Für Steuerfreiheit beim gesetzlichen Mindestlohn

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Beschlussantrag an den Bundesparteitag für die Steuerfreiheit jedes gesetzlichen Mindestlohns

Der Bundesparteitag beschließe:
DIE LINKE fordert, dass jeder gesetzliche Mindestlohn steuerfrei gestellt wird.

Dazu soll der monatliche Grundfreibetrag der Einkommensteuer so weit angehoben werden, dass der Bruttomonatslohn von Vollzeitarbeit (38,5 Stunden/Woche) bei gesetzlichem Mindestlohn nicht besteuert wird. Bei dem aktuellen Mindestlohn von 8,50 Euro sind 1.420 Euro brutto im Monat steuerfrei zu stellen, daraus ergeben sich für einen Alleinstehenden nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge 1.129 Euro Nettoeinkommen.
Bei 10 Euro gesetzlichem Mindestlohn sind 1.670 Euro brutto im Monat steuerfrei zu stellen, daraus resultieren 1.328 Euro Nettoeinkommen.
Solange ein steuerfrei gestellter gesetzlicher Mindestlohn nicht deutlich über dem Existenz¬minimum von Erwerbstätigen liegt – was bisher nicht der Fall ist – ist er stets vollständig steuerfrei zu stellen.
Begründung:
DIE LINKE darf es nicht zulassen, dass das Existenzminimum der gesamten Bevölkerung zugunsten des Kapitals verletzt wird. Weder beim Hartz-IV-Regelsatz, noch beim Mindestlohn und auch nicht durch Besteuerung.

Es ist nicht hinzunehmen, dass man durch Lohnsteuerzahlung in Alg II rutscht.
Z. B. Erwerbstätige, die in Vollzeitbeschäftigung zum aktuellen gesetzlichen Mindestlohn arbeiten (8,50 Euro/Stunde, 38,5-Stundenwoche), haben von ihrem monatlichen Bruttoverdienst von 1.420 Euro nach Abzug von Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben als Alleinstehende nur 1.048 Euro netto übrig. Sie könnten aber 1.129 Euro haben, wenn auf den Abzug der Lohnsteuer verzichtet würde (nachzuprüfen z. B. auf www.nettolohn.de).
Nicht zuletzt durch die Besteuerung sind sie ab einer Warmmiete von nur 350 Euro wieder Alg-II-bedürftig. Im Laufe eines Jahres zahlen sie über 900 Euro an Lohnsteuer, das ist fast ein gesamter Nettomonatslohn.

Erwerbstätige werden also massiv überbesteuert. Sogar ihr Existenzminimum wird besteuert. Davon sind alle Erwerbstätigen betroffen.
Bei MindestlöhnerInnen tritt die Überbesteuerung lediglich besonders deutlich zutage.

Woher kommt dieser Missstand? Zurzeit erkennt die Bundesregierung als steuerliches Existenzminimum von Erwerbstätigen nur Alg-II-Regelsatz (399 Euro) + Warmmiete (307 Euro) an, also nur 706 Euro pro Monat, 8.472 Euro pro Jahr.
DIE LINKE fordert zwar aktuell eine Erhöhung des jährlichen Grundfreibetrags der Einkommen-steuer auf 9.300 Euro. Das entspricht jedoch lediglich einer monatlichen Erhöhung um 69 Euro, also noch nicht einmal in Höhe der von der LINKEN geforderten Eckregelsatzerhöhung von 399 auf mindestens 500 Euro.

Am gravierendsten ist aber, dass der Mehrbedarf von Erwerbstätigen, heute durch den Absetzbetrag für Erwerbstätige im § 11b SGB II, ausgedrückt, besteuert wird. Dies sind beim Alg-II-Bezug 300 Euro pro Monat ab einem aufzustockenden eigenen Bruttoeinkommen von 1.200 Euro.
Um 300 Euro pro Monat oder 3.600 Euro pro Jahr müsste der Grundfreibetrag der Einkommensteuer also alleine aufgrund dieses Umstandes erhöht werden.

Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25. September 1992 hierzu ist eindeutig. Für das steuerliche Existenzminimum ist das sozialhilferechtliche Existenzminimum maßgeblich:
Regelsatz + Warmmiete + Mehrbedarf für Erwerbstätigkeit (siehe dieser Beschluss z. B. unter http://lexetius.com/1992,419, Randnummer 58, zuletzt abgerufen am 15.04.2015)
Statt diesen Beschluss, wie es das Verfassungsgericht gefordert hatte, bis zum 1.1.1996 umzusetzen, reagierte die Bundesregierung damals mit einem Gesetzgebungsprozess in den Jahren 1993/94, in welchem der Mehrbedarf im Bundessozialhilfegesetz in einen Freibetrag umetikettiert wurde.
Diese Manipulation durch die Bundesregierung macht den Löwenanteil beim Drücken des anerkannten steuerlichen Existenzminimums von Erwerbstätigen auf nur 706 Euro aus.

Weiterhin sind nicht 307, sondern 450 Euro Warmmiete als Teil des Existenzminimums anzuerkennen, damit wie vom BVerfG gefordert, möglichst niemand durch Besteuerung seines Einkommens auf staatliche Unterstützung angewiesen ist.

Bei dem aktuellen Hartz-IV-Eckregelsatz von 399 Euro müssen also
diese 399 Euro + 450 Euro Warmmiete + 300 Euro Mehrbedarf für Erwerbstätigkeit + 83,33 Euro Pauschbetrag für Erwerbstätigkeit, also 1.232 Euro pro Monat steuerfrei gestellt werden.
Die Forderung nach Steuerfreiheit des aktuellen gesetzlichen Mindestlohns (Steuerfreistellung von monatlich 1.129 Euro) ist daher eine sehr bescheidene Forderung.

Die Bundesregierung sorgt seit Jahrzehnten dafür, dass der Staat nicht zuletzt mittels einer Überbesteuerung der unteren Lohngruppen finanziert wird: Seit Mitte der 90er Jahre wurde der Spitzensteuersatz gesenkt, die Vermögensteuer nicht mehr erhoben, der Körperschaftsteuersatz (der Steuersatz der großen Aktiengesellschaften) von 53 auf 15 % gesenkt usw.

Unsere Partei und Bundestagsfraktion müssen eine klare Position einnehmen:
Wie soll mit Unterstützung der Erwerbstätigen ein Regelsatz von mindestens 500 statt 399 Euro für Erwerbslose durchgesetzt werden, wie es in unserem Parteiprogramm steht, wenn nicht einmal das Existenzminimum von Erwerbstätigen respektiert wird? Wir wollen nicht, dass durch die geforderte Regelsatzerhöhung Millionen von Erwerbstätigen ihr Existenzminimum dann lediglich durch Alg-II-Bezug sichern können.

Die Bevölkerung soll in der Partei DIE LINKE eine Alternative zu den anderen Parteien finden. Es gilt also, die Beschlusslage unserer Partei zu ändern:

Wer in Vollzeit arbeitet, darf wenigstens als Alleinstehender nicht unter Alg II fallen.
Durch die Steuerbefreiung des von unserer Partei geforderten gesetzlichen Mindestlohns von 10 Euro ohne Ausnahmen würden von einem Bruttolohn von 1.670 Euro statt 1.177 Euro 1.328 Euro monatlich netto für einen Alleinstehenden heraus kommen. Eine Perspektive, für die sich zu kämpfen lohnt.
Wenigstens Alleinstehende, die in Vollzeit (38,5-Stundenwoche) erwerbstätig sind, wären so auch bei dem geforderten Eckregelsatz von mindestens 500 statt 399 Euro bis zu einer Warmmiete von rund 450 Euro aus Hartz IV heraus.

Die Forderung nach Erhöhung von Körperschaft- und Erbschaftsteuer, Einführung einer Millionärsteuer und weitere Maßnahmen auf diesem Gebiet sind mit dem Wahlprogramm 2013 schon Beschlusslage unserer Partei und gleichen die Mindereinnahmen, die durch die Befreiung des Existenzminimums von der Steuerzahlung entstehen, vielfach aus.

Die einen Steuern sollen entschlossen gesenkt werden, die ungeheuren Steuergeschenke der letzten Jahrzehnte ans Kapital mit Unterstützung der Bevölkerung zurück genommen werden!

In Frankreich ist die Steuerfreiheit des gesetzlichen Mindestlohns selbstverständlich.