Im Zorn: Lafontaine verlässt DIE LINKE

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17.03.22
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Kommentar von Edith Bartelmus-Scholich

Zehn Tage vor der Landtagswahl im Saarland, wo DIE LINKE um den Wiedereinzug in den Landtag bangt, hat Oskar Lafontaine die Partei verlassen. Es wird nun unwahrscheinlicher, dass im nächsten saarländischen Landtag noch eine linke Stimme vertreten sein wird. Und offenbar will Lafontaine genau dies befördern. Wäre das nicht der Fall, hätte er am 28. März der Partei den Rücken kehren können. Es ist zu traurig, dass er damit die eigenen Beteuerungen, wie wichtig eine linke Partei in den Parlamenten doch ist, Lügen straft.

Nachdem Lafontaine sich für seinen Aufruf zur Bundestagswahl DIE LINKE an der Saar nicht zu wählen, weil ihm die Landesliste und die Umstände unter denen diese entstanden war, nicht gefallen hatten, ein Parteiausschlussverfahren eingehandelt hatte, setzt er bei seinem Austritt aus der LINKEN noch eins drauf. Er macht klar, dass er nach der Maxime „Was Du nicht beherrschen kannst, zerstöre!“ handelt. Und damit macht er vielen Linken schwer, seine Verdienste für die Partei DIE LINKE anzuerkennen.

Und diese Verdienste sind gar nicht einmal gering. Als WASG und PDS sich 2005 entschlossen gemeinsam zur Bundestagswahl anzutreten, galt Lafontaine als Spitzenkandidat in NRW vielen Menschen als Garant dafür, dass hier etwas Neues entstehen würde. Die ersten Jahre der jungen Partei prägte er als Co-Vorsitzender maßgeblich mit, hatte Anteil an einer Reihe von Wahlerfolgen und schwor im Bündnis mit der Parteilinken die neue Partei auf eine scharfe Abgrenzung zur SPD und der neoliberalen Agenda 2010 ein. 2012 kämpfte er auf dem Göttinger Parteitag mit Erfolg um die gefährdete Einheit der Partei.

Fakt ist aber auch, dass Lafontaine in der Partei wichtige Auseinandersetzungen verloren hatte. Den Landesverband im Saarland hätte er für sich und die Partei retten können, wenn er eine neue, glaubwürdige, demokratische Praxis vorgelebt hätte. Statt dessen hat er sich in Kämpfe von Beutegemeinschaften verstrickt und zuletzt den Kürzeren gezogen. Der desolate Zustand der Saar-Linken ist ihm genauso anzulasten, wie seinen Kontrahenten.

Absage an eine zeitgemäße Linke

Nach dem Göttinger Parteitag 2012 geriet Lafontaine mit der neuen Parteispitze in Gegensatz. Grund dafür war, dass nach gründlicher Analyse der Parteivorstand das strategische Konzept, DIE LINKE als „eigentliche und echte Sozialdemokratie“ im Gegensatz zur SPD zu präsentieren, aufgab. Dieses Konzept hatte sich zwischen 2007 und 2013 verschlissen. Wählerinnen und Wähler, die 2005 und 2009 DIE LINKE gewählt hatten, weil sie sich Korrekturen in der Arbeits- und Sozialpolitik wünschten, hatten die Hoffnung und damit auch die Orientierung auf DIE LINKE nach und nach aufgegeben. Neue Wählergruppen mit eigenen Motiven mussten gewonnen werden.

2011 hatte DIE LINKE zudem ihr Erfurter Programm beschlossen. Sie trug damit zu einem Teil den Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte in Gesellschaft und Wirtschaft Rechnung. Sie griff Themen wie z.B. den Klimawandel und die fortschreitende Umweltzerstörung auf, die in der traditionellen Arbeiterbewegung keine Rolle gespielt hatten. Sie bezog sich zudem auf feministische Ideen und auf einen universellen Humanismus.

Nach 2013 vollzog sich langsam aber stetig ein Wandel in der Partei. 2005 stand der gemeinsame Wahlantritt von WASG und PDS unter der Losung „Für eine neue soziale Idee!“. Diese neue soziale Idee wäre schon damals nötig gewesen, kam aber nicht zum Ausdruck. DIE LINKE vertrat während ihrer ersten Jahre eine traditionelle sozialdemokratische Idee. Erst nach 2015 wurden nach und nach die Konturen einer neuen sozialen Idee erkennbar. Der damalige Co-Vorsitzende, Bernd Riexinger, entwarf sowohl das inhaltliche Konzept eines linken Green New Deal als auch das strategische einer verbindenden Klassenpolitik. DIE LINKE konnte so besser auf die Problemlagen und Interessen vor allem jüngerer Menschen in urbanen Milieus eingehen. Diese jüngeren Menschen traten seit 2017 zu tausenden in die Partei ein und verändern sie täglich.

Lafontaine opponierte derweil gegen die neuen Konzepte, unterstützt von seiner Ehefrau Wagenknecht und einer Minderheit in der Partei. Er und seine Anhängerschaft halten nach wie vor an dem Konzept einer SPD 2.0 für DIE LINKE fest. Die Partei soll nicht grüner als die Grünen werden, sie soll sich nicht um unterdrückte Minderheiten kümmern, sondern soll ausschließlich die traditionellen Milieus der Sozialdemokratie pflegen. Nicht zuletzt soll sie einen nationalen Fokus haben, so dass die Meinungsverschiedenheiten sich an den Positionen zur Migration immer wieder entzündeten.

Alle diese politischen Fragen nennt Lafontaine in seinem Austrittsschreiben als seine Gründe. Und wieder einmal wirft er der Linken zu Unrecht vor, sich nicht ausreichend um die Probleme von Armen und Arbeitenden zu kümmern. Auch diese jahrelangen Behauptungen haben der Partei DIE LINKE seit langem geschadet. Lafontaine und Wagenknecht haben mit ihrer oft ungerechtfertigten Kritik einen großen Anteil sowohl an den Auseinandersetzungen in der Linken als auch an dem dürftigen Wahlergebnis der letzten Bundestagswahl.

Nun hat der streitbarste Vertreter des Konzeptes einer SPD 2.0 die Partei DIE LINKE verlassen. Er ist wohl zu der Überzeugung gekommen, dass in der nun existierenden Partei keine Mehrheiten mehr dafür zu gewinnen sind. Diese Einschätzung wird richtig sein. Schade bleibt, dass Lafontaine Abschied aus der Politik nun nicht mit seiner glänzenden Friedensrede im saarländischen Landtag als Erinnerung bleibt, sondern mit einem Zerstörungsimpuls gegen die Partei, die er doch eigentlich aufbauen wollte.

Quelle: http://www.scharf-links.de/90.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=79586&tx_ttnews[backPid]=56&cHash=19b8196843