Nein zum Krieg in der Ukraine! Waffenstillstand und Verhandlungen! Weder Russland noch die NATO sind eine Alternative!

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Antrag des BSPR der AKL an die Mitgliederversammlung am 10.04.2022

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist ein Angriffskrieg gegen ein souveränes Land. Dieser Krieg ist völkerrechtswidrig! Die AKL lehnt den Bruch des Völkerrechts und diesen Krieg und die Besatzung als Mittel der Politik entschieden ab. Das Völkerrecht ist kein Ersatz für linken, sozialistischen Internationalismus und weltweite Solidarität der unterdrückten Klassen, aber es ist zumindest ein Instrument, die kriegerischen Tendenzen kapitalistischer Staaten untereinander zu mäßigen.

Krieg löst die Probleme nicht, sondern verschärft sie. Jede Stunde Krieg kostet Menschenleben und zerstört unnötig Werte. Immer mehr Menschen sterben, immer mehr Menschen müssen fliehen und immer mehr gegen den Krieg Demonstrierende werden in Russland verhaftet. Unsere Solidarität gehört allen Menschen, die unter dem Krieg und seinen Folgen leiden. Wir stehen auf der Seite derer, die in der Ukraine gegen die Besatzung und für eine demokratische Selbstbestimmung kämpfen und die in Russland gegen diesen Krieg auf die Straße gehen. Wir fordern offene Grenzen und Bleiberecht für alle, die vor dem Krieg flüchten und für alle Deserteur*innen, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht oder Herkunftsland. Wir stellen uns gegen die unselige Allianz aus Politik, Oligarchen, Nationalisten, Rüstungsindustrie und Militär beiderseits der Front. Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand und den Rückzug der russischen Truppen.

Der Angriff der russischen Armee auf die Ukraine ist durch nichts zu rechtfertigen. Er hat aber eine Vorgeschichte. Mit dem Ende der Sowjetunion und der von ihr geprägten Existenz eines großen Teils der Welt, der nicht völlig vom kapitalistischen Weltmarkt beherrscht war, sondern versuchte, eine bürokratische Zentralverwaltungswirtschaft jenseits des Marktes zu etablieren, begann ein scharfer Kampf um die Neuaufteilung der Welt und den Zugriff auf den bisher nicht kapitalistisch beherrschten Teil. Der Einflussbereich der Sowjetunion wurde systematisch zurückgedrängt. Ehemalige Sowjetrepubliken wurden unabhängig. Überall im ehemaligen „Ostblock“ begann ein Prozess der Reprivatisierung der Produktionsmittel. Ein größerer Teil der früheren Bürokraten und Angehörige der Nomenklatura eigneten sich diese ehemals gesellschaftlichen Werte an und verwandelten sich in eine kapitalistische Klasse von Privatunternehmer*innen. Es war ein brutaler Prozess der – in Worten von Karl Marx – ursprünglichen Akkumulation von Kapital, der Herausbildung einer neuen herrschenden Klasse und des Aufkommens von großer Armut und tiefer gesellschaftlicher Klassenspaltung als andere Seite der Medaille.

Russland verwandelte sich in den Worten der USA-Ideologen, von einem Schurkenstaat mit einem anderen Gesellschaftssystem in einen rivalisierenden kapitalistischen Staat, der zunehmend zu einem großen Konkurrenten im Kampf um Ressourcen, Weltmarktanteile und politisch-militärische Einflusszonen wurde. Wie zu Zeiten des Ersten Weltkrieges wurde Russland zum imperialistischen Konkurrenten, der heute wie damals zwar deutlich schwächer als der EU-Block, die USA, Japan oder als ebenfalls neuer Akteur China ist, aber eben ein ernstzunehmender Rivale. Der russländische Imperialismus ist heute ein pro-aktiv in den Konkurrenzkampf intervenierender Akteur, er steht unter Expansionszwang wie jeder andere Imperialismus auch.

Nach dem Ende der Blockkonfrontation wurde die NATO zu einem weltweiten Interventionsbündnis aus- und umgebaut. Die NATO bildet zwar auch die scharfen Konkurrenzen zwischen den USA und den europäischen Staaten ab, aber sie ist auch gemeinsames Instrument gegen die neuen kapitalistischen Global Player Russland und China. Sie propagiert und betreibt den Aufbau einer neuen Weltordnung und die Neuaufteilung der Märkte. Diese Neuordnung richtet sich gegen zu starke Regionalmächte und gegen Regierungen, die der schrankenlosen Ausweitung des Weltmarktes im Wege stehen. Seit dreißig Jahren nehmen deshalb die Kriege wieder zu: Schmutzige, asymmetrische Verteilungskriege unter den Verlierer:innen dieser neuen Weltordnung und zahllose Stellvertreterkriege, die nicht wie früher Kriege „Ost gegen West“, sondern „West gegen West“ waren. Dabei werden langjährig bestehende Ungleichheiten zwischen nationalen oder religiösen Bevölkerungsteilen systematisch ausgenutzt, gegeneinander ausgespielt und immer dann auch gemeinsam bekämpft, wenn aus solchen Kämpfen um nationale Unabhängigkeit eine echte Gefahr für die imperialistische Herrschaft zu erwachsen droht.

