Fluchtursachen bekämpfen, Kapitalismus zu Fall bringen!

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Friedensnobelpreisträger EU – Terrorregime gegen Schutzsuchende. Von Yannic Dyck, AKL Göttingen und Landessprecher der Linksjugend Niedersachsen

Lampedusa 2013: Vor der Küste der italienischen Insel ertrinken 390 Flüchtende aus Eritrea und Somalia bei dem Versuch Krieg, Terror und lebensbedrohlicher Armut zu entkommen. Die politischen Eliten der EU zeigen sich schockiert. „Es muss, muss, muss anders werden“, appelliert der italienische Innenminister Angelino Alfano wenige Stunden später an die politischen Führer Europas. Die Toten von Lampedusa werden zum Symbol für eine mörderische, europäische Abschottungspolitik; eine Politik, welche die Grenzen dicht macht, Zäune, Mauern und Stacheldraht errichtet und schutzsuchende Menschen lieber im Mittelmeer ertrinken lässt, als sie europäisches Festland erreichen zu lassen. Doch angesichts dieser Bilder geloben die Architekten dieser Politik nun endlich Besserung.

Bodrum 2015: Die Leiche des kleinen Aylan wird an den Strand nahe der türkischen Stadt gespült. Auf der Flucht vor dem barbarischen IS nimmt seine Familie die lebensbedrohliche Flucht übers Mittelmeer in Kauf. Er kommt niemals am Ziel an. Aylans Bild geht um die Welt. Empörung und Entsetzen über eine europäische Flüchtlingspolitik, die in den letzten zwei Jahren nichts dazugelernt hat. Aylan ist eines von mindestens 2600 Todesopfern, die das Massengrab Mittelmeer allein in diesem Jahr verschlungen hat und ein Symbol für eine Tragödie, die in Wahrheit nichts anderes ist als ein seit Jahren anhaltender, organisierter Massenmord der herrschenden Klassen der EU an Menschen, die auf der Suche nach einem menschenwürdigen Leben nach Europa fliehen.

 

Friedensnobelpreisträger EU – Terrorregime gegen Schutzsuchende

Heute wissen wir: Seitdem die Bilder des Massensterbens von Lampedusa um die Welt gingen, hat sich nichts getan. Im Gegenteil: Kein Tag vergeht ohne Nachrichten von gesunkenen Flüchtlingsbooten und ertrunkenen Menschen, das Massensterben nimmt neue Dimensionen an. Statt legale und sichere Fluchtwege zu schaffen, lassen Merkel, Juncker und Co. die Mauern um Europa immer höher ziehen, ersetzen das Seenotrettungsprogramm Mare Nostrum durch kriminelle Abschreckungsmanöver der Grenzschutzagentur Frontex und planen die Armee gegen Flüchtlingsboote im Mittelmeer einzusetzen. Alles unter dem Deckmantel des Kampfes gegen kriminelle Menschenhändler und Schleuser. Als wären Schleuser, welche die Flucht übers Mittelmeer zum Geschäftsfeld machen, die Verursacher und nicht das Produkt einer Politik, die den Menschen auf ihrer Flucht keine andere Wahl lässt, als sich dubiosen Fluchthelfern anzuvertrauen.

Doch sogar die brutale Abschottung verfehlt aus Sicht der Herrschenden ihr Ziel. Immer mehr Menschen erreichen trotz aller Schikanen und Hindernisse die Festung Europa, um hier einen Asylantrag zu stellen. Vor allem über Italien und über die Balkan-Route fliehen sie in die Staaten der Europäischen Union. Und trotz Stacheldrahtzäunen, willkürlichen Inhaftierungen und massiver Polizeigewalt, illegalen Pushbacks und trotz des Verschiebebahnhofs Europa (Dublin 3) erreichen auch immer mehr Flüchtlinge Mitteleuropa. Aktuell kommen täglich mehrere Züge mit Geflüchteten über Ungarn in Deutschland an. Die herrschende Politik spricht von einer immensen, unvorhersehbaren humanitären Herausforderung und ruft den Notstand aus.

