Bericht zur Videokonferenz des Parteivorstandes der LINKEN vom 26/27.03.2022

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Von Thies Gleiss, Mitglied des Bundessprecher*innenrates der Antikapitalistischen Linken im Parteivorstand

VOM KRIEG DESERTIEREN

Am 26. Und 27 März 2022, tagte der Parteivorstand der LINKEN als Videokonferenz.

An der Sitzung nahmen bis zu 35 der 44 gewählten PV-Mitglieder teil.

Alle Beschlüsse und Vorlagen sind auf der Website der LINKEN in Kürze nachzulesen:

https://www.die-linke.de/partei/parteidemokratie/parteivorstand/parteivorstand/beschluesse/

1. Landtagswahlen 2022

Zu Saarland, Schleswig-Holstein und NordrheinWestfalen hatte bereits die letzte PV-Sitzung beraten, heute gab es Berichte und Debatten zu den Kommunalwahlen in Sachsen und den Landtagswahlen in Niedersachsen. Für letzteren Bericht war Lars Leopold als Gast zugeschaltet.

2. Aktuelle Umfragen zur Linken

Christina Kaindl von der Bundesgeschäftsstelle präsentierte neue demoskopische Umfragen zur LINKEN. Nach zwischenzeitlichem kleinem Aufschwung stagniert die LINKE bei der „Sonntagsfrage“ wieder bei 5 oder 4,9 Prozent. Die LINKE wird als beliebig (einige nennen es auch „zerstritten“, aber Streit ist natürlich etwas anderes als nebeneinander her agieren) in vielen Punkte wahrgenommen und setzt sich generell in keiner Frage nennenswert mit eigenem Profil in Szene.

3. Aufruf gegen den Krieg „Der Appell“

Die von Genoss:innen der LINKEN und der RL-Stiftung angeregte Initiative für einen breiten Appell gegen die im Kontext des Ukraine-Krieges gestartete neue Aufrüstungswelle findet in sozialdemokratisch-gewerkschaftlichen sowie akademischen Betrieb sehr viel Unterstützung. Er wurde bis heute von 35.000 Personen unterschrieben. Es wird aufgerufen, diesen Appell zu unterschreiben und zu verbreiten. Dazu gab es einen einstimmigen Beschluss.

https://derappell.de/

4. Diskussion zu einer aktuellen Stellungnahme des „Ältestenrates“

Dieser ToP wurde neu aufgenommen, da erst wenige Tage zuvor die jüngste Erklärung des Ältestenrates der LINKEN zum Ukrainekrieg bekannt geworden war.

Der Ältestenrat (ÄR) ist eine seit 2010 in der LINKEN bestehende Einrichtung (in Anlehnung an ähnliche Einrichtungen bei der PDS). Der ÄR wird vom Parteivorstand berufen und arbeitet als Beratungsorgan für den PV. Der PV beruft einen Vorsitzenden (bisher stets Hans Modrow) und dann in Zusammenarbeit mit ihm eine Vorschlagsliste für den gesamten ÄR, die dann vom PV bestätigt wird. Der ÄR arbeitet im Konsensprinzip politische Stellungnahmen zu aktuellen politischen Fragen und dem Rahmen möglicher Antworten der LINKEN aus.

Bei der jüngsten Stellungnahme des ÄR zu den Hintergründen des Ukraine-Krieges wurde von dieser Arbeitsweise abgewichen. Es kam eine Stellungnahme heraus, die nicht vom gesamten ÄR getragen oder auch nur zuvor zur Kenntnis genommen wurde. In dieser Erklärung wird eine Einordnung des Ukrainekrieges vorgenommen, die der Meinung einer breiten Mehrheit in der Partei, im Parteivorstand und in der Bundestagsfraktion widerspricht. Nach Interventionen aus dem ÄR und Gesprächen mit dem geschäftsführenden Parteivorstand wurde ein Teil dieser Erklärung zurückgenommen und revidiert.

