Ein Parteitag, der sich einmischt

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Grußwort der Antikapitalistischen Linken (AKL) zum Berliner Parteitag, Mai 2014

Liebe Delegierte und Gäste des LINKE-Parteitages!

Nein, so wie vor genau hundert Jahren sind es auch heute keine „Schlafwandler“, die ohne es zu wollen, in einen Krieg hineintaumeln. Es wird bewusst und laut mit den Waffen gerasselt und die vielen kleinen Scharmützel und Stellvertreterkriege mit ihrem neuen Höhepunkt in der Ukraine verdichten sich zu einer wachsenden Gefahr neuer großer und barbarischer Kriege.

25 Jahre nach dem Zusammenbruch der Staaten und Volkswirtschaften, die einen anderen Entwicklungsweg als von den kapitalistischen Weltmächten vorgeschrieben einschlugen, wachsen die Spannungen zwischen den westlichen Großmächten und Russland. Die USA und die EU wollen ein weiteres Erstarken Russlands verhindern, diesem höchstens den Rang einer Regionalmacht zugestehen und ihren Einfluss auf ganz Osteuropa ausdehnen.

Da kommt es gerade recht, wenn im Hinterhof Russlands die Menschen wegen Armut, Hoffnungslosigkeit und Wut über korrupte Diebe, die sich Regierung nennen, auf die Straße gehen. Diese Proteste in der Ukraine in einen nationalistischen Taumel gegen die „Russen“ und für die „Europäer“ zu verwandeln, hat erschreckend wenig Millionen Dollar, kurzlebige Ideologieimporte und skrupellose faschistische oder mafiöse Banden erfordert.  Jetzt droht ein weiterer der vielen schmutzigen Kriege auf der Welt, die eine fatale Mischung aus imperialen Weltschach der Großmächte, Selbstbereicherungskämpfen der bei der Wiedereinführung kapitalistischer Produktionsverhältnisse zu kurz gekommenen Angehörigen der alten Elite und verzweifeltem nationalistischem Aufbegehren der Armen und Verarmten sind.

Nein, die drohende Gefahr eines neuen Krieges erwächst nicht aus der Bösartigkeit der Russenseele, nicht aus Übereifer und Fehlern von diplomatischen Versagern und auch nicht aus Verschwörungen der US-Notenbank. Sie ist in dem gnadenlosen Konkurrenzkampf um die Neuaufteilung der Welt zwischen den kapitalistischen Großmächten, zu denen sich nach 25 Jahren Demütigung auch wieder Russland gesellt hat oder zumindest gesellen möchte, und in dem täglichen Normalvollzug des Kampfes um Marktanteile, Ressourcen und strategische Vorposten strukturell angelegt.

Nein, die Europäische Union hat sich nicht als friedlich, demokratisch, nicht-militaristisch und nicht neoliberal in der Ukraine-Frage verhalten. Während an ihrer Südgrenze immer weiter Tausende von Flüchtlingen im Meer verrecken, spielt die EU an ihrer Ostgrenze mal wieder Supermacht, mit allen ökonomischen, politischen und militärischen Druckmitteln, die sie hat, und im eifersüchtigen Wettbewerb mit dem Nato-Bruder USA.  Die LINKE täte gut daran, ihre eilfertige Beschlussfassung vom Hamburger Parteitag im Lichte der jüngsten Entwicklung deutlich zu revidieren. Und ein gutes Stück geschieht dies in den Wahlkundgebungen ja auch. Etwas mehr und etwas selbstbewusster ginge es aber noch.

Und ja, eine wirkliche neue Friedensbewegung wird höchste Zeit. Aber sie  kommt nicht als Event-Management durchgeknallter Verschwörungstheoretiker in die Gänge, sondern als unabhängige und kompromisslose Wiederbelebung der Anti-Kriegs-Mobilisierungen vergangener Jahre.

Nein zur Waffenproduktion und dem Rüstungsexport! Nein zu den Sanktionen gegen Russland! Nein zur Zusammenarbeit oder auch nur Tolerierung mit den faschistischen Banden und Parteien in der Ukraine! Gegen jede Form der Diskriminierung aufgrund von Nationalität, Sprache oder Religionszugehörigkeit!  Ja zu einer friedlichen und sozialen Ukraine!

Ein Parteitag, der sich einmischt

Der Parteitag der LINKEN sollte laut und unmissverständlich zu diesen Fragen Position beziehen. Die Tagesordnung muss um eine Debatte über die Ukraine, die Kriegsgefahr und die Politik Deutschlands und der EU erweitert werden.  Das ist der beste Beitrag, den dieser Parteitag auch für ein gutes Ergebnis bei den Wahlen zum EU-Parlament und in verschiedenen Kommunalwahlen leisten kann.

Die LINKE ist die größte Oppositionspartei gegenüber der ganz großen Koalition – aber sie muss diese Rolle auch ausfüllen. Eine Koalition in der Opposition ist generell Unsinn, mit diesen Grünen von heute, wäre sie sogar das direkte Gegenteil von linker Politik. Die Grünen streben leider die Vordenkerrolle für imperialistische Weltinnenpolitik an. Was das in konkreten Konflikten und Anlässen bedeutet, sehen wir mal wieder am Beispiel der Ukraine. Wir glauben auch, dass es noch niemals Gewinn bringend für eine linke Partei war, Opposition mit Regierung-Spielen zu verwechseln.

Alle vergangenen Wahlen haben gezeigt, dass es kein gesellschaftliches Lager aus SPD, Grünen und LINKE gibt. Auch der Sonntagabend nach den Europawahlen wird uns da wieder recht geben. Aber selbst wenn wir uns irren würden und es tatsächlich ein Lager gibt, das 2017 nicht nur einen Regierungs-, sondern einen Politikwechsel herbeiführen könnte, dann wäre das Regierung-Spielen in der Opposition das Letzte, was dieses Lager mobilisiert.

Der Parteitag wird einen neuen Parteivorstand wählen. Die Antikapitalistische Linke ruft dazu auf, einen Vorstand zu wählen, der diesen politischen Aufgaben gerecht wird.  Es muss ein Vorstand sein, der mehr als zuvor die LINKE als bewegungsorientierte und wirklich oppositionelle Kraft ins Spiel bringt. Es muss ein Vorstand sein, der die immer mehr zunehmende Umklammerung der Parteiaktivitäten durch parlamentarische Selbstverpflichtungen eindämmt und sich ein gutes Stück Unabhängigkeit der Partei von den Fraktionen zurückholt. Und es muss ein Vorstand sein, der die politische Meinungsvielfalt der Partei widerspiegelt und den Mut zu kühnen politischen Projekten hat. Es sind genügend Kandidatinnen und Kandidaten da, die für einen solchen Vorstand stehen. Bitte wählt sie!

Die Antikapitalistische Linke ruft ebenfalls dazu auf, die LINKE als Partei von politischer Pluralität und unterschiedlichen Arbeitsebenen der Mitglieder zu stärken und alle Satzungsanträge, die die Rechte der innerparteilichen Zusammenschlüsse und Arbeitsgemeinschaften, wie auch die des Bundesausschusses einschränken wollen, zurückzuweisen.

Flyer zum Download (pdf)

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