Widerständigkeit – Opposition – Antikapitalismus

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Für einen Kurs zur sozialistischen MassenparteiAKL-Erklärung auf der Bundeskonferenz am 15.1.2012 in Berlin

Das Jahr 2011 war das Jahr der tiefen und strukturellen Krisen des Kapitalismus – und das auf allen Ebenen. Kein Tag verging, an dem die brennende Notwendigkeit einer linken Partei mit einer grundsätzlich alternativen gesellschaftlichen Perspektive nicht unterstrichen wurde.

1. Krise des Kapitalismus

Wir erleben die Fortsetzung einer schweren und in fast allen Teilen des Weltmarktes synchron ablaufenden Kapitalverwertungskrise. Nachdem die Folgen der Überakkumulation von Kapital und das Platzen der gigantischen Spekulationsblase im internationalen Spekulationsgeschäft mittels „Rettungspaketen“, „Konjunktur-Programmen“ und Verstaatlichung von Bankenrisikokapital eingedämmt wurden, war die Folge absehbar: Die Verstaatlichung der Schuldenberge führt zur rasant steigenden Verschuldung der Staaten. Heute wird von den Kapitalverbänden und ihren Regierungen die zweite Phase eingefordert und organisiert: Die Verstaatlichung der Schulden soll in eine dauerhafte Vergesellschaftung umgewandelt werden, indem harte Kürzungsprogramme der staatlichen Haushalte auf Kosten der Mehrheit der lohnabhängigen und erwerbslosen Bevölkerung aufgezwungen werden. Das, was die Ideologen des Kapitalismus und ihre Presse als „Eurokrise“ oder „Schuldenkrise“ bezeichnen ist in Wahrheit nichts als eine Strategie des Finanzkapitals, um seine Pfründe und Anlagemöglichkeiten zu retten. Sein Ziel ist die nächste Runde in der Umverteilung gesellschaftlicher Reichtümer zugunsten der obersten 10 000 und damit die Fortsetzung und Wiederholung dessen, was am Anfang der gut zwei Jahrzehnte langen Überakkumulationsphase des Kapitals stand.

Auf der Strecke bleibt die bisher aufwändig gepflegte demokratische Bemäntelung der kapitalistischen Klassenherrschaft. Politische Parteien degenerieren zu reinen Klientel-Vereinen, deren einziger Programmpunkt darin besteht, die angeblichen „Sachzwänge“ weg- oder schönzureden und in allen Sprachen „There is no alternative“ zu verkünden. Parlamente und demokratisch gewählte Regierungen werden entmachtet und durch „Krisengipfel“ und „Expertenregierungen“ ersetzt, in denen die Kapitalvertreter das direkte Sagen haben. In der EU wird dies gekoppelt mit einer allen – auch vorher schon undemokratischen und abzulehnenden – Vertragsgrundlagen widersprechenden Diktatur der reichen Staaten über die armen. Die Aufhebung der Souveränität durch die insbesondere vom deutschen Kapital aufgezwungenen Kürzungsverträge berauben die Bevölkerung nicht nur ihrer ökonomischen, sondern auch ihrer politischen Errungenschaften.

Seit Jahren warnen AntikapitalistInnen vor den Wesensmerkmalen dieser neoliberalen EU. Dass sich unsere Befürchtungen so schnell und so heftig bewahrheiteten, ist kein Grund zur Freude. Auch dem letzten „Europhoriker“ dürfte mittlerweile klar sein, dass im Kampf für Frieden, Völkerverständigung und soziale Gerechtigkeit diese EU nicht etwa Teil der Lösung, sondern Teil des Problems ist. An diesem Krisenszenario gibt es aus Sicht der LINKEN nichts zu regulieren oder mitzugestalten. Die Alternative heißt jetzt nicht mehr oder weniger Europa, sondern ein anderes, ein besseres Europa. Die derzeitigen EU-Verträge sind für ein solches Europa ungeeignet. Wir fordern eine Neugründung der EU, sowie eine Generalrevision der EU-Verträge. Dafür steht nur DIE LINKE.

