Nur DIE LINKE macht auch linke Politik

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Stellungnahme des Bundessprecher*innenrates der AKL zum Parteitag der Linken am 28./29. Mai 2016 in Magdeburg

Am 28. und 29. Mai 2016 fand in Magdeburg der Parteitag der LINKEN statt.
Der Parteitag stand im Zeichen der veränderten politischen Lage in Deutschland, wie sie in den Landtagswahlergebnissen vom 13. März zum Ausdruck kam. Erstmals nach einer langen Phase stetig abnehmender Wahlbeteiligung, ging bei diesen Wahlen die Teilnahme nach oben – und fast ausschließliche Gewinnerinnen dieser Mobilisierung waren rechte Parteien, allen voran die Alternative für Deutschland (AfD). Die herrschenden neoliberalen Parteien erhielten eine weitere deutliche Abfuhr. Die LINKE konnte leider nicht von der Legitimationskrise der herrschenden Politik profitieren. Es gelang der LINKEN einmal mehr nicht, selber Wähler*innen aus dem Nichtwähler*innenbereich zu gewinnen, sondern sie verlor in der Summe Stimmen, auch wenn Einzelergebnisse in Städten und einigen Wahlkreisen auch Fortschritte zeigten.

Die zentrale politische Schlussfolgerung in zwei von drei Leitanträgen des Vorstandes an den Parteitag war deshalb, eine politische Offensive gegen den Rechtstrend voranzutreiben. Sie sollte aus drei Komponenten bestehen: Erstens eine Neuaufstellung der Partei in Richtung selbstbewusste, eigenständige sozialistische Kraft, die sich nicht so sehr wie in der Vergangenheit von wahltaktischen Überlegungen und Koalitionsphantasien mit der SPD oder den Grünen leiten lässt. Zweitens die klarere Formulierung und Propagierung eines eigenen sozialen und ökologischen Programms für eine andere Politik und eine andere Gesellschaft, das – so klar leider nur in den Parteitagsreden – in den Losungen für eine „Revolution der Gerechtigkeit“ und für den „Aufbau eines Lagers der Solidarität“ zusammengefasst wurde. Und drittens die Initiative für breite Bündnisse auf allen gesellschaftlichen Ebenen gegen die rechte und rassistische Politik der AfD und ihrer Helfer*innen.
Ein dritter Leitantrag bekräftigte – wie auf fast jedem Parteitag – die antimilitaristische und friedenspolitische Position der LINKEN. Nicht nur weil die Regierungen in Berlin und in der EU ungebrochen an ihrem fatalen Kurs der Eingrenzung Russlands, der Einschüchterung der armen Länder und der direkten Fortsetzung von Kriegspolitik festhalten, trotz der furchtbaren Folgen dieser Politik in Afghanistan, Syrien, Libyen und Irak, sondern auch, weil immer wieder von außerhalb, aber auch von innerhalb der Partei Druck aufgebaut wird, die LINKE solle diese Position aufgeben.

Alle Leitanträge wurden mit großer Mehrheit angenommen. Ihre politische Botschaft wurde in den schönen Reden der Partei- und Fraktionsvorsitzenden publikumswirksam bekräftigt.
Die AKL hat mit einer Reihe von Änderungsanträgen in die Diskussion eingegriffen und ist mit der verstärkten Betonung der politischen Eigenständigkeit sehr einverstanden. Das gilt vor allem für die Rückkehr der LINKEN zu ihrer alten Grundsatzposition, dass die EU ausschließlich ein Projekt der herrschenden, kapitalistischen Kräfte in Europa ist, das „unsozial, undemokratisch und militaristisch“ ist. Die EU kann nicht durch kleine Reformen und Mitgestaltung linker Parteien verändert werden, sondern muss auf grundsätzlich andere Grundlagen eines „Europa von Unten“ gestellt werden.
Die AKL hätte sich in den Anträgen zur politischen Offensive gegen rechts eine deutlichere Sprache in Richtung der Regierungsparteien gewünscht, die mit ihrer Sozial- und Asylpolitik sowie mit ihrer imperialistischen Rolle in und mit der EU erst die gesellschaftlichen Risse erzeugt hat, in denen die braunen und rassistischen Banden ebenso wie ihr politischer Flügel in der AfD sich dann einnisten konnten. In den Reden der Vorsitzenden wurde dieser Aspekt ja auch zu Recht in den Mittelpunkt gestellt.

