Revolution in Thüringen?

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Warum DIE LINKE nicht mit SPD und Grünen regieren sollte. Von Sascha Stanicic

DIE LINKE, SPD und Bündnis 90/Die Grünen wollen in Thüringen eine Regierungskoalition bilden. Damit würde mit Bodo Ramelow erstmals ein LINKE-Politiker Ministerpräsident eines Bundeslandes. Manche bürgerlichen Medien kommentieren das, als ob damit eine Revolution ausbrechen würde.

Sicher gibt es viele Menschen, die darauf hoffen, dass unter Ramelow eine sozialere Politik umgesetzt wird. Eine Minderheit wird befürchten, dass diese Regierungsbeteiligung den Anpassungsprozess der LINKEN in Richtung des pro-kapitalistischen Establishments beschleunigen wird. Und nicht wenige – immerhin nahmen 47,3 Prozent der ThüringerInnen gar nicht an der Wahl teil – werden die Achseln zucken und weiterhin davon überzeugt sein, dass in Regierungen abgehobene Politiker über die Köpfe der Bevölkerung hinweg handeln und dabei selten Gutes raus kommt.

So viel Übereinstimmung macht skeptisch
Auf die Frage, welches bei den Sondierungsgesprächen das schwierigste Thema gewesen sei, antwortete Bodo Ramelow in der taz vom 22. Oktober: „Es gab keins.“ Alle betonen die große Übereinstimmung der drei Parteien. Das sollte skeptisch stimmen, schließlich handelt es sich bei SPD und Grünen immer noch um die Parteien von Hartz IV und Agenda 2010.
Die schriftlich veröffentlichte Zusammenfassung der Ergebnisse der Sondierung enthält viele soziale Absichtserklärungen. Doch: Papier ist geduldig. Regierungshandeln und Koalitionsverträge unterscheiden sich nicht selten deutlich. Denn: Die ganzen schönen Versprechungen müssen ja finanziert werden. Und dem stehen die leeren öffentlichen Kassen entgegen, die durch die Zustimmung von LINKE, SPD und Grünen zur sogenannten Schuldenbremse auch leer bleiben werden. Erst einmal müsse ein Kassensturz durchgeführt werden, um die „haushaltspolitische Handlungsfähigkeit Thüringens zu definieren“. – Nachtigall, ick hör dir trapsen!

Kleineres Übel ist ein Übel
Doch selbst wenn die Absichtserklärungen umgesetzt werden, ist der Verhandlungsstand kein großer Wurf und weit von dem so oft beschworenen Politikwechsel entfernt. Da werden weder die Kürzungen der Vorgängerregierung im Hochschulbereich zurückgenommen, noch der braun durchsetzte Landesverfassungsschutz aufgelöst. Die meisten Formulierungen sind schwammig und unkonkret – außer dem Bekenntnis zur Schuldenbremse halt. Das wundert nicht, ist doch der Anspruch der drei Parteien, Partner „sowohl der Arbeitnehmer/-innen als auch der Unternehmen und deren Organisationen“ zu sein. Von Interessenvertretung für die abhängig Beschäftigten und sozial Benachteiligten kann also keine Rede sein.
Heraus wird bestenfalls eine Politik des kleineren Übels kommen, die früher oder später unsoziale, arbeitnehmer- und umweltfeindliche Maßnahmen beinhalten und weit entfernt von linker Programmatik sein wird. Das haben die bisherigen Regierungsbeteiligungen der PDS beziehungsweise der LINKEN gezeigt. Am Ende hat DIE LINKE ihre Ziele verraten und wurde dafür mit massenhaftem Wählerverlust abgestraft. Es kann nicht anders laufen, denn SPD und Grüne sind pro-kapitalistische Parteien, die sich den Profiten der Konzerne verpflichtet fühlen, nicht den Lebensbedingungen der Bevölkerungsmehrheit.