Wir finden: Die Kosten der Krise sollen diejenigen bezahlen, die sie verursacht haben. Statt einer Umverteilung von unten nach oben ist eine Umverteilung von oben nach unten erforderlich – über Steuerpolitik und gewerkschaftliche Lohnkämpfe. Die wesentlichen Akteure in diesem Spiel – Großbanken, Versicherungen, Spekulanten – sowie die strukturbestimmenden Konzerne der Weltwirtschaft müssen entmachtet, entflochten und gesellschaftlicher Kontrolle unterstellt werden. Die Staaten müssen endlich von der Diktatur der Finanzmärkte befreit werden. Die Spielzeuge der Casinokapitalisten – Derivatehandel, Leerverkäufe, Kreditverbriefungen und wie der ganze Plunder sonst noch heißt – gehören verboten.

2. Stoppt den Krieg

Krisen im Kapitalismus bedeuten immer Erhöhung der Kriegsgefahr. Die bewaffneten Streitkräfte der kapitalistischen Staaten haben im letzten Jahr neue Kapitel der Missachtung des Völkerrechts aufgeschlagen. Die neokolonialistische Einmischung in afrikanische Staaten (Elfenbeinküste, Sudan u..a.), der Krieg in Libyen und die Drohungen gegen den Iran – sie alle sind ein Hohn auf das Völkerrecht. Gleichzeitig sind sie immer auch ein Kräftemessen der sich in härtester Konkurrenz gegenüberstehenden Nato-“Partner“, wer militärisch und später ökonomisch in den jeweiligen Ländern das Sagen hat.

DIE LINKE setzt den Kriegsvorbereitungen gegen Syrien und den Iran entschiedenen Widerstand entgegen. Wir weisen in diesem Zusammenhang alle Verleumdungsversuche gegen die UnterzeichnerInnen des Aufrufs ‚Kriegsvorbereitungen stoppen! Embargo beenden‘ zurück. Diese Verleumdungsversuche sind Teil der Kriegslügen.

Trotz Abzugspropaganda geht der Krieg in Afghanistan weiter und auch in anderen Regionen geht die Bundeswehr für deutsche Wirtschaftsinteressen über Leichen. Die Pläne der EU-Militärmission ATALANTA, Piraten in Somalia künftig auch an Land zu bombardieren, zeigen, dass auch die europäischen Eliten in ihrer Kriegsführung immer mehr Tabus ablegen. Massaker wie das von deutschen SoldatInnen mit verantwortete im afghanischen Kundus 2009 drohen zur Normalität zu werden.

Die LINKE ist immer nur so stark wie sie in Fragen des kapitalistischen Krieges hartnäckig Opposition bleibt. Bisher hat jede Zähmung einer linken, oppositionellen Partei mit dem Einknicken und Relativieren gegenüber bewaffneten Aktionen der herrschenden Klasse begonnen. Eine „Weltinnenpolitik“ und „humanitäre Kriegseinsätze“ darf es mit der LINKEN deshalb niemals geben. Wir werden uns auch 2012 gegen diese blutige Normalität, sowie gegen jedwede Versuche, unsere Partei zu „normalisieren“ zur Wehr setzen. „Nie wieder Krieg!“ bleibt einer der wichtigsten Leitsätze unserer Politik. Zu Einsätzen der Bundeswehr sagt DIE LINKE generell Nein. Das muss nicht im Einzelfall geprüft werden. Das gilt auch für den Einsatz von EU-Battle-Groups. Wir wollen nicht nur die Abschaffung der Wehrpflicht, sondern eine Abschaffung der Armee.

Zudem setzen wir uns dafür ein, dass die BRD ihre NATO-Mitgliedschaft unverzüglich kündigt. Sämtliche – deutsche wie ausländische – Militärbasen müssen schnellstmöglich geschlossen werden!