Die AKL hat sich auch gefreut, dass die LINKE auch auf diesem Parteitag aktive Solidarität mit den gesellschaftlichen Kämpfen und Widerstandsbewegungen in Deutschland und der Welt gezeigt hat: Mit dem Streik bei der Charité, mit den Mobilisierungen gegen faschistische Aufmärsche, mit den geplanten Mobilisierungen der Bockupy-Bewegung im Herbst und nicht zuletzt und besonders herzlich mit den großartigen Kämpfen der französischen Jugend und Arbeitenden gegen die Regierung Hollande und mit der kurdischen HDP in ihrem Kampf gegen die Repression durch die AKP-Regierung in der Türkei. Das beweist immer wieder, dass die LINKE keine nur parlamentsfixierte und Partei der papiernen Beschlüsse ist. Auch hier ist die AKL immer wieder eine der treibenden Kräfte in der LINKEN und Autorin oder Co-Autorin entsprechender Initiativen. Der Jugendverband „solid“ und andere ausdrücklich linke, bewegungsorientierte Mitglieder und Strömungen verdienen dieses Lob selbstverständlich auch.

Wichtigste Aufgabe dieses Parteitages war die Wahl eines neuen Parteivorstandes für die kommenden zwei Jahre. Der gesamte direkt zu wählende geschäftsführende Parteivorstand wurde ohne Gegenkandidat*innen im Amt bestätigt. Im Gegensatz zur chronischen Legendenbildung in den großen Mainstreammedien, ist die LINKE stabiler geworden und mit Sicherheit politisch stabiler und geschlossener als die meisten anderen Parteien in der BRD.
Bei der Wahl der ehrenamtlichen Beisitzer*innen des Parteivorstandes ist in der Summe die politische Vielfalt an „linken“ und „rechten“ Positionen ebenfalls ungefähr so wie im vorhergehenden Vorstand. Die „Sozialistische Linke“ personell etwas gestärkt; die Strömung FdS hat jetzt weniger an ausdrücklichen Unterstützer*innen im Vorstand.
Die AKL ist bei den Vorstandswahlen erfreulich gestärkt worden. Im 44-köpfigen Vorstand sind jetzt sechs erklärte Unterstützer*nnen der AKL. Darunter sind mit Lucy Redler und Thies Gleiss zwei der Bundessprecher*innen der AKL. Schließen wir in aller Bescheidenheit und Frechheit also mit der Feststellung: Wenn es eine Gewinnerin auf dem Parteitag gab (manche Zeitgenoss*innen bestehen ja immer auf so etwas – wir nicht), dann ist es die AKL.

Hintergründiges

Der Parteitag wurde durch zwei „Anschläge“ begleitet, die zwar wie zu erwarten große Aufregung in der Medienwelt erzeugten, aber letztlich beide an ihrer eigenen Lächerlichkeit zugrunde gingen.
Zunächst hatte ein sichtlich beleidigter Gregor Gysi den ersten Parteitag ohne eine große Rolle für ihn mit einer gezielten Interview-Attacke angegriffen. Die LINKE sei saft- und kraftlos, hatte er behauptet und müsse in einem Regierungsbündnis wieder aufgepäppelt werden. Seine Diagnose wurde zum running-gag in Dutzenden von Redebeiträgen, die vor Saft und Kraft nur so sprudelten.
Auf dem Parteitag bewarf dann ein durchgeknallter „Anti-Deutscher“ Sahra Wagenknecht mit einer Torte, weil er sie in selbstherrlicher Ideologiescharfrichterpose als seelenverwandt mit der AfD ansah. Wir freuen uns, dass Sahra das gut überstanden hat und teilen ihre Auffassung, dass die eigentliche Beleidigung nicht die Torte, sondern die Gleichsetzung mit einer rassistischen Frau der AfD ist. Der inhaltliche Zusammenhang, den der Täter via Flugblatt herzustellen versuchte, verdient nicht viel mehr als weggelacht zu werden.

