Bleiberecht jetzt

Print Friendly, PDF & Email

Fragen und Antworten zum „Bleiberecht für alle“. Von Meike Brunken, Edgar Schu, Peter Strathmann und Philipp Zimmermann

Ist ein „Bleiberecht für alle“ ein Bleiberecht für Terroristen, Mörder und kriminelle Ausländer?

Besser als Abschieben ist eine funktionierende Justiz: Internationales Recht regelt genau, wie bei Strafsachen zu verfahren ist. Und zwar greift in diesen Fällen entweder das internationale Rechtshil-fegesetz (IRG) oder bilaterale Auslieferungsabkommen. Das deutsche Recht geht sogar noch dar¬über hinaus, da es ermöglicht, in Deutschland Menschen zu bestrafen, die weder Deutsche sind, noch in Deutschland ein Verbrechen begangen haben (§7 Strafgesetzbuch). Und das gilt besonders für die Fälle, in denen es gar kein Auslieferungsersuchen eines anderen Staates gibt – eben damit niemand ungestraft davon kommt, weil das Heimatland kein Interesse an einer Strafverfolgung hat. Es wäre abstrus IS-Terroristen zum IS zurückzuschicken, damit sie den nächsten Anschlag planen können. Statt eines Freifahrtscheins zurück ins Terrorcamp muss eine funktionierende Rechtsstaatlichkeit greifen.

Werden mit dem „Bleiberecht für alle“ Hintertüren im Gesetz geschlossen?
Ja. Die aktuellen Gesetze lassen etliche Ausnahmen zu. Irgendwelche Wege fanden Parlamente, Justiz und Verwaltung bisher immer um abzuschieben. Und wenn wir uns darauf einlassen, dass Kriminalität ein Grund wäre, Abschiebungen zu erlauben, dann läuft es darauf hinaus, dass wir ge-setzliche Hintertüren wollen.

Ist das „Bleiberecht für alle“ ein Ersatz für den Kampf gegen Fluchtursachen?
Nein. Missstände müssen thematisiert und bekämpft werden. Das Bleiberecht für alle ist kein Ersatz für die Bekämpfung von Fluchtursachen. Es ist die Antwort auf die Frage, was denn geschehen soll, solange Fluchtursachen bestehen und Menschen flüchten.

Bekämpft das „Bleiberecht für alle“ Prekarisierung?
Ja, denn die Unterscheidung zwischen Flüchtling und qualifiziertem Einwanderer schafft Prekarisie-rung. Der „qualifizierte Einwanderer“ hat heute mehr Rechte und Möglichkeiten als Flüchtlinge. Heute werden Flüchtlinge an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Auch darum brauchen wir ein Bleibe¬recht für alle. Alle sollen grundsätzlich auf legalem Weg hier her kommen können und zeitlich unbe¬fristet bleiben können. Alles andere würde eine Pariaschicht schaffen, die in ihrer Not der Illegalität zu nahezu unbegrenzt niedrigen Löhnen arbeiten muss.

Ist das „Bleiberecht für alle“ emanzipatorisch?
Ja, die Idee, dass sich alle Menschen frei auf der Erde bewegen können, dass sie leben und bleiben können wo sie möchten, und dabei gleiche Rechte genießen, ungeachtet ihrer Nationalität, ihrer Staatsbürgerschaft oder anderer Kriterien ist emanzipatorisch. Auch Fluchtbewegungen haben einen emanzipatorischen Aspekt: Menschen wehren sich so gegen ihre lebensbedrohliche Situation, gegen die ihnen zugewiesene gesellschaftliche Stellung und gegen Repressionen.

Kann die Bevölkerung in Deutschland die anfallenden Kosten tragen?
Ja, natürlich! Zwar kostet Integration Geld, aber Grenzsicherung ist auch nicht kostenlos. Geld, das in Deutschland und Europa für Integration ausgegeben wird, bleibt jedoch in Deutschland und Euro¬pa. Wenn neue Lehrer eingestellt werden, weil Kinder auf der Flucht nach Deutschland gekommen sind, dann schafft das Arbeit und einen Lohn, der wieder in die Volkswirtschaft einfließt. Auch das Geld, das Flüchtlinge direkt bekommen verschwindet nicht, sondern fließt in die deutsche Wirtschaft – und sei es beim Bäcker vor Ort. Ein Grenzzaun in Griechenland dagegen spült kein Geld in die deutsche Binnenwirtschaft; kostet aber trotzdem. Deswegen kommen auch Wirtschaftsexperten zu¬dem Schluss, dass die Flüchtlinge in Deutschland die Binnenwirtschaft um 0,5 Prozentpunkte ankur¬beln werden. Wirtschaftlich gesehen, bringen Flüchtlinge also mehr, als sie kosten.

Ist das „Bleiberecht für alle“ nicht etwas, was nach der Revolution kommt?
Nein, es ist andersherum. Wir müssen das „Bleiberecht für alle“ genau deshalb fordern, weil wir nicht im Sozialismus leben, sondern im bürgerlichen Klassenstaat. Denn die Beschränkung der Einwande-rung unterwirft sich den Regeln des Klassenstaates. Das wird immer so sein, wenn wir einigen Men-schen erlauben hier zu leben, anderen aber nicht. Egal wie wir die Maßstäbe anlegen, nach denen Menschen aussortiert werden.