3. Nachhaltigkeit und Solidarität

Die Kriege und Kriegsdrohungen gegen die rohstoff- und ölreichen Regionen der Welt, die furchtbare Katastrophe in Fukushima bei der Nutzung der Atomenergie und die auch 2011 fortgesetzte Kette von folgenlosen Großtreffen aller Regierungen Welt zur Begrenzung der Klimagefahren haben eines gemeinsam gezeigt: Die kapitalistische Weltwirtschaft mit ihrem von Konkurrenz und privaten Profit geprägten Produktions- und Konsummodell treibt unaufhaltsam in eine existenzielle Energiekrise hinein, die die Grundlagen jeglichen gesellschaftlichen Lebens gefährdet. Die Alternative dazu ist weder ein „grüner Kapitalismus“ noch ein „kleiner und am Großwerden gehinderter Kapitalismus“. Wir haben heute die Chance und die Aufgabe, ein neues, auf den Prinzipien der demokratischen Planung, der Nachhaltigkeit und der Solidarität beruhendes Gesellschaftsmodell zu propagieren und zu praktizieren – das muss das Leitbild einer neuen sozialistischen Massenpartei werden.
Das Jahr 2011 hat in Deutschland ein kleines Modell unseres Politikverständnisses zum Teilerfolg gebracht. Nur die Existenz einer hartnäckigen, stets Nein-sagenden und alle erforderlichen Strukturen einer selbstbestimmten Kultur eigenständig entwickelnden Massenbewegung hat zum Einknicken der Energiegroßkonzerne und ihrer Regierung in der Atomenergiefrage geführt. Die LINKE muss eine Partei der sozialen Bewegungen bleiben – das ist wichtiger als irgendwelche „Bündnisoptionen“ für Regierungen.

Die LINKE muss in 2012 an der Seite der Anti-AKW-Bewegung stehen und dafür sorgen, dass ihr der Erfolg nicht durch eine weitere Verschleppung des Atomausstiegs, durch neue Vormachtstellung der Konzerne bei Ausbau der alternativen Energien und durch Spar- und Entlassungspläne bei den Beschäftigten der Energiekonzerne wieder genommen wird.

4. Delegitimierung des herrschenden Politikbetriebes

Das Personal der herrschenden Klasse ist ein Abbild der Krisen des Kapitalismus. Die Affären um Karl-Theodor zu Guttenbergs Plagiat und Christian Wulffs Kredit verdeutlichen die Abgehobenheit und Arroganz der Herrschenden. Doch Wulff ist nur die Spitze des Eisberges. Der Klüngel aus politischen Funktionsträgern und Wirtschaftsbossen liegt in der Natur des kapitalistischen Systems.

Die Menschen wenden sich immer mehr von diesem korrupten, prinzipien- und hoffnungslosen professionellem Politikbetrieb ab. Es hängt hauptsächlich von der Existenz einer glaubwürdigen linken Partei und alternativen gesellschaftlichen politischen Eingriffsmöglichkeiten für diese Menschen ab, ob sie sich wieder für die Zukunft und sich selbst engagieren oder ob sie in Atomisierung und Ohnmachtsgefühlen verbleiben. Eine „andere“, eine linke Partei ist gleichzeitig das wirksamste Mittel zu verhindern, dass braune, rassistische und antisemitische Banden noch mehr Zulauf erhalten.

Die LINKE darf sich deshalb nicht gemein machen mit der feinen Gesellschaft, die das Bestehende abfeiert und die Nase rümpft über den unzufriedenen Pöbel, die gleichzeitig die Hand aufhält und sich gegenseitig die Pfründe zuschachert. Die LINKE darf sich angesichts der Krisen des Personals der Herrschenden nicht in eine Allianz einbinden lassen, die „das Ansehen des Staates“, „den Respekt vor dem Amt“, die „Gemeinschaft der Anständigen“ und wie die elenden Floskeln auch heißen mögen, verteidigen will und in jede Wohnstube und jede Talkshow hineinträgt. Die LINKE muss diese Symptome der Krise erklären und ausdrücklich die Legitimierung des herrschenden Politikbetriebes bekämpfen und in Frage stellen.

5. Nie wieder Faschismus

Die Nazimorde haben viele Menschen schockiert, aber wie zu erwarten war, packt die Regierung das Problem nicht an der Wurzel. Die bürgerlich kapitalistische Gesellschaft hat schon immer die rassistischen Terrorbanden geduldet und als „Einzeltäter“ verharmlost. In der kapitalistischen Gesellschaft werden biologistische Menschenbilder wie der Sozialdarwinismus zugrunde gelegt, um ökonomisch nicht „verwertbare“ Menschen politisch und sozial auszugrenzen. Damit wird die Grundlage geschaffen, an die FaschistInnen anknüpfen können.

In „normalen“ Zeiten gehört zu ihrer Duldung gleichzeitig die Empörung und Abgrenzung gegenüber diesen Banden, die aber in „unnormalen“ Zeiten fließend verschwinden, wenn die rechten Terrorbanden ihr schmutziges Geschäft gegen Linke, GewerkschafterInnen und soziale Dissidenten verrichtet.