 

Welle der Hilfsbereitschaft trotz rassistischer Asylgesetze

Hier angekommen schlägt den Flüchtlingen in München, Dortmund und anderen Städten zunächst eine Welle der Hilfsbereitschaft entgegen. Tausende Menschen, sammeln Spenden und versammeln sich an den Bahnhöfen um die Bahnreisenden nach ihrer langen Fluchtodysee willkommen zu heißen. Es ist beeindruckend, wie sich die Mehrheit der arbeitenden und erwerbslosen Bevölkerung hierzulande durch ehrenamtliche Arbeit und praktische Unterstützung und Solidarität für Geflüchtete einsetzt. Doch diese Hilfsbereitschaft der Bevölkerung steht im krassen Gegensatz zur menschenverachtenden, rassistischen Asylpolitik des bürgerlichen Parteienkartells in Bund und Ländern. Sie kann weder die Verpflichtung des Staates für die Unterbringung und Betreuung der Geflüchteten, noch den Kampf gegen die Abschreckungspolitik der Regierenden dauerhaft ersetzen.

Menschen, die in die BRD fliehen, werden zunächst in bürokratischen Verfahren in zentrale Erstaufnahmeeinrichtungen gebracht, von wo aus sie nach festgelegten Kriterien auf die Kommunen weiterverteilt werden. Als würde es sich um Viehgut handeln, dass man mal eben von A nach B verfrachten kann, werden Menschen dazu gezwungen in bestimmten Gegenden zu leben, selbst wenn sie in anderen Gemeinden Communitys, Freunde oder Verwandte haben, die sie aufnehmen könnten. Es spielt auch keine Rolle, dass es Regionen mit einem hohen Leerstand und dementsprechend größeren Aufnahmekapazitäten gibt, die flexibler agieren könnten als Regionen mit einer hohen Wohnungsnot. Wenn Angela Merkel jetzt die „deutsche Flexibilität“ ausruft, negiert sie die Tatsache, dass flexible Aufnahmekonzepte systematisch blockiert wurden. Die Unterbringungskapazitäten wurden jahrelang konsequent heruntergefahren und trotz einer weltweit steigenden Anzahl flüchtender Menschen nicht nach oben korrigiert. Erst dadurch konnten Bilder von überfüllten Erstaufnahmelagern entstehen, die der Bevölkerung weismachen sollen, dass es auch im reichen Deutschland ein unlösbares Flüchtlingsproblem gebe.

Doch warum werden Menschen erst in solche Lager zusammengepfercht, in denen sie oft unter katastrophalen infrastrukturellen und hygienischen Zuständen ohne Privatsphäre und abgeschottet von der Gesellschaft verweilen müssen? Wieso werden Menschen nach der Erstunterbringung oftmals erneut in Gemeinschaftsunterkünfte gesteckt? Wieso gibt es Arbeitsverbote und Vorrangprüfungen, die es Geflüchteten quasi unmöglich machen eine gute Arbeit zu finden? Wieso haben die meisten Flüchtlinge keinen Anspruch auf vernünftige Sprachkurse, soziale Integration und gesellschaftliche Partizipation? Wieso sind sie rassistischen Sondergesetzen unterworfen, die sie häufig dazu zwingen, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und damit unter dem Existenzminimum anzunehmen? Wieso werden die meisten Berufs- und Schulabschlüsse der Flüchtlinge in Deutschland nicht anerkannt? Wieso haben die meisten Flüchtlinge keinen Anspruch auf eine angemessene Gesundheitsversorgung? Wieso müssen Menschen in Deutschland oftmals über Jahre und Jahrzehnte mit Kettenduldungen unter Missachtung ihrer demokratischen und sozialen Rechte mit der ständigen Angst leben, von einen Tag auf den anderen abgeschoben zu werden?

 

