Bericht zur Videokonferenz des Parteivorstandes der LINKEN vom 13/14.02.2021

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Von Thies Gleiss und Lucy Redler, Mitglieder des Bundessprecher*innenrates der Antikapitalistischen Linken im PV

Parteitag – Bundestagswahlprogramm – Corona-Krise

Am Karnevalswochenende 13. und 14. Februar 2021 tagte der Parteivorstand der LINKEN in der voraussichtlich letzten Sitzung seiner Amtszeit als Videokonferenz. An der Sitzung nahmen bis zu 29 der gewählten PV-Mitglieder teil. Lucy Redler war aus familiären Gründen nur am ersten Tag anwesend. Alle Beschlüsse und Vorlagen sind auf der Website der LINKEN in Kürze nachzulesen: https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/parteivorstand/2018-2020/beschluesse/

Bundesparteitag 26./27. Februar 2021

Der Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler informierte ausführlich über den aktuellen Stand der technischen Vorbereitungen des ersten komplett online durchgeführten Parteitages der LINKEN. Entsprechende Handreichungen und Verfahrenspläne sind an die Delegierten und die Landesverbände geschickt worden. Der Parteitag wird mit Sicherheit eine große Herausforderung und erfordert Disziplin und Konzentration. Der Bundesgeschäftsführer erinnerte nachdrücklich daran, dass alle Beteiligten auch Geduld und Nachsicht bei kleinen Mängeln mitbringen sollten.

Den größten Teil des Samstags nahm eine weitere und lange Festlegung der Positionen des Parteivorstandes zu den verbliebenen Änderungsanträgen zum Leitantrag und den eigegangenen Einzelanträgen ein. Die Genoss*innen mit dem schönen Titel „Abschnittsbevollmächtigte des PV“ hatten in den Tagen zuvor ganze Arbeit geleistet und mit den Antragsteller*innen der Anträge Übernahme, Teilübernahme oder sonstige Verfahrensfragen zu klären. Dennoch bleiben noch genügend Änderungsanträge übrig.

Die Festlegungen des Vorstandes können hier nicht im Einzelnen aufgeführt werden. Die Debatten darüber waren jeweils kurz und eine Wiederholung früherer PV-Sitzungen.

Einzige neue Debatte war ein längerer, ganz frisch eingegangener Änderungsantrag, der aufforderte, die LINKE solle sich stärker mit der ZeroCovid-Initiative identifizieren und an der entsprechenden Kampagne teilnehmen. Der Änderungsantrag fand keine Mehrheit im Parteivorstand und wird jetzt auf dem Parteitag beraten werden. Ein sehr ähnliches Anliegen wird auch als Initiativantrag auf dem Parteitag gestellt werden.

Nicht nur im Parteivorstand, sondern auch innerhalb der LINKEN ist die ZeroCovid-Kampagne umstritten. Auch die AKL hat keine gemeinsame Position dazu, auch wenn sie viele der einzelnen Forderungen richtig findet. Um dem Ausdruck zu verleihen, hatte die AKL einen Änderungsantrag zum Leitantrag eingereicht, in dem es unter anderem heißt: „Ein Kurswechsel in der Corona-Politik ist dringend nötig. DIE LINKE lädt deshalb Gewerkschaften, die #ZeroCovid-Initiative, Sozialverbände, linke Organisationen und soziale Bewegungen ein, zu gemeinsamen Protesten (natürlich unter Einhaltung der Hygienebedingungen) lokal, regional und bundesweit aufzurufen.“

Diese Formulierung unterstützten viele Genoss*innen, einigen im Parteivorstand war jedoch sogar diese Bezugnahme auf die ZeroCovid-Initiative zu positiv und der explizite Bezug auf sie wurde leider aus dem Antrag gestimmt.

Zu den vielen einzelnen Anträgen (die sogenannten G- und P-Anträge aus den Antragsheften) wird der PV einen Vorschlag an den Parteitag machen, dass weniger als zehn Anträge von umfänglichem Interesse zur Beratung angenommen werden, der Rest an den neuen PV bzw. den Bundesausschuss überwiesen wird. Darunter sind unter anderem die Anträge zum Mitgliederentscheid zum BGE, zur Friedenspolitik (G3), für eine migrantische und antirassistische Linke (G24), zur Vermögensabgabe (G33), zur Einrichtung eines Gewerkschaftsrates (P5) und zum weiteren Parteiaufbau (P6).

Die Satzungsänderungsanträge des PV werden zurückgezogen.

Die Antikapitalistische Linke wird am Montag, 22.2.2021 um 18h eine Delegiertenbesprechung abhalten. Wer als AKL-Mitglied daran teilnehmen möchte, sendet bitte eine Email an lucy.redler@die-linke.de, um die Teilnahmedaten zu erfragen.

Bundestagswahlprogramm 2021

Die Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger hatten, entgegen der ursprünglichen Planung und als letztes großes Projekt ihrer Amtszeit, am Dienstag vor der PV-Sitzung einen Entwurf für ein Wahlprogramm zur Bundestagswahl fertiggestellt und der Presseöffentlichkeit präsentiert.

Alle PV-Mitglieder dankten den beiden und der Bundesgeschäftsstelle für die umfangreiche Arbeit. Dennoch gab es viel Kritik am Verfahren. Es wäre besser, demokratischer und -angesichts der in den letzten wenigen Tagen bereits erfolgten öffentlichen Kritiken und Angriffen – für die Debatte nützlicher gewesen, wenn die beiden Vorsitzenden mit der Veröffentlichung die wenigen Tage bis zur PV-Sitzung abgewartet hätten und den Text mit der Autorität des gesamten PV an die Mitgliedschaft und die interessierte Öffentlichkeit gegeben hätten.