Ostdeutschland und LINKE
In der CDU/CSU macht sich angesichts eines LINKE-Ministerpräsidenten „Fassungslosigkeit“ breit. Einmal mehr wird versucht, die SED-Vergangenheit der Partei als Keule gegen linke Politik einzusetzen. Leider reagiert DIE LINKE in Thüringen darauf nicht mit einer sozialistischen DDR-Kritik, sondern hat sich mit SPD und Grünen auf Formulierungen (Stichwort: „Unrechtsstaat DDR“) geeinigt, die viele ehemalige DDR-BürgerInnen als Kotau verstehen müssen. Sozialistische DDR-Kritik würde bedeuten, klar zu sagen, dass die Herrschaft der SED-Bürokratie über die ostdeutsche Arbeiterklasse nichts mit Sozialismus zu tun hatte. Sie würde gleichzeitig deutlich machen, dass die DDR an diesem bürokratisch-diktatorischen Charakter und nicht an der Verstaatlichung der Wirtschaft als solcher gescheitert ist. Sie würde deutlich machen, dass sozialistische Demokratie freie Wahlen und jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit auf allen Ebenen, Verbot von Privilegien für FunktionärInnen und ähnliche Grundsätze sozialistischer Demokratie bedeuten würde. Da diese von der LINKE-Führung aber weder in ihrer eigenen Partei, noch in den Parlamenten und Regierungen, in denen sie vertreten ist, umgesetzt werden, können sie auch keine sozialistische DDR-Kritik formulieren und landen bei – bürgerlicher Kritik.
Somit wird die von vielen geforderte Normalisierung im Umgang mit der LINKEN und „Akzeptanz“ der Linkspartei in den staatlichen Strukturen des vereinigten, kapitalistischen Deutschlands letztlich nur auf Basis der Anpassung der Partei an die herrschenden kapitalistischen Verhältnisse möglich sein. Eine bessere Interessenvertretung für die ostdeutschen Lohnabhängigen, Erwerbslosen und RentnerInnen kommt dabei nicht zwangsläufig heraus.
Das wird leider auch das Ergebnis sein, wenn Thüringen nun zum Modell für die Partei erhoben wird. Leider beteiligt sich auch der, von vielen dem linken Flügel der Partei zugeordnete, Vorsitzende Bernd Riexinger daran. Im Neuen Deutschland vom 24.10.2014 nennt er drei Bedingungen dafür, dass rot-rot-grüne Landesregierungen Schule machen sollten: „Höhere Tarifbindung für Beschäftigte, mehr Lehrer, stärkerer Sozialstaat“ und wünscht sich eine „Etablierung“ seiner Partei in der Bundesrepublik. Er nennt rot-rot-grüne Bündnisse „die richtige Antwort auf die AfD“ und bezeichnet LINKE, SPD und Grüne als die „Parteien links der Mitte“. Der Weg zur Hölle ist bekanntlich mit guten Vorsätzen gepflastert. Dass aus der LINKE-Führung immer wieder neue, abgeschwächte, Bedingungen für Regierungsbeteiligungen formuliert werden und ein linkes Lager konstruiert wird, dass es angesichts der pro-kapitalistischen Politik von SPD und Grünen nicht gibt, bedeutet, die Partei in die falsche Richtung zu orientieren. Ergebnis rot-rot-grüner Regierungen wird nicht die Schwächung der AfD, sondern ihre Stärkung (oder die Stärkung anderer rechter Kräfte) sein, die sich dann als einzige Anti-Establishment-Partei darstellen kann.
Was tun?
Nötig ist ein politischer Kurswechsel der LINKEN hin zu einer konsequenten Politik im Interesse von ArbeitnehmerInnen. Eckpunkte davon könnten sein: Nein zur Schuldenbremse; Rücknahme der Kürzungen der Vorgängerregierungen; Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich für alle Landesbeschäftigten; öffentliche Investitionsprogramme zur Schaffung sinnvoller Arbeitsplätze; Enteignung von Unternehmen, die Arbeitsplätze abbauen; Auflösung des Verfassungsschutzes; demokratische Kontrolle und Verwaltung landeseigener Betriebe und Verwaltungen et cetera.
Wenn Bodo Ramelow ein solches – sozialistisches – Programm vorgelegt hätte, wären SPD und Grüne niemals zu Sondierungsgesprächen erschienen und für alle wäre klar gewesen, dass eine Politik im Interesse der Mehrheit der Menschen – und damit gegen die Reichen und Kapitalisten – nur mit der LINKEN möglich ist. Auf dieser Grundlage könnte die Partei ein Bündnis mit GewerkschafterInnen und Aktiven der sozialen Bewegungen bilden, sich auf den Aufbau von Gegenwehr und die Selbstorganisation der einfachen Leute konzentrieren und selbstbewusst das Ziel formulieren, von einer 28-Prozent-Partei zu einer Partei zu werden, die die Mehrheit der Thüringer Arbeiterklasse hinter sich bringt und auf dieser Basis in der Lage sein wird, eine tatsächlich linke Regierung zu bilden, die auch linke Politik betreiben wird.

Zuerst erschienen auf: sozialismus.info

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