Was sagt uns die Saarland-Wahl?

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Der Ausgang der Landtagswahl im Saarland am 26. März hat viele überrascht und insbesondere die Freundinnen und Freunde rot-roter bzw. rot-rot-grüner Koalitionen in LINKE und SPD enttäuscht. Wie so oft nach Wahlen reden sich die ParteienvertreterInnen die Realität nun schön. Dabei ist die Realität nicht schön, aber komplex.

 

Von Sascha Staničić

Das Wahlergebnis kann als ein Votum für die Fortsetzung einer Großen Koalition an der Saar interpretiert werden. Eine Stärkung der CDU bei gestiegener Wahlbeteiligung lässt diesen Schluss zu. Daraus – und aus den sechs Prozent für die AfD – einen Rechtsruck im politischen Bewusstsein der Bevölkerung abzuleiten, ginge aber zu weit.

Sicher hat die AfD wieder eine größere Zahl von vormaligen NichtwählerInnen mobilisieren können und mit über sechs Prozent ein Ergebnis erzielt, das zwar niedriger ist, als die Ergebnisse bei den letzten Landtagswahlen, aber angesichts des besonderen – offen rechtsextremen – Charakters der Saar-AfD ein Hinweis auf das gefestigte Wählerpotenzial der Rechtspopulisten ist. Andererseits hat ausgerechnet die CDU viele NichtwählerInnen mobilisieren können. Es ist nicht naheliegend, dass  dies mit einer besonderen Begeisterung für die CDU-Politik oder Ministerpräsidentin Kramp-Karrenberger zusammen hängt, eher damit, dass die AfD auch ihre GegnerInnen an die Wahlurne mobilisiert und diese – aus Angst vor Instabilität – in großer Zahl auf „stabile Verhältnisse“ setzen, wovon dann eben die führende Regierungspartei profitiert.

Wobei die Voraussetzung dafür ist, dass es, wie Umfragen bestätigen, ein Empfinden bei einem großen Teil der Bevölkerung gibt, dass die eigene wirtschaftliche Lage nicht schlecht ist. An der einzigen Front, wo speziell im Saarland eine soziale Auseinandersetzung sich zuspitzte – bei den Krankenhaus-Streiks für mehr Personal und Gesundheitsschutz – hat die Landesregierung in einem geschickten Manöver kurz vor der Wahl Schritte auf die streikenden Beschäftigten und ihre Gewerkschaft ver.di zugemacht und sogar eine gemeinsame Demonstration von ver.di und Krankenhaus-Arbeitgebern unterstützt. ver.di muss sich die Frage gefallen lassen, ob solche gemeinsamen Demonstrationsaufrufe nicht einer Wahlkampfhilfe für die regierende CDU gleich kam.

 

Schulz-Effekt?

 

Angesichts des bundesweiten Hypes um den neuen SPD-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten Schulz wirkt die Stagnation der SPD an der Saar überraschend. Das ist sicherlich ein Hinweis darauf, dass an der Substanz des so genannten „Schulz-Effektes“ zu zweifeln ist, sollte aber nicht überbewertet werden. Es gibt unter weitaus größeren Schichten der Bevölkerung eine tiefe Unzufriedenheit mit der Merkel-Regierung, als es sie mit der saarländischen Landesregierung gab. Die entscheidende Frage wird eher sein, ob Schulz und die SPD noch ein weiteres halbes Jahr immer größere Seifenblasen produzieren können, ohne dass diese platzen. Sprich: ob mehr Menschen klar wird, dass hinter dem Gerede von sozialer Gerechtigkeit keine wirklichen Vorhaben für Veränderungen stehen.

 

DIE LINKE

Das Ergebnis für DIE LINKE ist nicht „sensationell“, wie es der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch in einem offensichtlichen Zustand von Realitätsverlust nannte, sondern enttäuschend und eine Warnung. Trotz gestiegener Wahlbeteiligung hat die Partei absolute Stimmen verloren und seit 2009 ihren Stimmanteil von 21,3 auf nun 12,9 Prozent reduziert (was einem Verlust von 45.000 Stimmen gleich kommt). Offensichtlich hat der ganz auf einen rot-roten Regierungswechsel ausgerichtete Wahlkampf unter der Führung Oskar Lafontaines keinen mobilisierenden Effekt unter WählerInnen gehabt. Mehr noch: der Versuch, durch die Forderung nach schneller Abschiebung abgelehnter AsylbewerberInnen und einer Begrenzung der Einwanderung von Geflüchteten, die AfD zu schwächen, misslang. Außer der CDU verlor keine Partei so viele Stimmen an die AfD, wie DIE LINKE, nämlich 4.000.

Statt daraus nun die Schlussfolgerung zu ziehen, dass DIE LINKE nur auf Basis eines eigenständigen Wahlkampfs, der die eigenen Forderungen in den Mittelpunkt stellt und sich deutlich von den Parteien des prokapitalistischen Establishments abgrenzt, gestärkt werden kann – und dadurch aus den immerhin noch dreißig Prozent NichtwählerInnen mehr Stimmen mobilisieren könnte – werfen verschiedene VertreterInnen der Parteiführung nun der SPD vor, sich nicht ausreichend zu Rot-Rot bekannt zu haben. Das ist absurd. Niemand hat CDU gewählt, der oder die eigentlich eine rot-rote Regierung wollte. Niemand hat nicht DIE LINKE oder SPD gewählt, der oder die eine rot-rote Regierung wollte. Aber so mancher fühlte sich offensichtlich durch diese Option nicht motiviert überhaupt wählen zu gehen.

So wird die Nachlese der Saarland-Wahl nun von Teilen der Parteiführung und des rechten Flügels genutzt, um Stimmung dafür zu machen, sich einer rot-rot-grünen Koalition nicht zu verschließen. Doch alle Erfahrungen zeigen: Solche Koalitionen mit pro-kapitalistischen Parteien bringen DIE LINKE der Erreichung ihrer Ziele nicht näher, sondern schaden der Partei und dem Aufbau einer starken sozialistischen Bewegung in der Bundesrepublik.

 

Sascha Staničić ist Bundessprecher der SAV und AKL-Delegierter zum LINKE-Bundesparteitag.