In der Debatte über die inhaltliche Ausrichtung des Programms standen die Friedenspolitik und der ökologische Systemwechsel im Mittelpunkt. Insbesondere die Friedenspolitik wurde in der Öffentlichkeit schon heftig kritisiert, meistens allerdings zu Unrecht. Mit einem anderen Veröffentlichungsverfahren hätte diese Auseinandersetzung vermieden werden können.

Thies Gleiss kritisierte, dass das gesamte Programm viel zu wenig dem gegenwärtigen Krisenzustand des Kapitalismus gerecht würde und zu wenig mit radikalen, linken Gesamtalternativen aufwarte. Es ist Programm wie üblich, das sich dem Vorwurf gefallen lassen muss, den Kapitalismus nur verbessern, nicht aber abschaffen zu wollen. Auch werde immer noch mit Illusionen in einen möglichen Politikwechsel mit SPD und GRÜNEN spekuliert.

Der neugewählte Parteivorstand wird die Debatte über das Wahlprogramm weiterführen müssen. Für den Zeitraum 20. – 28. März 2021 sind bereits 6 Programmratschläge (wohl allesamt noch digital) zu einzelnen Themenfeldern (Mieten, Pflege, Sozialpolitik, Frieden, Wirtschaft, Ökologischer Umbau) in der Vorbereitung. Die einzelnen Termine werden noch bekanntgegeben.

Sonstige Beschlüsse

Der Parteitag nahm den Finanz- und Stellenplan 2021 billigend zur Kenntnis und überwies ihn an den Bundesausschuss, der satzungsgemäß über den Finanzplan entscheidet. Die LINKE hat 400.000 Euro weniger Einnahmen. Der digitale Parteitag hat sich als nicht wesentlich kostengünstiger als die analogen Parteitage herausgestellt. Wegen unerlaubter Verquickung von Fraktions- und Parteiaufklärungsarbeit musste die LINKE  150.000 Euro Strafe bezahlen. Da muss in Zukunft noch mehr aufgepasst werden.

– Der PV nahm den veränderten Sitzungsplan an. Es gibt noch eine kleine Sitzung im Vorfeld des Parteitages und die konstituierende Sitzung des neuen Parteivorstandes wird am 13./14. März stattfinden.

– Der PV nahm die neue Ausschreibung für den Wettbewerb um das beste barrierefreie Parteibüro an und dankte Margit Glasow für die gute Arbeit als Inklusionsbeauftragte.

– Der PV beschloss die weitere Unterstützung der Initiative „Aufstehen gegen Rassismus“

– Der PV beschloss die Unterstützung der Aktionen anlässlich des internationalen Tages gegen Rassismus am 20/21. März 2021.

– Der PV beschloss die Unterstützung der Europäischen Bürgerinitiative „No Profit on Pandemic – the Right to Cure“ an, die die Allgemeinverfügbarkeit der Patente für Corona-Impfstoffe fordert.

– Der PV unterstützt die Gedenkaktionen zum Jahrestag des Anschlags von Hanau am 19. Februar 2021.

Der PV beschloss einstimmig, bei Enthaltung von Thies Gleiss, eine weitere kurze (Thies Gleiss fand: zu kurze) Stellungnahme zu Kuba. Der Beschluss der letzten PV-Sitzung hatte zu berechtigter, aber noch viel mehr zu unberechtigter Kritik aus den Reihen der Kuba-Solidaritätsbewegung geführt. Deshalb kommt jetzt diese Klarstellung, dass die LINKE selbstverständlich solidarisch mit der kubanischen Revolution ist. In der Diskussion wurde von Thies Gleiss und anderen angeregt, dass der neue Parteivorstand unbedingt eine grundsätzlichere Debatte über Kuba und über das Verhältnis von Kritik und Solidarität angesichts realer revolutionärer Prozesse in der Welt organisieren sollte.

Aktuelle politische Lage

In der abschließenden kurzen Debatte über die aktuelle politische Lage stand vor allem die Corona-Krisenpolitik im Mittelpunkt. In der LINKEN gibt es – leider – keine einheitliche strategische Vorstellung, wie eine „linke Corona-Politik“ aussehen müsste.

Daneben wurde über die Wahl in Ecuador informiert.

Abschied

Das war die letzte ordentliche Parteivorstandssitzung. Die Amtszeit war dank Corona fast neun Monate länger als ursprünglich geplant. Lucy Redler und Thies Gleiss haben sich redlich bemüht, konstruktiv, aber, wenn erforderlich, auch kritisch die Vorstandsarbeit zu bereichern. Gerne hätten noch mehr Initiativen und Vorschläge von uns aufgegriffen werden können.

Wir bedanken uns herzlich bei allen Vorstandsgenossinnen und -genossen für die meistens gute und solidarische Zusammenarbeit und vergessen die wenigen unguten Momente. Insbesondere bedanken wir uns bei den ausscheidenden Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger.

Thies Gleiss wird ein weiteres Mal zum Parteivorstand kandidieren und im Falle seiner Wahl seine Arbeit und auch die Berichterstattung zusammen mit allen gewählten AKL-Mitgliedern fortsetzen. Lucy Redler wird leider nicht wieder zur Wahl antreten, sie beginnt einen neuen beruflichen Wegabschnitt, der viel Zeit erfordert. Wir rufen auf, bei der kommenden Wahl dazu auf, die Kandidat*innen der AKL Thies Gleiss und Inge Höger und darüber hinaus alle antikapitalistisch und bewegungsorientierten Genossinnen und Genossen zu wählen.

Köln, Berlin, 15.2.2021