Parteitagsanträge, Bundesausschuss-Wahlen und Nahost-Konflikt

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Bericht zur Videokonferenz des Parteivorstandes der LINKEN vom 15.05.2021

Von Thies Gleiss, Mitglied des Bundessprecher*innenrates der Antikapitalistischen Linken im PV

Am 15. Mai 2021, dem jährlichen Gedenktag der palästinensischen „Nakba“ (Katastrophe), der Vertreibung der Palästinenser*innen aus ihren Siedlungsgebieten zwischen 1947 und 49, tagte der Parteivorstand der LINKEN als Videokonferenz.

An der Sitzung nahmen bis zu 39 der 44 gewählten PV-Mitglieder teil.

Alle Beschlüsse und Vorlagen sind auf der Website der LINKEN in Kürze nachzulesen: https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/parteivorstand/2018-2020/beschluesse/

Der Bericht ist nur von mir, Thies Gleiss, als einzigem Mitglied des Bundessprecher*innenrates der AKL im PV. Vielleicht klappt es ja, dass in Zukunft von verschiedenen Mitgliedern der AKL und der „Bewegungslinken“ gemeinsame oder wechselnde Berichte der PV-Sitzungen verfasst werden. Der Debatte würde es nützen.

Vom Parteitag im Februar überwiesene Anträge und „Gewerkschaftsrat“

Der Antrag“P.28“ vom Kreisverband Rostock, der eine Stärkung der Kommunalpolitiik und regional wechselnde Treffen zum Erfahrungsaustausch vorsieht, wurde angenommen. Ein weiterer Antrag zur Kommunalpolitik – „P.31“ – wurde von den Antragsteller*innen zurückgezogen.

Bezüglich der Anträge „P.29“ und „S.18“, die beide Befristungen von parlamentarischen Mandaten forderten, wurde die Einrichtung einer Kommission (die schon auf der März-Sitzung beschlossen wurde, aber noch nicht ins Arbeiten kam) wiederholt, die eine ausführlichere Diskussion über diese Fragen vorbereiten und strukturieren soll. Thies Gleiss ist Mitglied in der Kommission.

Bereits die März-Sitzung des Parteivorstandes hatte auch den überwiesenen Parteitagsantrag zur Einrichtung eines Gewerkschaftsrates beschlossen. Heute wurde über die Zusammensetzung dieses Gremiums beraten. Ein Vorschlag der BAG Betrieb und Gewerkschaft sowie des geschäftsführenden Parteivorstandes sieht ein 25-köpfiges Gremium vor, in dem 9 Hauptamtliche aus den DGB-Gewerkschaften, 6 ehrenamtliche Gewerkschafter, 5 wissenschaftliche Fachleute u.a. aus der Rosa-Luxemburgstiftung, 2 Mitglieder der BAG-B+G sowie – als einziger schon namentlich genannt – den früheren Parteivorsitzenden Bernd Riexinger vor.

Über diesen Vorschlag wurde länger kontrovers diskutiert. Thies Gleiss, der bereits gegen die Einrichtung dieses Gewerkschaftsrates eintrat, kritisierte diesen Strukturvorschlag grundsätzlich. Er wäre viel zu sehr von Hauptamtlichen und externen Wissenschafter*innen geprägt. Notwendig sei stattdessen die Vertretung der betrieblichen Arbeit und Vertrauensleute sowie die Integration der verschiedenen linken Ansätze einer Arbeit im DGB.

Der Vorschlag wurde dann mit 4 Gegenstimmen und 8 Enthaltungen angenommen.

Anträge zur 2. Tagung des 7. Parteitages am 19./20. Juni 2021

Zum Antragsschluss am 7. Mai lagen eine Reihe von sonstigen Anträgen an den Parteitag vor. Der Parteivorstand berät üblicherweise in einer ersten Runde über seine grundsätzliche Haltung zu diesen Anträgen. Eine Reihe von Anträgen wurde vom PV angenommen, bei anderen wurde eine Überweisung zur Entscheidung im Bundesausschuss empfohlen. Es sollen hier keine weiteren Details berichtet werden, da alle Anträge ja noch vom Parteitag beraten werden. Die Anträge sind im Parteitagsportal einsehbar, ich kann Fragen dazu gerne separat beantworten. Ob diese vorgeschaltete Runde des PV wirklich bei allen Anträgen sinnvoll ist, sollte auch mal geklärt werden.

