Der Sieg des Nein und die kommenden Kämpfe

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Perspektiven in Griechenland

In einer Erklärung, die am Tag nach dem Referendum veröffentlicht worden ist, begrüßt die Strömung „Diethnistiki Ergatiki Aristera“ (DEA, Internationale ArbeiterInnenlinke) – eine der Organisationen, die im Jahr 2004 SYRIZA mitbegründet hat, und eine der führenden Kräfte der „Linken Plattform“ in SYRIZA – den Sieg des „OXI“ und analysiert ihn als Auftakt zu bevorstehenden Kämpfen.

Der Triumph des „Nein“ beim Referendum mit einem Vorsprung, der über alle Erwartungen hinaus­ging, ist ein großer Sieg der Arbeiterklasse und der Bevölkerung. Die Bevölkerung Griechenlands hat die Frage, die ihr gestellt wurde, korrekt verstanden: Befürwortet ihr die Politik der extremen Sparpolitik, wie sie in den Memoranden und in den neueren Forderungen der Gläubiger formuliert wurden, oder lehnt ihr sie ab? Ihre Antwort mit „Nein“ zeigt die wahren Gefühle „von unten“ der Massen der arbeitenden Bevöl­kerung in der griechischen Gesellschaft und sie zeigt die Dynamik des Kräfteverhältnisses, wie es sich in den letzten Jahren in Griechenland entwickelt hat – in einem Griechenland, das sowohl von einer tiefen Krise als auch von gesellschaftlichem Widerstand geprägt ist.
Die „Nein“-Seite gruppierte sich um die städtischen und ländlichen Arbeiterinnen und Arbeiter Griechenlands, die Erwerbslosen und die Armen. Die Arbeitenden haben sich trotz der Drohungen ent­schieden geäußert – sie hatten bereits die Folgen der Bankenschließungen, der Drohungen mit Entlassun­gen, den Warnungen, dass ihr Widerstand wahrscheinlich zu einem Bruch mit dem Euro führen würde, zu spüren bekommen. Sie sahen sich einer beispiellosen Propagandakampagne ausgesetzt, wonach der Aus­gang des Referendums Hunger, fehlende Arzneimittel, fehlender Brennstoff usw. nach sich ziehen würde. Das Ausmaß des „Nein“, trotz alldem, ist ein ausdrückliches Mandat, mit der Sparpolitik zu brechen.
Auf der Seite des „Ja“ standen die herrschende Klasse und die obere Mittelschicht – in anderen Worten, all jene, die ein Interesse daran haben, mit den Gläubigern eine Abkommen „um jeden Preis“ zu schließen, besonders wenn dieser Preis bedeutet, dass andere die Opfer dafür bringen.

Zu dieser Frage entstand eine klare Klassenspaltung. Die Seele des „Nein“ war die radikale Linke, was in der Zukunft entscheidende Auswirkungen haben wird. Die Führung von SYRIZA – die die Stärke fand, sich nicht den Diktaten der EU zu unterwerfen, und die zu einem Referendum aufrief, damit die Bevölke­rung ihren Willen ausdrücken konnte – ist die Siegerin.
Die Kräfte von ANTARSYA, die ihre eigenen politischen Differenzen haben, versammelten sich im Lager des „Nein“. Sie haben mit der Basis von SYRIZA neue Beziehungen geknüpft – Beziehungen, die für die kom­menden Kämpfe wichtig sein werden.

Andererseits weigerte sich die KKE mit ihrer zweideutigen Linie – ihre unakzeptable Haltung des „Weder Ja noch Nein“ – zu entscheiden, mit wem und gegen wen sie steht. Diese Haltung wird, auch wenn sie nicht von einem großen Teil ihrer Basis und ihrer Mitglieder mitgetragen wurde, für die Führung der KKE noch lange Zeit Auswirkungen haben.

Das Resultat hat die politischen Kräfte der Bourgeoisie gelähmt. Der Rücktritt des früheren Mini­sterpräsidenten Antonis Samaras vom Vorsitz der Partei Nea Dimokratia (ND), kurz nach dem Rücktritt von Evangelos Venizelos vom Vorsitz der PASOK, zeigt, dass die Gläubiger und ihre Memoranden von 2010 und 2012 keine sichere politische Vertretung in Griechenland mehr haben. Die „postpolitischen“ Sozialliberalen von To Potami (Der Fluss) sind keine Lösung für dieses Problem und können es auch nicht sein. Die Tatsa­che, dass all dies bei diesem wichtigen Referendum deutlich geworden ist, schafft große Möglichkeiten für SYRIZA. Aber dies wird auch einen beispiellosen Druck auf sie ausüben.
Der große Sieg der Arbeiterinnen und Arbeiter und der Volksmassen beim Referendum angesichts der Strangulation des Bankensystems und der Erpressung durch die Unternehmer wird in der kommenden Periode zu kritischen Konflikten führen, angefangen mit der ersten Maßnahme des Kräfteverhältnisses: der Wiederaufnahme der Verhandlungen mit den Gläubigern in dieser Woche.
Wir verstehen den Druck und die Dilemmata, denen die Regierung ausgesetzt ist – besonders die erpresse­rischen Taktiken der Gläubiger mit ihren Drohungen gegen das Bankensystem. Diese Drohungen können nur durch die Verstaatlichung der Banken und die Errichtung einer öffentlichen Kontrolle, unter der Leitung der in diesem Sektor Arbeitenden, beantwortet werden. Dies ist entscheidend für das Funktionieren der gesamten Ökonomie.

Das „Nein“ bei der Abstimmung war eine unerschütterliche Forderung nach der Aufhebung der Sparpolitik. Es ist eine Aufforderung an SYRIZA, in entscheidender Weise das Programm der radikalen Linken umzuset­zen und dabei alle notwendigen ökonomischen, politischen und finanziellen Maßnahmen durchzuführen.

Davon können die Regierung und SYRIZA nicht abgehen.

Ein Abkommen, das im wesentlichen dem Vorschlag nahe käme, der beim Referendum zur Abstimmung stand, würde Enttäuschung produzieren und den Sieg des „Nein“ beim Referendum zunichte machen. Es würde den bürgerlichen Parteien Gelegenheit bieten, sich zu reorganisieren und einen Gegenangriff zu führen, mit dem Ziel, die SYRIZA-Regierung so schnell wie möglich zu stürzen. Wie die RepräsentantInnen der führenden europäischen Regierungen offen erklärt haben, glauben diese Regierungen, dass die Existenz einer linken Regierung in Griechenland heute mit der Politik unvereinbar ist, die sie heute in diesem „Mo­ment“ der tiefen Krise sowohl auf europäischer Ebene als auch in Griechenland selbst durchsetzen wollen.

Zu diesem Punkt müssen wir die internationalistische Solidarität betonen, die gegenüber der Arbeiterklasse und der Linken in Griechenland gezeigt worden ist. Entstanden und machtvoll ausgedrückt wurde sie an vielen Orten in der ganzen Welt.

Wir haben eine Pflicht, diese von den Demonstrationen der Solidarität ausgedrückten Hoffnungen nicht zu enttäuschen. Dies ist eine Verpflichtung für die Führung der Regierung und sie beinhaltet wesentliche Auf­gaben, nicht nur für die Mitglieder von SYRIZA, sondern für alle, die für das „Nein“ gekämpft haben.

Die kommenden Tage werden entscheidend sein für die Festigung und die weitere Entwicklung dieses ent­scheidenden Wahlsieges.

Juli 2015
Aus dem Englischen übersetzt von hgm

Erschienen auf socialistworker.org