen – so lehrt die Geschichte – stehts nur eine Siegerin: Die rechten Kräfte.

Der PV-Beschluss träumt stattdessen mal wieder von Politik im sterilen Labor, ohne Berührungen mit der Realität. Das Traurige ist, dass sich in diesem Politikverständnis die PV-Mehrheit mit Sahra und all unseren Regierungslinken völlig einig sind.

Wir rufen zur Demonstration am 25. Februar auf, aber wir machen uns keine Illusion. Auch das vom politischen Inhalt weitgehend befreite Projekt von Sahra und Alice wird vermutlich leider keine bleibende Antikriegsbewegung erzeugen. Ein Internet-basierter Appell dieser Art wird verpuffen wie die millionenstarke „Friedensbewegung“, die bereits vor einem Jahr in Deutschland und anderswo auf der Straße war. Ohne eine wirkliche Antikriegs-Bewegung mit echten analogen Strukturen auf allen gesellschaftlichen Ebenen, wird das Kräfteverhältnis nicht bleibend zugunsten der Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner verändert werden.

Die LINKE sollte ihre organisatorische Kraft dafür nutzen, sich überall am Aufbau solcher Strukturen zu beteiligen.