Die viel zahlreicheren Änderungsanträge zum Entwurf des Wahlprogramms wurden noch nicht befasst, dort endet die Antragsfrist erst am 2. Juni. Am 12. Juni wird der PV über diese Änderungsanträge beraten.

Die Antragskommission hat für den 13.-17. Juni neun Vorberatungen zwischen den Antragsteller*innen, der ABK und Verantwortlichen des PV einberufen. Sie sind nach Themenblöcken entlang der Gliederung des Parteiprogrammentwurfs aufgeteilt.

Es wurden auch wieder die berühmten „Abschnittsbevollmächtigten“ des Parteivorstandes benannt, die für den Parteivorstand auf diesen Vortreffen und dann – falls noch erforderlich – auf dem Parteitag zu den Anträgen jeweils sprechen.

Schließlich wurden noch eine Reihe von kleinen redaktionellen und Sachkorrekturen am Programmentwurf gebilligt.

Zur 2. Tagung des 7. Parteitages wird es – so beschloss es der PV – ein Sonderplenum von und für vom Rassismus betroffener Genoss*innen geben.

Mitgliederoffensive

Dem PV lagen die Ergebnisse einer Sozialstudie über die Mitgliedschaft der LINKEN (die hochgebildete, gut verdienende Lifestyle-Großstadttruppe, wie einige behaupten, ist die LINKE nach dieser Studie definitiv nicht) sowie der Bericht über die Entwicklung der Mitgliedschaft 2020 und das erste Quartal 2021 vor. Dazu ein Antrag des Bundesgeschäftsführers für zahlreiche Maßnahmen im Rahmen einer neuen „Mitgliederoffensive“.

Über den gesamten Komplex wurde länger debattiert, aber im Grunde wiederholen sich die Erkenntnisse von Quartal zu Quartal: Es treten viele neue Mitglieder in die Partei ein, aber sie bleiben nicht lange. Thies Gleiss hob in seinem Beitrag hervor, dass die LINKE zu sehr Stellvertreter*innenpolitik betreibe und überwiegend parlamentarisch orientiert ist. Für viele, besonders neueingetretene Mitglieder ergibt sich daraus kein Wert für die eigene politische Arbeit.

Die Vorlage zur „Mitgliederoffensive“ wurde ohne Gegenstimme angenommen.

Wahl der PV-Delegierten zum Bundesausschuss

Der Bundesausschuss ist nach dem Bundesparteitag das höchste beschlussfassende Organ der LINKEN. Der Parteivorstand entsendet dahin 6 seiner Mitglieder, darunter zwingend den Bundesschatzmeister.

Für die PV-Delegation in den Bundesausschuss wurden gewählt:

Katrin Lompscher, Bettina Gutperl und Antje Behler, Harald Wolf, Janis Ehling und Thies Gleiss.

Ersatzdelegierte sind:

Daphne Weber, Kerstin Eisenreich, Melanie Wery-Sims, Niema Movassat, Martin Schirdewan, Jörg Schindler

Aktuelle Politik

Der Bundesschatzmeister berichtete über den aktuellen Stand der wirtschaftlichen Situation bei der Zeitung „Neues Deutschland“. Noch immer wird angestrebt, eine Genossenschaft zu bilden, die die Zeitung zukünftig herausbringt. Als Anschubfinanzierung der Partei wären die Anteile an der Immobilie am Franz-Mehring-Platz einzusetzen.

