Bremens kleiner Sarrazin

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Die außergewöhnlich reaktionären Parolen eines SPD-Landtagsabgeordneten

Kristina Vogt
Die Äußerungen des für die verstorbene SPD-Abgeordnete Renate Möbius nachgerückten Martin Korol in der Bremischen Bürgerschaft sorgen bundesweit für Aufsehen. Der Neuling im Landesparlament hatte sich abwertend gegenüber bestimmten gesellschaftlichen Gruppen geäußert. Zunächst wurde die taz auf rassistische Tiraden gegenüber Sinti und Roma aufmerksam. »Es muß erstaunen, daß eine so hoch entwickelte Stadt wie Bremen ihre Liebe zu Sinti und Roma entdeckt, die sozial und intellektuell noch im Mittelalter leben, in einer uralten patriarchalischen Gesellschaft …«, hatte Korol auf seiner Homepage mitgeteilt. »Es ist ein Patriarchat, dessen Männer keine Hemmungen haben, die Kinder zum Anschaffen, statt in die Schule zu schicken, ihren Frauen die Zähne auszuschlagen und sich selber Stahlzähne zu gönnen«, schwadronierte er weiter drauflos. »Viele der jungen Männer schmelzen sich mit Klebstoffdünsten das Gehirn weg.« Weiter ging’s um den »Massenmord der Abtreibungen« und den »Wahn der Selbstverwirklichung der Frau«. »Frauen und Immigranten« übernähmen zunehmend »die Macht im Lande«. Frauen wollten zwar Rechte, aber keine Verantwortung übernehmen – statt dessen gehe es ihnen heute darum, »sozusagen als Luxusweibchen sich noch mehr den Genüssen dieses Lebens« hinzugeben.Die Äußerungen von Korol stehen in einer Reihe mit den Statements der Sozialdemokraten Thilo Sarrazin, Heinz Buschkowsky oder des Ortsamtsleiters Peter Nowack in Bremen-Blumenthal, der unlängst die Abschiebung eines straffällig gewordenen Rom samt seinen Eltern forderte und im Sommer auf einem ehemaligen KZ-Gelände geschichtsvergessen bei Bratwurst und Bier die Eingemeindung Blumenthals durch die Nazis feiern will.

Nun könnte man es sich einfach machen. Schnell ist die Rede davon, daß die SPD, die die Mitte der Gesellschaft repräsentiert, auch die rassistischen, sexistischen und menschenfeindlichen Grundeinstellungen in eben dieser Mitte bedienen will, um Stammtischhoheit und Wählerstimmen zu ergattern. Doch das greift zu kurz. Der vielzitierte Rassismus der in Mitte der Gesellschaft hat eine systemstabilisierende ideologische Funktion. Er kommt überall auf, wo die Angst, zu den Verlieren dieses Systems zu werden, groß ist. Der »Rassismus der bürgerlichen Mitte« sorgt dafür, daß nicht über Unternehmensgewinne auf der einen und Lohndumping und Verarmung auf der anderen Seite geredet wird. Er sorgt dafür, daß abgelenkt wird von den Ursachen. Und er sorgt dafür, daß Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse gar nicht erst entsteht. Das ist kein alleiniges Problem der SPD. Auch wir, als Partei Die Linke, erleben es immer wieder an Infotischen, daß Menschen zu uns kommen, die Hartz IV als Übel sehen, aber zugleich »die Ausländer« für Arbeitslosigkeit und soziale Probleme verantwortlich machen und der Meinung sind, deshalb müßten sie Die Linke wählen. Auch wir haben Mitglieder, die an der ein oder anderen Stelle zu rassistischen Ressentiments neigen. Der Unterschied liegt in der Programmatik: Eine Partei die Ursachen bekämpfen will, muß solche Wähler nach Hause schicken. Von Mitgliedern, die meinen, mit solchen Haltungen in der Linken politisch aktiv sein zu können, wird sich unsere Partei, wenn politische Aufklärung nicht fruchtet, trennen müssen. Aber die wichtigste Aufgabe ist es, eine politische Praxis zu entwickeln, die diese Wähler und Mitglieder erreicht. Sonst sind gesellschaftliche Veränderungen nicht in Sicht.

Kristina Vogt ist Vorsitzende der Fraktion Die Linke in der Bremischen Bürgerschaft

Erschienen in: Junge Welt, 28.2.2013

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