Guter Flüchtling, böser Flüchtling…

Die Antwort auf all diese Fragen lautet Abschreckung. Die Herrschenden haben kein Interesse an Partizipation und gesellschaftlicher Teilhabe der Geflüchteten. Für sie bedeuten Flüchtlingsbewegungen in erster Linie unkontrollierte Zuwanderung, auf die sie zu wenig Einfluss haben. Die Bosse der großen Konzerne und Banken und ihre politischen Sprachrohre in Form von SPD, CDU oder Grünen bewerten Menschen in erster Linie nach ihrer Nützlichkeit für den Arbeitsmarkt. Sie suchen sich lieber über ein Einwanderungsgesetz gezielt Arbeitskräfte aus dem Ausland aus, die bereits über Deutschkenntnisse, Qualifikationen in bestimmten Mangelberufen etc. verfügen. Trotzdem besitzen Flüchtlinge für das deutsche Kapital eine gewisse ökonomische Nützlichkeit. Sie werden aufgrund der massiven Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt häufig als billige Arbeitskräfte und als Lohndrücker eingesetzt. Aus diesem Grund fordern auch manche Kapitalisten eine Lockerung von Arbeitsverboten für bestimmte Flüchtlingsgruppen. Deshalb ist es auch so wichtig, dass Geflüchtete (anerkannte Flüchtlinge, Geduldete, Menschen im Asylverfahren, Illegalisierte,…) in die Gewerkschaften aufgenommen werden und sich gemeinsam mit Nicht-Geflüchteten organisieren, um den Schikanen und Angriffen der Arbeitgeber entgegentreten können, die alle Lohnabhängigen treffen – egal ob mit oder ohne Fluchthintergrund.

Gleichzeitig erfüllt diese ausgrenzende, menschenverachtende Flüchtlingspolitik einen ideologischen Zweck. Der Klassenkampf der von oben gegen die Mehrheit der Bevölkerung geführt wird, verschärft sich. Hartz IV, Leiharbeit, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, TTIP, CETA, Privatisierungen, Deregulierungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, Bankenrettung usw. sind Ausdruck einer massiven Offensive der Kapitalisten und ihrer Parteien gegen die breite Masse der arbeitenden und erwerbslosen Bevölkerung. Während die Reichen und Superreichen immer reicher werden, werden die demokratischen und sozialen Rechte der Arbeiterklasse zunehmend außer Kraft gesetzt. Die Ausbeutung der Bevölkerung nimmt immer schärfere Formen an. Um davon abzulenken und Protest zu verhindern, versuchen die Herrschenden den Flüchtlingen die Schuld an diesen Zuständen in die Schuhe zu schieben.

Doch aufgrund der hohen Empathie für Flüchtlinge in der Arbeiterklasse, ist es aktuell – anders als in den 1990er Jahren – nicht möglich, die Mehrheit der Bevölkerung mit rassistisch-nationalistischen Vorurteilen gegen die große Masse der Geflüchteten zu aufzubringen. Stattdessen wird versucht die Flüchtlinge zu spalten. Auf der einen Seite die guten, echten Flüchtlinge, die Kriegsflüchtlinge aus Syrien, denen man alle Hilfe zu Teil werden lassen müsse. Und auf der anderen Seite die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge, aus dem Balkan und aus Afrika, die nur nach Deutschland kämen, um Sozialleistungen abzugreifen – im Wissen, dass sie sowieso kein Asyl erhalten würden. Es wird behauptet, dass die „Wirtschaftsflüchtlinge“ sowohl den „echten Flüchtlingen“ als auch der Mehrheitsbevölkerung das Leben erschweren würden, da sie das Asylrecht missbrauchen würden. So sollen Feindbilder innerhalb der Gruppe der Geflüchteten geschaffen werden, die einer grundsätzlichen Hilfsbereitschaft vieler Menschen gegenüber der Mehrheit der Geflüchteten auf den ersten Blick nicht widersprechen. So kann zugleich Hilfsbereitschaft und Sympathie für sogenannte „echte Flüchtlinge“ geheuchelt und zugleich gegen die sogenannten „Wirtschaftsflüchtlinge“ gehetzt werden. Trotz unterschiedlicher Rhetorik ist diese Argumentation allen bürgerlichen Parteien – von AfD über CDU/CSU bis zur SPD den Grünen – gemeinsam. Die ersten Opfer dieser Kampagne sind vor allem Roma. Für viele von ihnen wurde bereits letztes Jahr – durch CDU, SPD und Teile der Grünen – das Asylrecht de facto außer Kraft gesetzt, indem Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt wurden. Nun plant die Bundesregierung diese Liste auf weitere Westbalkan-Staaten auszuweiten. Darüber hinaus werden erste Sammellager nur für Flüchtlinge aus dem Balkan errichtet, die schnelle, menschenrechtsverletzende Abschiebungen erleichtern sollen.

 

„Sichere Herkunftsstaaten“ – Alles andere als sicher!

