R2G- Die Linke wird sich entscheiden müssen

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Warum ich eine Regierungskoalition zur jetzigen Zeit für absolut undenkbar halte und welche Kräfte innerhalb der Linkspartei ein Interesse an dieser haben.

von Joscha Kölsch

Am 13. September stehen in Nordrhein-Westfalen die Kommunalwahlen an und auch die Bundestagswahlen am 24. Oktober 2021 rücken in greifbare Nähe. Dementsprechend werden die Rufe nach einer Regierungsbeteiligung der Partei DIE LINKE, die nach aktuellen Umfragen zwischen 6 und 9 Prozent(Stand 25-27.Juni 2020) liegt, lauter. Innerhalb dieser Debatte manifestieren sich verschiedene Positionen innerhalb der Partei bezüglich der „Regierungsfrage“ mit SPD und Grünen. Während ein Teil reformerischer Kräfte innenhalb der PdL sich kooperativ zeigt, für „linke Mehrheiten“ wirbt und darauf bedacht ist Gemeinsamkeiten aufzuzeigen, so hagelt es an anderen Stellen jedoch harte Kritik an einer vermeintlich linken Regierung.

Ist das schon links oder kann das weg?

Wenn Menschen heutzutage links sagen, dann meinen sie jedoch nicht immer das Selbe. Während für die einen „links“ gleichzusetzen mit „links-liberal“ ist, verstehen andere unter „links-sein“ die Kritik am kapitalistischen System und seiner Überwindung. Während ich mich klar für letzteres ausspreche,  meint „links-sein“ für mich die Gleichwertigkeit (nicht zu verwechselnd mit Gleichheit) aller Menschen anzuerkennen und für deren Gleichwertigkeit zu streiten. Innerhalb dieser Debatte wird häufig zwischen den Positionen das „Links-sein“ von der einen, der anderen Position abgesprochen. Einer derartigen Argumentationsweise widersetze ich mich. „Links-sein“ hat kein Patent, das wäre auch pure Ironie. Allerdings sollte man, wenn man von linken Mehrheiten spricht schon genauer hingucken. Eine Partei wie die SPD zum Beispiel hat bis heute noch im Parteibuch „wir sind eine marxistische Partei“ stehen. Das lassen wir erst einmal sacken. Der Tweet von Katharina Barley vom 14. April war beschreibend für das marxistische Selbstverständnis der SPD. Sie twitterte:“ Marxisten? Das waren doch die, die keinen Widerspruch duldeten und alle verfolgten, die anderer Meinung waren? Wo die Partei immer Recht hat? Genau wie PiS und Fidesz heutzutage….“. Den Marxismus und die Dialektik als eine rechthaberische und autoritäre Weltanschauung darzustellen ist in seiner Lächerlichkeit nicht zu übertrumpfen und eigentlich Hobby rechter oder reaktionärer Kräfte. Marxismus mit rechtsnationalistischen Parteien gleichzusetzen ist Hufeisentheorie-Dummgeschwätz auf einem nie da gewesenen Niveau. Natürlich wäre es absolut falsch das „marxistische Selbstverständnis“ an der Meinung einer einzigen SPD Repräsentantin auszumachen, allerdings erspare ich mir und euch an dieser Stelle eine historische Aufzählung der Fehltritte der Sozialdemokraten, bei denen Korruption, Verrat der Arbeiter*innen und Lobbyismus im Zentrum stehen. Besonders schmerzhaft muss ich bei dieser harten Kritik über die Sell-Out Partei an Freunde und Familie denken, die Basismitglieder der SPD sind und auch inhaltlich wunderbar mit der PdL kooperiert haben und können. Ich sehe euch und respektiere euren Kampf innerhalb der SPD gegen das Kapital, Karrieristen*innen und Seeheimern. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Partei jedoch in fester Hand derartiger Kräfte und eine Koalition ist daher absolut undenkbar. Doch werfen wir den Blick auf die Partei „BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN“: entstanden war die Partei aus der neuen Linken, der Antikriegsbewegung, Antiatomkraftbewegung und Umweltbewegungen. Seit der Parteigründung des 12 und 13. Januars 1980 und heute ist jedoch einiges geschehen. Der pazifistische Bruch der Partei unter dem damaligen grünen Außenminister Joschka Fischer spielt hierbei eine zentrale Rolle in der heutigen Identität der Partei. Die heutige Fraktion und Selbstausrichtung der Partei DIE GRÜNEN ist aus meiner Sicht neoliberal und versucht den Klimawandel durch einen Green Growth zu kompensieren. Dabei ist die Frage nach Wachstum eine rein physikalische, denn Wachstum ist  unweigerlich mit Materialverabeitung und Produktionserhöhung verbunden. Diese wiederum mit erhöhtem Energieaufwand, der zur Zerstörung der Umwelt führt. Auch an dieser Stelle erspare ich mir Hasstiraden gegen Drehtürverhalten, Querulanten wie Boris Palmer oder der Finanzierung durch Interessenverbände. Auch bei der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gibt es tolle Menschen mit aufrichtigen Perspektiven, die ständig mit uns auf kommunaler und regionaler Ebene zusammen arbeiten. Auch antikapitalistische oder sogar kommunistische Weltanschauungen sind in der Partei vertreten (ein besonderer Gruß geht raus an meinen Genossen der Grünen Jugend aus Krefeld), doch in der Führung ist auch diese Partei systemimmanent, liberal und nicht mit den Grundsätzen der PdL vereinbar.

Doch welche Lager innerhalb der Linkspartei sind bereit eigene Positionen für eine Regierungsbeteiligung ein Stück weit aufzugeben?