Seit einigen Jahren gewinnen in diesem innerimperialistischen Konkurrenzkampf die Auseinandersetzungen mit Russland und die damit einhergehende Aufrüstung der Ostflanke an Bedeutung. Aber die Machtproben mit Russland sind nur Vorgeplänkel für die viel mehr gefürchtete Auseinandersetzung mit China, dem Hauptkonkurrenten der USA und der EU. Die USA und die NATO haben seit der Auflösung des Warschauer Vertrages entgegen ihren Versprechungen ihr Einflussgebiet und ihr militärisches Potential nach Osten erweitert und dort mehr und mehr Truppen und Angriffswaffen stationiert. Der Krieg in der Ukraine hat eine Vorgeschichte in den Kriegen in Tschetschenien und Jugoslawien, in Afghanistan, dem Irak und Libyen, im Krieg Aserbeidschans gegen Armenien, aber auch im Jemen und vielen Kriegen unter dem Schlachtruf „Krieg gegen den Terrorismus“. Die Einflusszonen des russländischen Imperialismus sollen zurückgedrängt werden, neuen Akteure wie China soll das Engagement erschwert werden. Nun hat der Krieg nach der Bombardierung Jugoslawiens 1999 zum zweiten Mal Europa erreicht.

Die Ukraine wurde seit Monaten mit Kriegswaffen aus NATO-Staaten aufgerüstet. Nach Kriegsbeginn hat sich auch Deutschland entschieden, Waffen in diesen Krieg zu exportieren und liefert gepanzerte Fahrzeuge, Panzerfäuste, Panzerabwehrwaffen und Boden-Luft-Raketen. Wer den Export von Kriegswaffen in einen Krieg hinein genehmigt und Waffen liefert, wird selbst zur Kriegspartei und kann – wie Deutschland oder die USA – nicht mehr Organisator oder Partnerin bei Friedensverhandlungen sein. Durch die Lieferung von Waffen an die Ukraine sind die NATO-Mitglieder bereits indirekt Kriegspartei. Ein offenes Eingreifen der NATO z.B. in Form einer Flugverbotszone könnte die Welt in einen Atomkrieg treiben.

Die NATO spielt mit dem Feuer. Nach dem Aufstocken des Militärs in Nordost-, Zentral- und Südosteuropa wurde auf dem spontan einberufenen NATO-Gipfel am 25. Februar die Eingreiftruppe des Bündnisses mit bis zu 40.000 Soldat*innen aktiviert. Die lange geplanten Großmanöver Cold Response ab Mitte März in Norwegen und Defender Europe 2022 ab Mai mit großen Truppenverschiebungen in die Grenzregionen zu Russland sollen weiterhin durchgeführt werden. Die NATO macht mobil und Deutschland ist Aufmarschgebiet. Das sieht nicht nach Deeskalation aus.

Weder die Androhung „Russland zu ruinieren“ noch die massive Aufrüstung der NATO tragen zur Beendigung des Krieges bei. Die USA und die EU haben nach dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine den Wirtschaftskrieg eröffnet und Russland mit schwerwiegenden Sanktionen belegt. Die Sanktionen treffen vor allem die Bevölkerung in Russland sowie durch die Verteuerung der Energie- und Lebensmittelpreise die Menschen weltweit. Die fehlenden Weizenlieferungen aus Russland und der Ukraine bei steigenden Preisen können eine weltweite Hungerkrise auslösen. Um die Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland abzubauen, will die Bundesregierung den Import von umweltschädlichen und teuren US-Fracking-Gas ermöglichen und der grüne Umweltminister Habeck geht auf Einkaufstour in Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten über die Lieferung von Flüssiggas. Beteiligte am Krieg gegen den Jemen und langjährige Einkäufer von deutschen Waffen sind alte und neue Geschäftspartnern. Auch der Weiterbetrieb von Atomkraftwerken ist im Gespräch – statt den beschleunigten Ausbau von erneuerbaren Energien voranzutreiben. Kohle, Öl und Gas sind weiterhin Schmiermittel des Kapitalismus.