Betroffen sind vor allem Roma, eine ethnische Gruppe, die zur Zeit des deutschen Faschismus Opfer eines industriell durchgeführten Völkermordes wurde, der bis heute weder aufgearbeitet noch entschädigt ist. Stattdessen diffamieren deutsche Politiker*innen und Medien Roma 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges pauschal als Asylbetrüger*innen und Sozialschmarotzer*innen. Dabei ist ein Großteil der aus dem ehemaligen Jugoslawien flüchtenden Roma gezwungen, in Slums zu leben – oft ohne Zugang zur Kanalisation und zur Energieversorgung. Roma werden in scheinbar „sicheren Herkunftsstaaten“ wie Serbien oftmals systematisch vom Arbeitsmarkt, von sozialen Leistungen und von medizinischer Versorgung ausgeschlossen, in spezielle Förderschulen abgeschoben und vom gesellschaftlichen Leben isoliert. Hinzu kommen ständige, lebensbedrohliche Angriffe von rechten Schlägerbanden und eine unvorstellbare Polizeigewalt gegen Menschen, die als „Zigeuner“ stigmatisiert werden. Diese Staaten sind für drangsalierte Minderheiten wie die Roma alles andere als sicher. Ihnen das Asylrecht abzusprechen ist zutiefst geschichtsvergessen, rassistisch und menschenverachtend! Auch die Türkei soll laut Plänen der Bundesregierung für „sicher“ und unbedenklich erklärt werden. Angesichts der massiven Repression, Gewalt und Verfolgung der AKP-Regierung gegen linke und kurdische Aktivist*innen sind solche Überlegungen zynisch und verbrecherisch.

Diese Strategie der Spaltung und Hetze bleibt nicht ohne Folgen. Trotz der erwähnten großen Hilfsbereitschaft der deutschen Arbeiterklasse, brennen beinahe täglich Geflüchtetenunterkünfte, werden Asylbewerber*innen auf offener Straße angegriffen. In Heidenau und anderswo organisieren Faschisten – unter Beteiligung von Anwohner*innen – flüchtlingsfeindliche Aufmärsche und erzeugen eine Pogromstimmung. Auch wenn dem rassistischen Mob breiter Widerstand entgegenschlägt, ist die Gefahr noch lange nicht gebannt. Die Stimmung kann jederzeit umschlagen, wenn der Widerstand nur von lokalen Initiativen und nicht von den Massenorganisationen der Arbeiterbewegung organisiert und getragen wird. Die Heuchler um Gauck, Merkel und Gabriel, die sich von dem „Pack“ aus „Dunkeldeutschland“ distanzieren, sind dabei keine Hilfe, sondern Täter. Es ist ihre Kürzungs- und Sparpolitik, die soziale Ausgrenzung, Abstiegsängste und Entfremdung breiter Bevölkerungsschichten schafft. Es ist ihre Skandalisierung der Flüchtlingsfrage, ihre Sündenbockrhetorik, die die Wurzel für Rassismus und flüchtlingsfeindliche Übergriffe bildet. Wenn sie sich im Nachhinein von den Auswirkungen ihrer Politik distanzieren (ohne an dieser Politik etwas ändern zu wollen), ist das wenig zynisch und verlogen.

 

Wer trägt die Schuld an Armut, Perspektivlosigkeit und sozialem Abstieg?

Die neoliberale Politik der schwarzen Null führt zur finanziellen Ausblutung der Kommunen. Es wird überall gekürzt; es werden Stellen abgebaut, Jugendzentren und Schwimmbäder geschlossen, öffentliches Eigentum an private Unternehmer verhökert und die kommunale Infrastruktur verfällt. Gleichzeitig sollen die maroden Kommunen die Flüchtlingsunterbringung trotz Spardiktaten und Schuldenbremsen zu großen Teilen aus der eigenen Tasche bezahlen. Rechte Rattenfänger versuchen diese Situation auszunutzen und behaupten, dass das knappe Geld für Flüchtlinge statt für „Deutsche“ ausgegeben wird.