 

Diese Frage kann ich nur didaktisch, allerdings nicht statistisch herleiten. Eine Studie wäre allerdings äußerst interessant. Ich denke ohne weiteres können wir als erstes den sogenannten Aufstehenflügel unter Anleitung von oben durch Lafontaine und Wagenknecht einer Pro Regierungsbeteiligung zuordnen. Aufstehen steht dafür „linke Mehrheiten“ zu schaffen und verspricht sich dadurch eine Verbesserung der Lebensverhältnisse der proletarischen Klasse zu erzielen. Nachdem Aufstehen bereits zwei Mal unter anderem durch seine hierarchische top-down Struktur einer Sammlungsbewegung, die keine ist scheiterte, verkündete Oskar Lafontaine erst kürzlich, dass ein weiterer „Aufstehenversuch“ bereits in Planung sei. Das erinnert ein wenig an ein „Hey“ eines Ex-Partners*in. Ich bleibe da auf jeden Fall aus Protest sitzen. Besonders die geplante NRW Tour Sahra Wagenknechts spricht dafür, dass sie dies unterstützen wird und möglicherweise ein weiteres Mal plant als Erstplatzierte für NRW in den Bundestag einzuziehen. Doch neben Aufstehen gibt es noch ein weiteres Lager, das sich auf Schmusekurs mit SPD und Grünen zeigt und immer wieder versöhnliche Dinge in Richtung Rot-rot-grün äußert. Natürlich sind Reformer und Reformerinnen des „fds“ (Forum des demokratischen Sozialismus), die anteilweise stark vertreten in der Fraktion sind gemeint. Katja Kipping sprach bereits Anfang 2019 von einer „linken Regierungspflicht“ und adressierte somit eine vermeintlich linke Zusammenarbeit zwischen PdL, SPD und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN. Gegen R2G scheint also neben der antikapitalistischen Linken nur noch die Bewegungslinke als größere „Strömung“ innerhalb der Partei zu sein. Ich empfinde diese Entwicklung als besonders dramatisch, da sie eine Entwicklung, wie sie bei der Partei SPD stattgefunden hat andeutet. Die Aufgabe einer linken Partei sollte es in heutiger Zeit sein sich ohne entsprechende Machtverhältnisse gegen eine kapitalismustragende Regierung zu stellen und laute Oppositions-und Bewegungsarbeit zu machen. Das schärft nicht nur unser Profil und hebt uns von SPD und GRÜNEN ab, sondern wird ähnlich, wie erst kürzlich in Katalonien für Wahlstimmen sorgen. So groß die Versuchung auf Posten und Regierungsbeteiligung auch sein mag, langfristige und aufrichtige linke Politik kann und darf das nicht zulassen.

 

 

Doch was haben Rot-rot-grün Koalitionen in der Vergangenheit gebracht?

Argumentativ könnte ich jetzt weit in die Vergangenheit blicken und „alte Kamellen“ hervorholen, die ganz klar beweisen, dass die Interessen der Linkspartei historisch betrachtet  in R2G Koalitionen überwiegend unter den Tisch gefallen sind. Da ich aber bereits die Argumente der Gegenseite gegen eine Meile riechen kann, möchte ich auf ein ganz aktuelles Beispiel auf Landesregierungsebene eingehen. Selbstverständlich spreche ich über die jüngste R2G Regierung in Bremen. Der Koalitionsvertrag ist gezeichnet durch das „Festhalten an der schwarzen Null“ und der Schuldenbremse. Der Genosse Peter Erlanson stellte in seiner Analyse „150 Tage Rot-Grün-Rote Regierungskoalition in Bremen“ folgerichtig fest, dass diese Ausrichtung weder Mietendeckel, der notwendigen Vergesellschaftung vonovias oder eine „angemessene Antwort auf den Klimawandel“ bedeuten sollte. Die Koalitionspartner beantworteten beispielsweise die Frage nach der Vergesellschaftung vonovias wie folgend:“Wir werden das erst mal nicht verfolgen!“(Zitat Maike Schäfer,Grüne Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau). Zur Schuldenbremse sagte Bürgermeister Andreas Bouvenschulte (SPD):„Eine Umgehung der Schuldenbremse wird es in Bremen definitiv nicht geben“. Gerade dieses jüngste Negativbeispiel sollte aus Perspektive der Linkspartei für Klarheit schaffen.

Was übrig bleibt

Abschließend ist es mir wichtig zu betonen, dass ich mir linke Mehrheiten im Parlament absolut wünsche. Auch wenn ich in diesem Beitrag auf meine Einschätzung linker Parteien und ihren Möglichkeiten in Parlamenten kaum bis gar nicht eingegangenen. Doch wenn wir über linke Koalitionen spreche, dann müssen diese Koalitionen aber auch so links wie die Linkspartei und nicht „linksliberal“ oder mal ab und zu „linksblinkend“ sein. Die Ablehnung eines Koalitionsvertrages zwischen den Parteien, bei der die Linkspartei als schwächste Bündnispartnerin beteiligt ist und unweigerlich eigene Ideale missachten muss, ist übrigens nicht gleichzusetzen mit der Zusammenarbeit der Parteien auf kommunaler Ebene. Wenn gemeinsame Anträge erarbeitet werden können, man sich konsequent gegen Rassismus und Rechts stellt, dann macht Zusammenarbeit auch Sinn. Ein Koalitionsvertrag und eine Kooperation auf Bundesebene macht allerdings zumindest aus meiner antikapitalistischen linken Perspektive unter jetzigen Vorraussetzungen keinen Sinn.