Nach längerer Debatte beschloss der PV einmütig, mit dem Ältestenrat noch einmal zu beraten. Auf der nächsten PV-Sitzung soll über andere, demokratischere Arbeitsgrundsätze des ÄR entschieden und dann ein neuer ÄR berufen werden.

5. Finanzplan 2021

Der Schatzmeister Harald Wolf präsentierte den Finanzplan 2021, der von der Notwendigkeit geprägt ist, mit ca. 30 Prozent weniger Geld auskommen zu müssen. Diese Verschlechterung der Einnahmesituation ist auf die schlechten Wahlergebnisse und entsprechend weniger Zuflüssen von Staatsgeldern zurückzuführen. Ob dieser Rückgang in der materiellen Versorgung durch den Staat zu einer Zunahme an der politischen Kritik eben dieses Staates führt, ist zu hoffen.

Mit dem Betriebsrat, der Gewerkschaft Ver.di und den Beschäftigten in der Bundesgeschäftsstelle werden individuelle Arbeitszeitmodelle erarbeitet, die möglichst viele persönliche Interessen, aber auch Einsparungen bei den Personalkosten realisieren. Kein leichter Job.

Über den Finanzplan 2021 entscheidet letztendlich nach Satzung der LINKEN der Bundesausschuss.

Der Entwurf des Schatzmeisters wurde einmütig angenommen. Es wurde eine Wiedervorlage nach den Sommerferien vereinbart, um über oben genannten Vereinbarungen mit der Belegschaft zu beraten.

Der Schatzmeister informierte danach auch über ein Treffen der Arbeitsgruppe Parteibeiträge. Wie zu jedem Parteitag steigern sich die Bemühungen, eine neue Beitragsstaffel auszuarbeiten. Aber bisher liegen wieder einmal noch keine neuen Ergebnisse vor.

6. Vorbereitung des Bundesparteitages und erste Lesung der Leitanträge

Am 23.-26. Juni findet in Erfurt der nächste Bundesparteitag der LINKEN statt. Der Parteivorstand wird dem BPT wie stets einen Leitantrag über die kommenden politischen Aufgaben der Partei vorlegen.

In diesem Jahr sollen es nach Vorschlag der Parteivorsitzenden Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow sogar drei Leitanträge sein. Erstens zum Thema Parteiaufbau und Kampagnen; zweitens zum Thema Krieg und Abrüstung; drittens zum Thema Klimagerechtigkeit und sozial-ökologischer Umbau.

Zu allen drei Themen lagen erste Entwürfe vor.

Es gab drei Diskussionsblöcke, in denen deutlich wurde, dass an diesen Texten noch sehr viel gearbeitet werden muss. Mehrere Beiträge (so auch Thies Gleiss) stellten in Frage, ob diese Dreiteilung sinnvoll ist. Thies Gleiss und andere schlugen stattdessen einen thematisch zentralen Punkt zur aktuellen Krieg- und Friedensfrage vor. Es gibt auch im Juni wahrscheinlich kein wichtigeres Thema der weltweiten Politik und der Aufgaben einer linken Partei. Der gesamte Parteitag muss inhaltlich und auch optisch dieser Herausforderung gewidmet sein. Der Parteitag muss ein Forum der Antikriegs-Bewegung werden.

Daneben sollte ein Antrag zu den sonstigen politischen Kampagnen und Themen vorgelegt werden, der ausdrücklich eine Verbindung zum Parteiaufbau und den engeren organisatorischen Fragen herstellt. Es gilt, da greift der Entwurf zum Parteiaufbau endlich eine lange fast nur von der Antikapitalistischen Linken benutzte Formulierung auf, eine „Politik in der ersten Person“ zu entwickeln. Wie kann sich eine Partei von 61.000 Mitgliedern in der wirklichen Gesellschaft und dauerhaft verankern und mehr als nur Wahlkämpfe machen. Das überragende Thema sozial-ökologischer Umbau ist dafür genau der angemessene Rahmen, die praktische Bedeutung einer linken Partei in der aktuellen Politik von heute zu beweisen.