Doch damit reden sie am eigentlichen Problem vorbei. Es ist mehr als genug gesellschaftlicher Reichtum vorhanden, um Flüchtlinge und Nicht-Flüchtlinge menschenwürdig wohnen zu lassen, um Sport, Kultur und Infrastruktur aufzubauen und gleichzeitig allen Menschen ein Leben in Würde zu gewährleisten. Doch ist dieser Reichtum ungleich verteilt. Während die ärmsten 50% in Deutschland ca. 2% des Gesamtvermögens besitzen, verfügen die reichsten 40.000 Haushalte über 17%, das reichste Prozent sogar über 33% des Vermögens. Die Familie Quandt besitzt 31 Milliarden Euro. Dieses Geld hat sie nicht verdient, sondern durch Diebstahl und Ausbeutung angehäuft. Erwirtschaftet wurde dieses Geld von Arbeiter*innen. Das kapitalistische System ist darauf aufgebaut, dass die Arbeiter*innen ihre Arbeitskraft an Kapitalisten wie die Quandts verkaufen, die sich den daraus entstehenden Mehrwert unter den Nagel reißen und so Milliarden von Euro aufstapeln, während es ihren Angestellten oft am Nötigsten fehlt. Die herrschende Politik agiert im Interesse dieser Kapitalisten und verteidigt das kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Die Krisen dieser Ausbeuter und Spekulanten werden – wie in Griechenland – auf die einfache Bevölkerung übertragen und ihr Reichtum gleichzeitig durch Sozialabbau, Privatisierungen und Kürzungen ins Unermessliche gesteigert. Allein mit dem Vermögen der Familie Quandt könnte man die kompletten Kosten für Flüchtlingsunterbringung und -betreuung für mehrere Jahre finanzieren und darüber hinaus noch unzählige Sportplätze, KITAS – und alles was sonst noch so gebraucht wird – errichten.

Das Problem sind also nicht die Flüchtlinge, sondern die Tatsache, dass sich einzelne Personen – gestützt auf ihr Privateigentum an den Produktionsmitteln – durch fremde Arbeit den Großteil des gesellschaftlichen Reichtums aneignen, und dass die herrschende, prokapitalistische Politik nicht die Interessen der Mehrheit der Menschen vertritt, sondern die Profitgier dieser Leute unterstützt und ihre Herrschaft über die Mehrheit absichert. Das Vermögen der Kapitalisten ist durch Diebstahl an der Mehrheit der Bevölkerung zustande gekommen. Deshalb ist es an der Zeit, dass sich die Bevölkerung dieses Diebesgut zurückholt, dass die Milliardenvermögen enteignet und der Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden. Wir brauchen eine Gesellschaftsordnung, in der die Menschen selbstständig, demokratisch und nach ihren Bedürfnissen über die Produktion und die Gesellschaft bestimmen, anstatt sich zum Zwecke der Profitmaximierung für eine kleine Minderheit ausbeuten zu lassen.

 

Fluchtursachen made in Germany

Auf der Jagd nach billigen Arbeitskräften, neuen Einflussgebieten, Rohstoffen und Absatzmärkten schaffen die Chefs und Eigentümer deutscher Banken und Konzerne und die ihnen treu ergebenen Kriegsparteien SPD, CDU und Grüne weltweit Fluchtursachen. Der deutsche Imperialismus versucht seinen wirtschaftlichen und politischen Einfluss auf dem Weltmarkt immer weiter auszudehnen und seine Profite zu steigern. Dazu werden Waffen in alle Welt geliefert und Konflikte befeuert, die Umwelt zerstört, ganze Bevölkerungen in die Armut gezwungen und Kriege geführt. Im Kosovo hat die Bundeswehr einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg geführt. In der Folge rissen sich deutsche Kapitalisten ehemalige Staatsbetriebe unter den Nagel und die Bundesregierung beteiligt sich an der de facto Besatzung des Landes. Die soziale Abstiegs-und Verarmungsspirale, die dadurch in Gang gesetzt wurde, zwingt heute immer mehr Kosovar*innen zur Flucht, auch nach Deutschland. Viele syrische Flüchtlinge fliehen vor dem Terror des IS. Die deutsche Regierung liefert massenhaft Waffen an Staaten wie die Türkei, Saudi-Arabien oder Katar, die den IS materiell aufrüsten. In Afghanistan ist Deutschland als Kriegspartei aufgetreten und hat das Land und die Zivilbevölkerung in Grund und Boden gebombt. Noch heute fliehen viele Menschen vor den Folgen, die dieser Einsatz hinterließ. Die militärische und wirtschaftliche Versklavung großer Teile der Welt ist Folge der kapitalistischen Konkurrenz- und Profitlogik und Fluchtursache Nummer 1. Die Fluchtverursacher sitzen in den Führungsetagen von Bayer, ThyssenKrupp, Heckler und Koch, Deutsche Bank und auf den Regierungssesseln deutscher Parlamente. Flucht ist Teil ihres Geschäftsmodells. Nur wenn die Arbeiterklasse erkennt, dass die kapitalistische Barbarei das wahre Problem ist, kann der Teufelskreis von Ausbeutung, Krieg, Hunger, Umweltzerstörung, Terror und Flucht durchbrochen und den Profiteuren das Handwerk gelegt werden. Eine gerechte, solidarische Welt ist nur möglich, wenn die Unterdrückten dieser Erde (ob der Angestellte bei BMW ohne Migrationshintergrund, die in die Erwerbslosigkeit gedrängte Friseurin oder der sudanesische Flüchtling, der mit Hungerlöhnen zu überleben versucht) erkennen, dass sie Teil einer gemeinsamen ausgebeuteten Klasse sind, die diese Zustände nur durch den gemeinsamen, revolutionären Kampf, gegen die Klasse, die sie beherrscht, überwinden kann.