Die Ampel-Koalition hat mit Unterstützung der CDU/CSU einen Schattenhaushalt von 100 Mrd. Euro für die Bundeswehr auf den Weg gebracht und will diesen im Grundgesetz verankern. Außerdem soll der Militärhaushalt gemäß den NATO-Wünschen auf über 2 % des BIP steigen (2014 waren es noch 32,4 Mrd. und 2022 bereits 50 Mrd. €). Zwei Prozent wären 75 bis 80 Mrd. € jährlich. Es sollen bewaffnungsfähige Drohnen und Kampfflugzeuge zum Abwurf von Atombomben angeschafft werden All diese Waffen standen lange auf der Wunschliste des Militärs, nun hat sich die Bundesregierung unter dem Deckmantel des Krieges endgültig für Großmachtpolitik und massive Aufrüstung entschieden. Deutschland hätte damit den größten Kriegshaushalt in der EU und den drittgrößten weltweit – nach den USA und China. Auch die USA und die anderen NATO-Länder haben massive Aufrüstungsprogramme beschlossen. China nimmt für sich in Anspruch, eine Armee zu haben, die der Größe des Landes angemessen ist und hat seine Rüstungsausgaben in den letzten Jahren auch gesteigert. Dies sichert nicht nur der Rüstungsindustrie weltweit Rekordaufträge und -gewinne, sondern macht Aufrüstung und Krieg als Mittel der Politik endgültig wieder zur Normalität.

Der Kapitalismus trägt den Krieg ins sich wie die Wolke den Regen“, dieses Zitat des 1914 ermordeten französischen Sozialisten Jean Jaurès ist nach wie vor gültig. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sahen sich die USA als die einzige imperialistische Weltmacht. Aber Russland und vor allem China haben sich inzwischen auch zu imperialen Mächten entwickelt. China hat das BIP der USA und der EU nicht nur eingeholt sondern überholt und mit seinem Projekt der neuen Seidenstraße eigene Einflussgebiete abgesteckt. Die USA wollen ihre Welthegemonie ökonomisch und vor allem durch ihren Militärapparat und das militärisches Bündnissystem NATO absichern. Sie haben die NATO schon lange gegen Russland und China in Stellung gebracht, auch die EU rüstet im Pazifik auf. Es geht um geostrategische Einflusszonen und leicht kann der noch lokal begrenzte Krieg in einen kapitalistischen Weltkrieg und auch Atomkrieg übergehen.

Die Antwort linker Antikapitalist*innen kann nur sein: Internationale Solidarität statt gegenseitiges Abschlachten. Wir setzten uns dafür ein, dass das militärische Gemetzel, die Bombardierungen und das Töten der Zivilbevölkerung sofort aufhören und die Zerstörung der sozialen Infrastruktur gestoppt werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass die NATO und der Westen die Ukraine bis zum letzten wehrfähigen Ukrainer verteidigen lassen und der russische Generalstab das Sterben tausender Soldat*innen in Kauf nimmt. Wir dürfen nicht zulassen, dass immer mehr Menschen auf beiden Seiten der Front für die Interessen des Kapitals sterben.

Wir sprechen uns insbesondere gegen alle Versuche von Politiker*innen der Partei DIE LINKE aus, die friedenspolitischen Grundsätze des Erfurter Programms zu relativieren, weil diese angesichts des russischen Einmarschs in die Ukraine angeblich nicht mehr zeitgemäß seien. Wir brauchen in der Linkspartei keine neue Debatte über mehr Aufrüstung, sondern konsequente Abrüstung ist das Gebot der Stunde. Wir müssen auch nicht unser Verhältnis zur NATO neu überdenken, sondern es ist nach wie vor unabdingbar, wie es im Erfurter Programm gefordert wird, die NATO als ein Instrument des kalten Krieges aufzulösen. Ebenso ist es unabdingbar, von Russland konsequente Abrüstungsmaßnahmen zu fordern, Russland in ein kollektives Sicherheitssystem einzubinden, sowie die russische Friedensbewegung zu stärken.

Deshalb fordern wir:

  • Einen sofortigen Waffenstillstand und den Abzug aller russischen Truppen aus der Ukraine sowie die Auflösung aller paramilitärischen Verbände in der Ukraine!
  • Die sofortige Beendigung aller Waffenlieferungen und der verdeckten Beteiligung der NATO an dem Krieg!
  • Schluss mit den Sanktionen!
  • Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine unter der Aufsicht der OSZE!
  • Neutralität der Ukraine und Abbau der NATO-Infrastruktur in der Ukraine!
  • Solidarität und materielle Unterstützung für die Antikriegsbewegungen in Russland und der Ukraine!
  • Solidarität mit dem demokratischen Widerstand in der Ukraine gegen die russländische Besatzung!
  • Aufnahme aller Geflüchteten und Desertierenden!
  • Kein Zurück zu den fossilen Energiesystemen und der Atomenergie. Beschleunigter Ausbau der nicht-fossilen Energieanlagen!