In der Debatte hat Thies Gleiss über den vorläufigen Ausgang der Metalltarifrunde in den ostdeutschen Metallbezirken informiert. Nach wie vor ist die Frage der Angleichung an die Westbezirke in der Arbeitszeit ungeklärt – seit über dreißig Jahren. Jetzt versucht die IG Metall über Haustarifverträge die Angleichung zu erwirken. Ob das gelingt ist sehr zweifelhaft, in Sachsen wurde schon von einer Übergangsfrist bis noch einmal 2027 gesprochen. Auf jeden Fall verdienen die Kolleg*innen weiterhin die volle Unterstützung auch und besonders in den Wahlkämpfen.

Eine längere Debatte ergab sich über verschiedene Auftritte der Vorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow zu Fragen einer möglichen Regierungsbeteiligung, in denen missverständliche Aussagen fielen, dass der PV bereits den Auftrag vergeben hätte, über eine Regierungsbildung konkret zu sprechen. Das wurde breit dementiert und auch eventuelle „Sondierungen“ mit SPD und GRÜNEN sind nicht in irgendeiner Weise festgelegt. Wäre ja auch ein bisschen viel Karl May und wenig Karl Marx, das Fell des Bären auf diese Art zu verteilen, bevor er erlegt wurde. Und selbst dann ist Pelz tragen ja nicht mehr so angesagt.

Eine lange Debatte ergab sich über die furchtbaren aktuellen Entwicklungen in Israel und Palästina. Dazu lagen verschiedene Entwürfe für eine PV-Stellungnahme vor.

Es wurde schließlich eine Erklärung angenommen, die eine Beendigung der Gewalttätigkeiten und Angriffe auf allen Seiten fordert, die Raketenangriffe der Hamas auf Israel und die illegalen Räumungen und Repressionen der israelischen Polizei und rechter Banden verurteilt.

Die Erklärung wurde mit einer Gegenstimme und einer Enthaltung beschlossen. Thies Gleiss hat sich der Stimme enthalten, weil in der Erklärung wenig deutlich wurde, dass es sich hier um einen ungleichen Krieg handelt und die israelische Besatzungspolitik der Auslöser dieses Konfliktes ist. Gleichzeitig sind gerade in den jüngsten Protesten die arabisch-palästinensischen Staatsangehörigen Israels als neue Akteure des Protestes aufgetreten. Ihnen gegenüber und in der gegenwärtigen Situation sowieso generell kann die in der PV-Erklärung angeführte „Zwei-Staaten-Lösung“ nicht als eine ernsthafte Perspektive angesehen werden.

Sonstige Beschlüsse

– Die LINKE unterstützt die diesjährige „Hanfparade“ am 14. August 2021 in Berlin

– Es wurde eine Erklärung zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie am 17. Mai verabschiedet.

– Es wurde einmal mehr eine Solidaritätserklärung mit der HDP beschlossen, die unter neuen Angriffen der türkischen Regierung und Justiz leidet.

– Es wurde, auch bereits wiederholt, eine Stellungnahme zu Morddrohungen türkischer faschistischer Kräfte gegen Linke verabschiedet.

– Der PV nahm eine Protesterklärung zu den schweren staatlichen und militärischen Angriffen auf oppositionelle Proteste in Kolumbien an, die hierzulande in den Medien so gut wie totgeschwiegen werden.

– Die LINKE wird die Aktionen anlässlich der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in München unterstützen: Den dezentralen Aktionstag „Soziale- und klimagerechte Mobilitätswende“ am 5. Und 6. Juni 2021, sowie die Aktionen zur IAA in München am 9. Und 10. September 2021.

– Die LINKE schreibt auch dieses Jahr wieder den Clara-Zetkin-Preis aus, dessen Verleihung im Rahmen des „Festes der Linken“ am 29. Mai 2021 stattfindet.

– Für die Wahlkämpfe in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen wurden die Abrufe aus den jeweiligen Wahlkampfbudgets gebilligt.

– Die Finanzabrechnung für den Haushalt des Parteivorstandes für das erste Quartal 2021 wurde gebilligt.

Zum Abschluss der Sitzung gab es noch eine schöne Präsentation über die laufenden Projekte und Kampagnen der Partei und die Aktivitäten der Bundesgeschäftsstelle. Sie wurden mit Dank und Anerkennung gewürdigt.

Köln, 12. April 2021