 

Eine andere Flüchtlingspolitik ist möglich

Ein erster Schritt, um Fluchtursachen zu bekämpfen und den Menschen, die hierher geflohen sind, zu helfen, müsste darin bestehen, die Milliarden, die jährlich dafür ausgegeben werden, das Militär aufzurüsten und die europäischen Außengrenzen hochzuziehen und abzusichern in eine menschwürdige Flüchtlingspolitik zu investieren. Rüstungskonzerne könnten in öffentliches Eigentum unter der demokratischen Kontrolle der Belegschaft überführt und auf die Produktion gesellschaftlich nützlicher, ziviler Güter umgestellt werden und die Bundeswehr von sämtlichen Auslandseinsätzen zurückgeholt werden, anstatt weltweit Krieg zu führen. Niemand verlässt freiwillig seine Heimat und sein soziales Umfeld und riskiert auf einer strapaziösen Flucht sein Leben, um „Sozialtourismus“ zu betreiben. Alle Menschen die nach Deutschland und die EU geflohen sind, müssen das Recht haben, hier zu bleiben. Ihnen müssen umfangreiche Sprach- und Integrationskurse zur Verfügung gestellt werden. Ihre Abschlüsse und Qualifikationen gehören anerkannt und sie brauchen einen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt, zum Gesundheitssystem und zu allen sozialen Leistungen, welche die Arbeiterbewegung dem Kapital abtrotzen konnte. Menschenwürdige Unterbringung heißt, Erstaufnahmelager abzuschaffen und auch in der Folgeunterbringung mittelfristig ausschließlich dezentralen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Hierzu bedarf es eines massiven Ausbaus des sozialen Wohnungsbaus und einer effektiven Mietpreisbremse. Leerstehender Wohnraum ist zu konfiszieren und der wohnungssuchenden Bevölkerung (Flüchtlinge, Student*innen usw.) zur Verfügung zu stellen. Solange dies noch nicht umgesetzt ist, müssen die Gemeinschaftsunterkünfte so gestaltet sein, dass ausreichend Privatsphäre und Personal zur psychologischen und sozialen und pädagogischen Betreuung zur Verfügung steht. Hygienische Standards und Höchstkapazitäten müssen ebenso eingehalten werden wie eine Anbindung an den Stadtteil und Möglichkeiten zur sozialen und gesellschaftlichen Partizipation. Und nicht zuletzt braucht es endlich legale Einreisemöglichkeiten nach Europa, damit das Morden gestoppt wird und die Bilder von Lampedusa und Bodrum endlich der Vergangenheit angehören.

Die LINKE ist die einzige Partei in Deutschland, die diesen Grundsätzen und den Rechten der Flüchtlinge nicht nur auf der Straße und in den Gewerkschaften, sondern auch in den gewählten Parlamenten von Bund, Ländern und Kommunen eine unüberhörbare Stimme verleihen kann. Dieses „Alleinstellungsmerkmal“ ist jedoch auch mit der Verpflichtung verbunden, die Einheit von Geflüchteten und einheimischen Lohnabhängigen dem Kartell der bürgerlichen und ausländerfeindlichen Parteien entgegen zu stellen, anstatt sich bei ihnen anzubiedern und den Konsens mit ihnen zu suchen.

Yannic Dyck ist Mitglied der AKL Göttingen und Landessprecher der Linksjugend Niedersachsen.

Artikel zuerst erschienen auf solidgoettingen.wordpress.com