Auch kommunal keine „Sachzwänge“ beschwören

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Rede von Claus Ludwig auf dem Bielefelder LINKE-Bundesparteitag zur Kommunalpolitik.

Liebe Genossinnen und Genossen,
die Kommunen sind ein zentrales Feld für linke Politik.
Dort haben wir die Chance, unsere Partei zu verankern und zudem Selbstaktivität und Selbstorganisierung von der Basis her zu befördern.
Auf diesem Feld können wir allerdings auch Fehler machen, die uns Unterstützung kosten würden:
Wenn wir in der Praxis vor Ort keine andere Politik machen als die etablierten Parteien, dann wird auch unsere oppositionelle Haltung auf Bundesebene beschädigt.
Würde die LINKE lokale Sozialkürzungen schön reden und die sogenannten „Sachzwänge“ beschwören, kann dies nicht durch knackige Plakate für die Bundestagswahl repariert werden.

Die Wichtigkeit der Kommunalpolitik wird oft betont, aber oftmals wird wenig inhaltlich diskutiert.
Die Antikapitalistische Linke begrüßt daher die heutige Möglichkeit zur (gewiss kontroversen Debatte) und hat einen Ersetzungsantrag formuliert, um einen Beitrag zu dieser Diskussion zu leisten.

Der Antrag G1, den die Bundesarbeitsgemeinschaft Kommunalpolitik eingebracht hat, basiert auf einem sehr eingeschränkten Verständnis von linker Kommunalpolitik.
Kommunalpolitik wird darin, das zieht sich durch den gesamten Text, definiert als Politik in den kommunalen Gremien und Institutionen wie Stadt- oder Gemeinderäten.
Die Worte „Widerstand“ oder „Mobilisierung“ tauchen darin nicht einmal auf.
In den zehn Jahren, in denen ich Ratsmitglied der Stadt Köln war, habe ich gelernt, dass die zentralen kommunalpolitischen Auseinandersetzungen nicht im Ratssaal und den Fraktionsbüros stattfinden, sondern in den Stadtteilen.
Unsere wichtigste und vornehmste Aufgabe ist es, die lokalen Themen aufzugreifen, bei denen sich Menschen bewegen, Widerstand leisten, sich organisieren, unabhängig davon, ob diese sich auch im Stadt- oder Gemeinderat widerspiegeln.
Wenn Mieterinnen und Mieter Gerichtsvollzieher blockieren, um Zwangsräumungen zu verhindern, dann ist das Kommunalpolitik und die Mitglieder unserer Partei müssen aktiv dabei sein.
Wenn die Erzieherinnen und Erzieher streiken, um Druck auf die Städte und Gemeinden auszuüben, endlich ihre Tätigkeit aufzuwerten, dann ist das Kommunalpolitik und wir müssen bei den Streikposten stehen.
Wenn Nazis und Rassisten marschieren, ist der Platz linker Kommunalpolitiker auf der Straße, in der Blockade.
Wir sollten diese Fragen natürlich auch in die kommunalen Gremien hineintragen, Anfragen und Anträge in Stadträten stellen, die publizistischen Möglichkeiten unserer kommunalen Vertreter*innen nutzen usw.
Wo wir Mehrheiten in Gemeinderäten haben oder Bürgermeisterinnen und Bürgermeister stellen, sollten wir die Forderungen zum Beispiel von Mieter*innen und Erzieher*innen umsetzen und somit zeigen, dass es einen Unterschied macht, ob die LINKE oder die etablierten bürgerlichen Parteien vor Ort die Mehrheit haben.

