Leider kein Aufbruchssignal!

Print Friendly, PDF & Email

Stellungnahme zum Umgang mit den Anträgen von AKL und Linksjugend beim Braunschweiger Landesparteitag vom 28.10.2017

Der LandessprecherInnenrat der AKL Niedersachsen bedauert ebenso wie ein Sprecher der Linksjugend in seiner gestrigen, persönlichen Erklärung, dass auf dem Braunschweiger Landesparteitag der LINKEN jede inhaltliche Antragsdebatte über die Auswertung der Bundes- und Landtagswahlen mit bürokratischen Methoden verhindert worden ist.

In der Aussprache hatte die Landesvorsitzende Pia Zimmermann ihr „Bedauern über manche Äußerungen von Sahra und Oskar“ geäußert. Andere RednerInnen betonten, dass es ihnen keineswegs um eine „Demontage der Fraktionsvorsitzenden“ (Diether Dehm), sondern um die Verteidigung der Beschlüsse für ein Bleiberecht aller Geflüchteten ginge. Fast alle Beiträge äußerten Kritik an „fehlendem Biss“ im Wahlkampf bei der Auseinandersetzung mit Rot/Grün, wozu auch die Systemfrage hätte gestellt werden müssen. Die beiden SpitzenkandidatInnen meinten gestern, dass die Presse ihre Koalitionsangebote an Weil falsch dargestellt hätte – ohne sie allerdings in der Partei oder in der Öffentlichkeit rechtzeitig dementiert zu haben.

Verbindliche Konsequenzen für den künftigen Oppositionskurs des Landesverbandes konnten leider nicht angemessen beraten und beschlossen werden. Für Beschlüsse zum Wahlausgang, darunter ein Orga-Antrag des Landesvorstandes, inhaltl0iche von AKL, KV Göttingen und Linksjugend sowie eine Tischvorlage des KV-Hannover, blieben beim 6 stündigen Parteitag lediglich 30 Minuten. Die Einbringung des vom KV Göttingen sowie 25 Delegierten unterstützten AKL-Antrags (s. Anlage) wurde nach 60 Sekunden vom Präsidium durch Mikrofonabschaltung abgebrochen. Der GO-Antrag eines AKL-Landessprechers, über die strittigen Antragsteile – wie vom vorangehenden Treffen des linken Parteiflügels befürwortet – Einzelabstimmungen durchzuführen, wurde vom Präsidium geschäftsordnungswidrig erst nach der Ablehnung des Gesamtantrags zugelassen, ein Rückholantrag nach Auszählung abgelehnt.

Nachdem die Tischvorlage aus Hannover „gegen Strömungs-Hick-Hack“ und die „Beschädigung unserer Spitzenkandidaten Sahra und Dietmar“ ebenfalls ohne Debatte verabschiedet wurde, sind die von der AKL mitgetragenen Anträge der Linksjugend, welche sich „gegen eine Aufweichung der Asylpolitik“ wandten, ebenso wie unsere Anträge zum Widerstand gegen den AfD-Bundesparteitag, gegen die Absetzung der katalanischen Regionalregierung und gegen die Besetzung Palästinas an den Landesrat überwiesen worden. Dies war durch die Parteitagsregie offensichtlich einkalkuliert. Damit bleibt völlig offen, auf welcher politischen Grundlage der Landesverband in die vielbeschworene Offensive kommen und die neu gewonnen Mitglieder daran beteiligen möchte.

Die Beschränkung von Parteitagen auf Grußworte, Gremienwahlen und folgenlose Aussprachen ohne demokratische Mehrheitsbeschlüsse über die in der Partei umstrittenen Fragen (darunter die Flüchtlingspolitik und unser Verhältnis zu R2G-Regierungen) wirkt für die aktive Mitarbeit insbesondere von neuen Parteimitgliedern jedoch alles andere als ermutigend.

Für den gemeinsamen Widerstand gegen die AfD und das neoliberale Parteienkartell brauchen wir eine Debatten- und Entscheidungskultur, in der Vorschläge der Parteibasis aus den Kreisverbänden und Landesarbeitsgemeinschaft ernst genommen werden.