Nach längerer Debatte wurden die drei Entwürfe zur weiteren Überarbeitung zurückverwiesen. Bis zum 31. März sollen aus den Reihen des Parteivorstandes möglichst konkrete Änderungen und Ergänzungen vorgeschlagen werden. Auf der April-Sitzung des Parteivorstandes wird dann abschließend über den oder die Leitanträge beraten. Konkrete Änderungs-Anträge an den dazu vorliegenden Entwürfen sollen bis zum 19. April eingereicht werden. Nach der April-Sitzung werden die Entwürfe zum Leitantrag dann in die Partei zur weiteren Beratung und Änderung eingereicht.

7. Mitgliederbefragung

Es wurde eine sehr breite Mitgliederbefragung durchgeführt. Über die Ergebnisse informierte Tim Herudek von der Bundesgeschäftsstelle. Es ist damit erstmals eine fundierte Debatte darüber möglich, was die Mitglieder tatsächlich wollen, wo sie sich und ihre Partei verorten. Die Ergebnisse werden datenschutzgemäß veröffentlicht und alle Kreisverbände sollten sich damit befassen.

8. Weitere Beschlüsse und Vorlagen

– Es wurde mit 2 Gegenstimmen und 5 Enthaltungen eine Vorlage angenommen, dass die LINKE trotz aller finanziellen Engpässe weiterhin breite linke, kulturelle Beiträge anbietet.

– Das jährliche Solidaritätsfest für Kuba wird von der LINKEN materiell und politisch unterstützt (mit 1 Gegenstimme und 3 Enthaltungen beschlossen)

– Es wurde eine Resolution zur aktuellen Lage in der Türkei und der skandalösen Doppelmoral der grünen Außenpolitik diskutiert. Sie wurde einmütig zur finalen Beschlussfassung an den Geschäftsführenden Parteivorstand überwiesen.

– Nach langer Diskussion wurde ein Beschluss zur beschleunigten Umsetzung der Energiewende und Maßnahmen gegen die Verteuerung insbesondere der Strom-, Gas- und Benzinpreise gefasst. Mehrere Änderungsanträge aus den Reihen des PV wurden eingearbeitet. Diskutiert wurden vor allem die Fragen des sofortigen Stopps von Energieträgern aus Russland und die Frage von Steuersenkungen diskutiert. Es gab 3 Enthaltungen.

– Die Bundestagsfraktion hat ein ausführliches Konzept inklusive Gesetzesentwürfe zur Ausweitung der betrieblichen Mitbestimmung vorgelegt. Es ist auf den Seiten der Fraktion abzurufen. Dieses Konzept wurde dem PV gerafft vorgestellt. Es beinhaltet vor allem eine Erleichterung bei der Wahl und Einrichtung von Betriebsräten; den Ausbau qualitativer Mitbestimmungsrechte zu allen wichtigen Fragen der Produktion und den Arbeitsbedingungen sowie einen grundsätzlichen Ausbau der betrieblichen Demokratie.

Thies Gleiss wies in einem Diskussionsbeitrag hin, dass es auch zu den Aufgaben der LINKEN zählt, die grundsätzlichen Beschränkungen der betrieblichen Mitbestimmung in einer von Privatbesitz bestimmten Klassengesellschaft aufzuzeigen. Die Verpflichtung auf ein angebliches Gemeinwohl mit den Unternehmensbesitzer:innen muss ebenso weg wie das Verbot von Belegschaftsvertretungen, Zwangsmittel wie Streiks anzuwenden. Ein Mittel dagegen anzugehen ist die Stärkung von unabhängigen Rechten der Gewerkschaften im Betrieb und ihrer Vertrauensleute, die heute in einem fast völlig ungeregelten Umfeld arbeiten müssen.

– Der Bundesgeschäftsführer informierte abschließend, dass weiterhin in verschiedenen Kreisverbänden und sonstigen Treffen die Auswertungsdebatte über den miesen Wahlerfolg diskutiert wird.

Thies Gleiss, Köln, 27.März 2022