Im Antrag der BAG Kommunalpolitik finden sich viele richtige Punkte zur notwendigen Reform der Gemeindefinanzierung.
Wir habe diese Forderungen im Großen und Ganzen in unseren Ersetzungsantrag übernommen.
Spannend wird es allerdings bei der Frage, wie die LINKE vor Ort agiert, wenn es eben nicht zu dieser finanziellen Besserstellung der Kommunen kommt;
(gegen die sich die Etablierten nach wie vor wehren);
Der vorliegende Antrag bietet dazu Antworten, die wir für hoch problematisch halten.
Unter Punkt 4 (Zeile 642) sprechen sich die Antragssteller für sogenannte „kommunale Strukturreformen“ aus.
Sie benennen zwar Kriterien für diese, aber blenden die Realität dabei aus:
Diese sogenannten „Strukturreformen“ führen immer zu Personalabbau.
Die LINKE ist jedoch die Partei, die gegen den Abbau von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst eintritt und im Gegenteil den Ausbau öffentlicher Dienstleistungen fordert.
Auch an weiteren Stellen des Antrages bleibt die BAG Kommunalpolitik die Erklärung schuldig, worin sich linke von prokapitalistischer Kommunalpolitik unterscheidet:
In Zeile 210 heißt es:
„Zur Sicherung der Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen muss sich die kommunale Daseinsvorsorge an den Bedürfnissen der am meisten Benachteiligten orientieren.“
In Zeile 578f:
Die LINKE sei gegen „ungerechtfertigten Sozial- Kultur- oder Leistungsabbau“
In Zeile 544ff wird davon gesprochen, es gelte
„vertretbare Prioritäten zu setzen“

Darüber solle die LINKE mit der Bevölkerung einen
„ehrlichen Dialog führen“.
Kurz: Hier steht nichts davon, auf keinen Fall Kürzungen zuzustimmen.
Hier steht nichts davon, einen Kampf darum zu führen, die sogenannten „Sachzwänge“ zu überwinden.
Im Klartext ist dies eine Handlungsanleitung dafür, den Abbau öffentlicher Dienstleistungen in „schlimm“ und „weniger schlimm“ zu unterteilen;
sich dafür zu entscheiden, die „weniger schlimmen“ Kürzungen durchzuziehen – bzw. zu unterstützen
und dies den Betroffenen „ehrlich“ zu verklickern.
Und genau das machen die bürgerlichen Parteien auch. Die SPD-Oberbürgermeister in meinem Bundesland Nordrhein-Westfalen stellen sich hin und sagen:
„Wir wollen ja nicht kürzen. Aber ohne eine Änderung der Gemeindefinanzierung können wir nicht anders.“
Und ihr schlagt vor, dass die LINKE genauso argumentiert!?
Genossinnen und Genossen, das kann nicht euer Ernst sein.

Wenn es allerdings euer Ernst sein sollte, liebe BAG Kommunalpolitik, so ist es nicht verwunderlich, dass in eurem nicht gerade kurzen Text kaum konkrete Forderungen für die kommunale Ebene auftauchen, denn die wären in eurer Logik sowieso nicht durchsetzbar.
Im Ersetzungsantrag der AKL haben wir hingegen einige Essentials linker kommunaler Programmatik aufgeführt.
Wegen der begrenzten Redezeit kann ich auf diese nicht eingehen, ihr findet sie in unserem Antrag.
Diese linken Essentials werden auf den entschiedenen Widerstand der prokapitalistischen Parteien stoßen.

Glaubwürdigkeit im Kampf gegen das Kaputtsparen lässt sich nur erreichen, wenn DIE LINKE keine „milden“ oder „gerechten“ Kürzungen mitträgt, sondern ihre Vorstellung von einer alternativen Kommunalpolitik in der Praxis beweist.

Genossinnen und Genossen, ein Grundsatzbeschluss zur Kommunalpolitik wie der vorliegende Antrag G1 ohne eine kommunale Programmatik, ohne Ideen, was die LINKE durchsetzen will, hat einen sehr begrenzten Nutzwert.
Dazu kommt die in G1 vertretene Akzeptanz des von den etablierten Kräften gesetzten Handlungsrahmens, die für eine linke Partei geradezu gefährlich ist.
Der Ersetzungsantrag der BAG Antikapitalistische Linke beinhaltet hingegen Essentials linker kommunaler Programmatik, die nicht den gemachten „Sachzwängen“ geopfert werden dürfen.
Zudem müssen wir den Menschen die Wahrheit sagen:
Eine grundlegend bessere Ausstattung der Kommunen wird es nicht dank besserer Erkenntnis der bürgerlichen Parteien geben.
Die finanzielle Lage der Städte und Gemeinden ist Teil des Austeritätsregimes, welches ganz Europa bedrückt.
Um dieses Regime abzuschütteln, ist eine Mobilisierung gegen die Konzerne und Banken nötig.
Der Kampf für eine wirklich demokratische Kommune ist daher Teil des breiteren Kampfes für eine Überwindung des Kapitalismus.
Ich möchte euch daher bitten, den Antrag der AKL zur Beratungsgrundlage zu machen.