Deshalb fordert DIE LINKE zurecht die Abschaltung aller V-Leute des „Verfassungsschutzes“ aus der NPD, um ein erfolgreiches Verbotsverfahren auf den Weg bringen zu können, sowie die Auflösung der Geheimdienste. Wir fordern ein Verbot aller faschistischer Organisationen. Die großen Mobilisierungen von Dresden, Dortmund, Köln und anderswo haben bewiesen, dass nur eine breite antifaschistische Bewegung den rechten Spuk vertreiben und gleichzeitig die Menschen in neuer, solidarischer gesellschaftlicher Praxis zusammenführen kann. Wir haben in 2012 in dieser Hinsicht noch viel zu tun.

6. Mittendrin im Widerstand

Für die LINKE als Partei war 2011 kein gutes Jahr. Ihre gesellschaftliche Ausstrahlung und in Folge dessen auch der Zuspruch bei Parlamentswahlen hat nachgelassen. Die LINKE wird im Kindesalter von 5 Jahren von immer mehr Menschen bereits als Bestandteil des Establishments der Alten angesehen. Aus der Partei heraus munitionierte Mediendebatten der Selbstbeschäftigung und der Angriffe gegen Vorsitzende und Führung haben die Partei geschwächt. Dieser Trend muss durchbrochen werden. Programmatische Kühnheit und Frechheit im Auftreten müssen die Erkennungsmerkmale der LINKEN sein. DIE LINKE muss als Mitgliederpartei auf allen Ebenen sichtbarer und präsenter werden. Die parlamentarische Arbeit muss aus ihrer immer mehr zunehmenden Abgehobenheit in der Seifenblase des Parlamentarismus befreit werden. Hierfür ist eine Strömung wie die Antikapitalistische Linke heute unerlässlich.

Das Leitbild der Linken wird heute in vielen gesellschaftlichen Bereichen aufgegriffen, aber nicht mit der Partei die LINKE zusammengebracht. Immer mehr Menschen wehren sich gegen Sozialabbau und Perspektivlosigkeit. Die weltweite Occupy-Bewegung, Generalstreiks in Griechenland, Italien und Großbritannien, sowie zarte Pflänzchen von Klassenkämpfen auch in Deutschland (z.B. Charité-Streik in Berlin) und nicht zuletzt die Anti-Atom-Proteste in Frankreich und Deutschland öffnen Wege für eine Entwicklung jenseits kapitalistischer Ausbeutung. Am 18.2.2012 wird es hoffentlich ein drittes Mal gelingen, den jährlichen Naziaufmarsch in Dresden zu verhindern. Das sind die Strukturen, aus denen eine politische Oppositionskraft erwachsen kann und muss, für die Programm und Partei der LINKEN dann eine Heimat sein könnten.

Aufgabe der Partei DIE LINKE ist es, Teil dieser Bewegungen zu sein und ihnen eine Stimme zu geben, jedoch ohne sie zu instrumentalisieren. In solch geschichtsträchtigen, krisengeprägten Zeiten braucht es eine starke, antikapitalistische Partei DIE LINKE, die sich nicht durch Medienkampagnen in interne Auseinandersetzungen führen lässt, sondern offensiv dem Kartell aus Regierung und Wirtschaftselite die Stirn bietet.
Das Erfurter Parteiprogramm bietet dafür eine angemessene Grundlage. Auch der neue Parteivorstand, der im Juni 2012 in Göttingen gewählt werden wird, muss diesen Anforderungen entsprechen. Wir setzen uns ein für eine demokratische Streitkultur, für eine Diskussion mit- statt gegeneinander.

Der Vorstand muss den entschlossenen Kampf gegen die genannten Missstände verkörpern. Ein Vorsitzender, der für die Anbiederung an die SPD steht und dem es an jedwedem Klassenstandpunkt fehlt, kommt daher für die AKL nicht in Frage. DIE LINKE muss weiterhin „mittendrin“ stehen im Widerstand gegen Krieg und Sozialabbau. Dieses „Mittendrin“ hat zur Folge, dass unsere Partei im Bundestag „allein gegen alle“ steht. Das ist alles andere als eine Schande oder ein Manko, da nur DIE LINKE konsequent die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung vertritt. Die AKL setzt sich dafür ein, dass DIE LINKE diese Rolle künftig noch konsequenter ausfüllt.

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