Der LandessprecherInnenrat der Antikapitalistischen Linken am 29.10.17

Anlage: Initiativantrag der AKL und des KV-Göttingen an den Landesparteitag

  1. Der Landesverband Niedersachsen bedauert, dass Die LINKE bei den Landtagswahlen trotz deutlicher Stimmengewinne besonders in den städtischen Wahlkreisen den Wiedereinzug in den Landtag mit 4,6% knapp verpaßt hat. Die SPD konnte mit Stephan Weil nach der Oppositionsentscheidung im Bund Stimmen zurückgewinnen, wird im Bündnis mit der FDP oder der CDU die Angriffe auf die sozialen und demokratischen Rechte der Bevölkerung aber weiter verschärfen.

  2. Der Landesparteitag sieht das Wahlergebnis als Auftrag, die außerparlamentarischen Oppositon gegen die unsoziale Politik der neoliberalen Parteien und ihres AfD-Anhangs im Landtag zu verstärken und das eigenständige, sozialistische Profil der LINKEN noch deutlicher als bisher sichtbar zu machen.

  3. Der Landesparteitag stellt fest, dass der niedersächsische Landesverband gegenüber seinem Anteil von 6,9% bei den Bundestagswahlen ca. 148.000 Stimmen eingebüßt hat und befürwortet eine sachliche, solidarische und selbstkritische Debatte über die Ursachen dieses nicht ausgeschöpften Stimmenpotenzials.

  4. Zu den Gründen dafür gehören unter anderem:
    a) die presseöffentlichen Koalitionsangebote der niedersächsischen SpitzenkandidatInnen unserer Partei an SPD und Grüne, anstatt einen konsequenten Oppositionswahlkampf zu führen. Wer mit Kriegs- und Kürzungsparteien regieren möchte, kann sie nicht glaubwürdig bekämpfen. Das unterstreicht z.B. die Zustimmung von Landesregierungen, an denen die LINKE beteiligt ist, zu Abschiebungen und Autobahnprivatisierungen. Mit der Regierung Weil war und ist kein Politikwechsel möglich. Ähnlich wie bei den Landtagswahlen von 2013 konnten wir deshalb viele Menschen nicht mehr erreichen, die mit der LINKEn ihre Unzufriedenheit über die unsoziale Politik der Großen Koalition und der Regierung Weil zum Ausdruck bringen wollten. Mit dem bei der Wolfsburger Aufstellungsversammlung beschlossenen Angebot der Einzelfallunterstützung für eine rotgrüne (Minderheits)regierung hätte sich der Landesverband am Kampf gegen eine drohende Rechtsregierung beteiligen können, ohne eine Regierungskoalition mit neoliberalen Parteien in Aussicht zu stellen. Das galt besonders, nachdem Stephan Weil dazu aufgerufen hatte, nicht etwa die AfD, sondern die LINKE aus dem niedersächsischen Landtag herauszuhalten.

    b) die presseöffentlich ausgetragen Querelen in der Partei- und Fraktionsspitze unmittelbar nach den Bundestagswahlen. Der Landesparteitag bedauert Stellungnahmen von führenden GenossInnen, denen zufolge die demokratischen Mehrheitsbeschlüsse von Bundes- und Landesparteitagen für das Bleiberecht aller Geflüchteten die Ursache für Stimmenverluste in den – zum Teil von LINKEN mitregierten – Bundesländern gewesen seien. Er fordert alle Mandatsträger unserer Partei in den Parlamenten dazu auf, solche Beschlüsse der Partei künftig zu respektieren und persönliche Angriffe auf konkurriende RepräsentantInnen von Partei und Fraktion insbesondere in den bürgerlichen Medien zu unterlassen;

  5. Der Landesparteitag beauftragt den Landesvorstand, ein Aktionsprogramm für die Verteidigung der sozialen und demokratischen Rechte der Bevölkerung gegen die Regierungen in Berlin und Hannover auszuarbeiten und die Kreisverbände daran zu beteiligen. Dazu gehören z.B. die Vorbereitung von Blockaden beim AfD-Bundesparteitag oder die Unterstützung von Aktionen für mehr Personal an den Krankenhäusern.