Der Parteitag war auch diesmal eine kostspielige und über weite Strecken langweilige und ritualisierte Veranstaltung. Noch im Frühjahr hatte ein Workshop des Parteivorstandes über Ideen beraten, wie Parteitage besser, lebendiger und demokratischer organisiert werden können. Dazu hatte die AKL ein eigenes viel beachtetes Papier mit einer Fülle von Vorschlägen eingebracht. Leider ist so gut wie gar nichts von diesen Anregungen in Magdeburg umgesetzt worden.
In der Antragsberatungsdebatte wurde einmal mehr das sehr bedenkliche „Pool-Verfahren“ angewandt, mit dem jeweils Gruppen von Anträgen zusammengefasst werden und in einer Vorababstimmung festgelegt wird, ob überhaupt irgendeine Änderung vorgenommen werden soll.
Wieder wurde extrem viel Zeit mit langen Reden und Berichten vertan, die problemlos aus dem Parteitag ausgegliedert werden könnten.

Am Vorabend des Parteitages gab es natürlich auch die bei einigen Hardcore-Parteitagsbesucher*innen so beliebten „Strömungstreffen“. Der Wert dieser Treffen war diesmal nicht viel größer als die sowieso permanent stattfindenden informellen Gespräche und Korridor-Allianzen. Aber immerhin kamen zu diesen Treffen als offizielle Diskussionspartner*innen diesmal die beiden Parteivorsitzenden. Das macht durchaus Sinn und kann helfen, die politischen Meinungsverschiedenheiten schneller und besser in eine gemeinsame Parteiaufbau-Debatte zusammenzuführen.

Der Bericht der Mandatsprüfungskommission birgt immer interessante Details. Bisher war es auch nur die AKL, die auf politische Probleme und mögliche Konsequenzen hingewiesen hat.
Es waren 579 von 580 satzungsmäßig vorgesehenen Delegierten anwesend. Sie sind alle Mitglieder der LINKEN. Eine in politischen Diskussionen häufiger angeregte Öffnung der Partei auch für Nichtmitglieder findet in der Praxis nicht statt – höchstens, und da ist es in der Regel bedenklicher, auf Kandidat*innenlisten zu Parlamentswahlen.
52 Prozent der Delegierten waren Frauen. Die Quotierungsvorschriften bei Delegiertenwahlen werden also vorbildlich eingehalten. Dem Parteitag lag ein Bericht der Gleichstellungsbeauftragten vor, aus dem allerdings deutlich wird, dass auf vielen anderen Ebenen die LINKE eher wieder mehr zu einer Männerpartei wird. Zweidrittel der Delegierten sind zwischen 35 und 65 Jahre alt. Knapp 11 Prozent sind unter 25 Jahren.
Fast alle der Delegierten haben auch zusätzlich irgendwelche ehrenamtlichen Funktionen in der Partei, oder sind Hauptamtliche als Abgeordnete oder Mitarbeiter*in bei Partei oder Fraktion. Insgesamt 663 solcher Funktionen verteilen sich auf die Delegierten. Das Problem von Ämterhäufung – das in der Geschichte anderer Parteien fast immer zu einem Katalysator von Entdemokratisierung und Bürokratisierung (in der Regel mit einem politisch-inhaltlichen Rechtsschwenk verbunden) geriet, ist auch in der LINKEN schon sehr präsent.
44 Delegierte sind hauptberuflich tätige Abgeordnete in Landtagen, Bundestag oder Europaparlament. 134 Delegierte sind MandatsträgerInnen auf kommunaler Ebene. 57 Delegierte sind hauptamtlich bei Fraktionen und Abgeordneten und weitere 9 Delegierte sind bei der Partei beschäftigt.
Angaben über sonstige politische Hauptamtliche in Verbänden, Gewerkschaften, Stiftungen oder NGOs fehlen leider. 47 Delegierte haben irgendeine gewerkschaftliche Funktion inne, aber insgesamt nur 234 der 579 Delegierten sind überhaupt Mitglied der Gewerkschaft. Die größte und „älteste“ soziale Bewegung muss in der LINKEN, deren Programm erstens gewerkschaftsnah ist und zweitens nicht ohne kämpferische Gewerkschaften wird umgesetzt werden können, offenkundig deutlich mehr verankert werden.
Insgesamt setzt sich leider ein lähmender und politisch bedenklicher Trend fort, dass die Parteitage der LINKEN keine Parteitage der Mitgliedschaft mehr sind, sondern mal mehr, mal weniger Selbstrechtfertigungsveranstaltungen einer Parteielite. Die verstärkte Ausbildung einer selbstbewussten Basis ist unabdingbar, um diese Situation zu verändern.

