Kämpferische Linke statt Sozialdemokratie 2.0

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Die ernüchternden Wahlergebnisse in Brandenburg und Sachsen scheinen bei der LINKEN fast schon wieder vergessen zu sein. Nach dem Wahlerfolg von Bodo Ramelow in Thüringen und der ersten Regierungsbeteiligung im Westen in Bremen gehen kritische Stimmen im Knallen der Sektkorken unter. Dabei liegt gerade in diesen vermeintlichen Erfolgen eine Gefahr für DIE LINKE.

von Sebastian RaveBremen

Es gibt nichts Grundlegendes, was die LINKE, die in Sachsen und Brandenburg verloren hat, von der LINKEN unterscheiden würde, die in Thüringen gewonnen hat. Alle drei Landesverbände stehen für die Hoffnung, als linker Teil eines “linken Lagers” in der Regierung eine graduelle Verbesserung der Verhältnisse erreichen zu können.

Tatsächlich sind die Regierungserfolge beispielsweise in Thüringen aber eher überschaubar. Der Verfassungsschutz blieb ebenso unangetastet wie die Schuldenbremse (wie in Bremen), ein Landesmindestlohn, der auch bei Aufträgen von Kommunen gilt, wurde nicht eingeführt. Dafür ist Thüringen heute das Land mit dem zweitgrößten Niedriglohnsektor (30%).

Das Scheitern des Projekts Sozialdemokratie 2.0 lässt sich deutlich daran festmachen, dass eines der Ziele des Koalitionsvertrags der scheidenden rot-rot-grünen Regierung lautete: „Der Kampf gegen alte und neue Nazis, gegen Rassismus und Antisemitismus, muss entschlossen fortgesetzt werden“. Bei allem Bemühen und der Teilnahme an Demonstrationen: Am Ende der Legislatur wurde das Ziel, Nazis und Rechtspopulist*innen wirksam zu bekämpfen, verfehlt. Und leider trägt auch DIE LINKE mit ihrer wirkungslosen sozialdemokratischen Politik einen Teil der Verantwortung dafür. Wenn die Menschen das Gefühl haben, trotz einer linken Regierung Bürger*innen zweiter Klasse zu bleiben und DIE LINKE Teil des Establishments ist, hat es eine rechte Opposition eben leicht.

Die ehemalige Sozialdemokratie ist nicht aus reiner Boshaftigkeit zur neoliberalen Agenda-2010-Partei geworden, sondern weil sie sich den Sachzwängen des globalisierten Kapitalismus gebeugt hat. Dieser ist mittlerweile in einer tiefen Krise, die Sachzwänge verschärfen sich sogar noch weiter – ein Kurswechsel bei der LINKEN weg von der Sachzwanglogik ist deshalb dringend nötig.

Die Partei muss sich endlich trauen, den Kapitalismus nicht nur in Programmen in Frage zu stellen. Sie muss sich in den Stadtteilen und Arbeitsplätzen verankern, indem sie eine konstruktive Rolle bei jeder kleinen und großen Gegenwehr spielt. Zum Beispiel wurde der Mietendeckel in Berlin vor dem Hintergrund einer monatelangen Debatte über Enteignung von Immobilienkonzernen als Zugeständnis an die Bewegung durchgesetzt. Wenn es auch in Bremen und Thüringen solche Verbesserungen geben soll, reicht es nicht, SPD und Grüne am Kabinettstisch mal darauf anzusprechen. Die LINKE sollte eine sozialistische Strategie zur Veränderung Thüringens entwickeln, dafür im Parlament Unterstützung einfordern und auf der Straße, den Betrieben, Unis und Schulen mobilisieren. Zu den Eckpunkten sollten gehören:  1. Nichtumsetzung der Schuldenbremse, 2. Bekämpfung der Niedriglöhne, 3. Stopp aller Abschiebungen, 4. Mietendeckel, Mietsenkung und Enteignung der Immobilienkonzerne, 5. Einführung eines Landesgesetzes zur bedarfsgerechten Personalbemessungen in den Krankenhäusern (Thüringen könnte hier Vorreiter werden!) 6. Bedarfsgerechter Haushalt, 7. Rückgängigmachen von Privatisierungen.

Wir gehen nicht davon aus, dass sich SPD und Grünen an einer Regierung mit einem solchen Programm beteiligen würden. Aber das wäre ein Brechen mit der Sachzwanglogik und würde die Frage nach einer gesellschaftlichen Alternative zum Kapitalismus konkret auf die Tagesordnung stellen.