Bericht zur Videokonferenz des Parteivorstandes und Gremienkonferenz der LINKEN vom 10.01.2021

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Von Lucy Redler und Thies Gleiss, Mitglieder des Bundessprecher*innenrates der Antikapitalistischen Linken im PV

JAHRESAUFTAKT 2021 UND PARTEITAGSVORBEREITUNGEN

 

Am 10. Januar 2021 tagte der Parteivorstand einmal mehr als Videokonferenz zunächst gemeinsam mit den Vorsitzenden der Landesverbände und Parlamentsfraktionen („Gremiensitzung“) und dann als Parteivorstand.

An der Gremiensitzung nahmen bis zu 70 Personen teil.

Als Gast für die gemeinsame Sitzung war Gustav Adolf Horn eingeladen.

Er war vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung. Er ist seit der letzten Vorstandswahl Mitglied im Parteivorstand der SPD.

Der Sitzung lag zusätzlich ein gemeinsames Papier von Katja Kipping, Bernd Riexinger, Harald Wolf und Jörg Schindler vor, mit dem Titel:

„Umsteuern jetzt – Für einen sozial-ökologischen Weg aus der Krise. Wirtschaftspolitische Leitlinien zum Jahresauftakt 2021“

 

Alle Beschlüsse und Vorlagen sind auf der Website der LINKEN in Kürze nachzulesen: https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/parteivorstand/2018-2020/beschluesse/

Reden, Reden, Reden

 

Die „Gremiensitzung“ wurde durch Einführungsreden von Bernd Riexinger, Katja Kipping, Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch eröffnet, dazwischen, nach den Parteivorsitzenden, referierte Gustav Adolf Horn. Vielleicht kann der kommende Parteitag dann mit weniger Reden auskommen.

Wirklich Neues wurde nicht verkündet. Wieder einmal wurde speziell von Katja Kipping die Trommel für neue Regierungsmehrheiten aus SPD, GRÜNEN und LINKE gerührt. Da war der Appell von Dietmar Bartsch – der bekanntlich für eine Regierungsbeteiligung um jeden Preis eintritt – es solle doch die Diskussion über „Parteienkonstellationen“ jetzt nicht geführt werden, fast schon eine Kampfansage an solche Traumtänzerei.

Die Partei und der Parteivorstand sind bekanntlich mitten in einer Debatte um den Leitantrag zum Parteitag. Warum dann ein neues Papier am Vorstand vorbei ausgearbeitet und präsentiert werden muss, kann wirklich nur noch dadurch erklärt werden, dass die Autor*innen offenkundig selbst den Glauben an den Leitantrag verloren haben.

 

Der neue Text von Katja, Bernd, Harald und Jörg ist an einigen Stellen etwas besser als der Leitantrag, insbesondere spricht er Klartext bei der Notwendigkeit von ordnungspolitischen Maßnahmen, von Arbeitszeitverkürzung als zentrales Mittel zur Bekämpfung der Krisen (auch wenn hier gerne noch etwas lauter vom vollen Lohn- und Personalausgleich gesprochen werden sollte) und bei der Stärkung von Kontroll- und Vetorechten der Beschäftigten. Die Politik, so kann dieser Text zusammengefasst werden, muss endlich das Primat vor „der Wirtschaft“ erhalten, um die Interessen der Vielen gegen die Wenigen zu verteidigen.

Umso rätselhafter ist es, warum so etwas unter der Überschrift „wirtschaftspolitische Leitlinien“ verbreitet wird. Für Linke sollte es keine „Wirtschaftspolitik“ geben, die vorgaukelt, es gäbe ein gemeinsames Interesse zwischen dem Kapital auf der einen und den Beschäftigten und Erwerbslosen und ihrer Familien auf der anderen Seite. Es geht um Klassenpolitik um unterschiedliche Interessen, bei denen die LINKE nicht neutral ist.  Das ist auch die Voraussetzung dafür, die großen übergreifenden Themen von heute: Klimagerechtigkeit, Gesundheitsversorgung und Pandemie-Bekämpfung mit der Verteidigung der unmittelbaren Tagesinteressen der Arbeiter*innenklasse zu verbinden.

In seiner Gänze vermittelten aber weder Text noch Einführungsstatements die nötigen Bewegungen und Proteste, um diese und Verbesserungen durchzusetzen. Es scheint, als sei die Hoffnung vor allem, dass sich Verbesserungen durch ein Kreuz an der richtigen Stelle am Wahltag oder gar eine Beteiligung an einer Regierung durchsetzen lassen würden. Der Text verschweigt auch die nötigen Eingriffe in das Privateigentum an zentralen Stellen der Ökonomie wie zum Beispiel der Pharmaindustrie.

Gustav Adolf Horn soll Gerüchten nach ein „SPD-Linker“ sein. Er hielt aber eine typische SPD-Rede. Für ihn ist die alte Schröder-Losung „Wirtschaftspolitik wird in der Wirtschaft gemacht“ unbestrittene Leitlinie. Die Politik darf ein bisschen regulieren, heute in der Corona-Krise vielleicht auch ein bisschen mehr, aber Ziel muss immer sein, die „Wirtschaft“ zum Laufen zu bringen und nicht zu behindern. Deshalb solle im Wahlkampf zwar das Thema „Steuern“ von der SPD aufgegriffen werden, aber nicht mit dem Ziel, Mehreinnahmen für staatliche und öffentliche Politik zu generieren. Staatliche Auflagen bei den Betrieben, denen geholfen wird, seien nicht angebracht. Verbote von Inlandsflügen würden zum Beispiel nur die Lufthansa im Konkurrenzkampf mit Ryan-Air behindern. Wenn, dann müsste der Flugverkehr für alle und europa- und weltweit reguliert werden. Die Schuldenbremse sei von Übel, aber anstatt deren Abschaffung zu fordern, sollten lieber Tricks überlegt werden, sie zu umgehen – wie die Auslagerung von Haushalten in separierte „Investitionsagenturen“. Da wird die „Politik“ dann gleich mit Anlauf der „Wirtschaft“ geopfert. Haupthindernis für eine gute Politik in Deutschland sei im Übrigen die Europäische Union. Aber deren Vertragsgrundlagen zu ändern oder gar den Laden zu verlassen, steht nicht auf der SPD-Agenda.

Parteitagsvorbereitungen

In der anschließenden PV-Sitzung wurden nur noch organisatorische Beschlüsse zum dezentralen Parteitag am 27. Februar (und Online-Parteitag am 26. Februar) beschlossen: Geschäftsordnung, Zeitplan und Arbeitsgremienzusammensetzung sowie Benennung von Verantwortlichen des PV für die Diskussion der einzelnen Abschnitte des Leitantrags. Auch der Fall einer erneuten Absage des Bundesparteitags in der derzeitig geplanten Form aus pandemiebedingten und juristischen Gründen und mögliche Alternativen wurden andiskutiert.

Das ursprünglich einmal für den 20. März 2021 geplante Parteievent zur Einstimmung auf die Wahlkämpfe wurde abgesagt.

Der Tagesordnungspunkt „Aktuelle Politik“ konnte nicht mehr abgearbeitet werden. Nächste PV-Sitzung ist am 23. Januar. Antragsschluss dafür ist der 13. Januar.

Berlin, Köln 11.01.2021 – Lucy Redler, Thies Gleiss