Die Zusammensetzung der Kandidat*innenliste und auch des letztlich gewählten Vorstandes entspricht leider diesem Zustand. 6 von 8 Mitgliedern des geschäftsführenden Vorstandes sind von Staatsknete lebende Abgeordnete in Land oder Bund.
Unter den 36 Beisitzer*innen finden sich gerade mal fünf Personen, die nicht Abgeordnete, Mitarbeiter*innen von Abgeordneten, Mitarbeiter*innen der Partei oder in anderen Verbänden und NGOs als Hauptamtliche arbeiten.
Selbst bei bestem politischen Willen und härtester Disziplin und Prinzipienfestigkeit entsteht in einem solchen Milieu immer eine verzerrte, das Bestehende nicht oder nur eingeschränkt hinterfragende Sichtweise.
Auch hier zeigt die Geschichte, dass vor jedem gravierenden politischen Rechtsschwenk und programmatischen Einknicken von linken Parteien immer eine solche strukturelle Veränderung in den Gremien der Partei vorherging.

Leider ist die AKL fast die einzige Stimme in der LINKEN, die energisch nach Maßnahmen ruft, diesen Trend zu stoppen und umzudrehen. Regelungen gegen Ämterhäufung, schärfere Trennung von Amt und Mandat, Befristung und auch Rotation von Ämtern – sowohl in der Partei als auch und besonders bei parlamentarischen Funktionen – wären dringend angebracht. Die LINKE wird in der Zukunft noch sehr darunter leiden, dass sie die reale und fatale Geschichte von so vielen linken Parteien vor ihr komplett ausblendet.

Auf dem Parteitag wurde der Eintritt von Ulrich Schneider, dem Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, der Netz-Aktivistin und früheren Piratin Anke Domscheit-Berg und Norbert Quitter, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Gewerkschaft der Lokomotivführer, bekannt gegeben.
Das sind schöne Bereicherungen der LINKEN, die AKL warnt aber davor, an den Mitgliedern vorbei irgendwelche Absprachen und Zusagen bezüglich Parlamentskandidaturen zu machen.

Der neu gewählte Vorstand hat als große Aufgabe, die beschlossene Offensive gegen rechts voranzutreiben und die Wahlkämpfe in diesem, vor allem jedoch in 2017, wo in NRW und zum Bundestag gewählt wird, zu organisieren.
Die AKL gratuliert allen Gewählten und wünscht ihnen dabei weise Entscheidungen.
Wie sagte der Vorsitzende in seiner Parteitagsrede so treffend:
Die Revolution für soziale Gerechtigkeit erfordert im gleichen Maße revolutionäre Geduld und Ungeduld.