Der aktuelle Machtkampf in der Linkspartei lenkt von den eigentlichen Ursachen ab

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Ein Kommentar von Jürgen Aust

 

Konflikte, Intrigen und Machtkämpfe in linken bzw. sozialistischen Parteien sind so alt wie ihre Geschichte. Zu Zeiten Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts hat der Konflikt zwischen einem reformistischen und einem revolutionären Flügel in der SPD nach Jahren innerparteilicher Kämpfe um einen sozialistischen Kurs zur Abspaltung eines Teils der Partei geführt, der zunächst zur Gründung der USPD und kurze Zeit später zur Gründung der KPD führte. In der deutschen Nachkriegsgeschichte gab es innerhalb der SPD ebenfalls konfliktreiche Auseinandersetzungen über den Kurs der Partei, die mit ihrem Mehrheitsflügel die Anpassung an das kapitalistische System und die westliche Allianz durchsetzen konnte und die innerparteiliche Opposition wie u.a. Wolfgang Abendroth, den SDS und hunderte ihrer dissentierenden Mitglieder auf kaltem Wege aus der Partei ausschloss. Es ging immer um den in allen sozialistischen bzw. kommunistischen Parteien vorhandenen Konflikt zwischen zwei Linien:  einem systemimmanten bzw. reformistischen und einem auf die Überwindung des kapitalistischen Systems orientierenden antikapitalistischen Flügel.

Auch der aktuelle Konflikt bzw. Machtkampf innerhalb der Linken beruht auf diesen Traditionslinien. Wir erinnern uns, dass vor Jahren bereits Oskar Lafontaine mit einem konsequenten Kurs unter dem Motto „eine zweite SPD brauchen wir nicht“ von dem von Gregor Gysi und Dietmar Bartsch repräsentierten Flügel über einen längeren Zeitraum für seinen Kurs massiv attackiert wurde und dieser Grabenkampf nicht nur zu einem deutlichen Wähler*innenverlust führte, sondern auch der Ausstrahlung der Linkspartei erheblich schadete, indem nahezu 15.000 Mitglieder der Partei den Rücken kehrten. Die Konfliktlinien beruhten von Anfang einerseits auf einer von Lafontaine vertretenen Orientierung, die sich deutlich von der SPD absetzte, die keine Relativierung in der Friedenspolitik zuließ und die Agenda-Politik stark attackierte, was ihm in den bürgerlichen Medien den Ruf des Populisten und Egomanen einbrachte. Demgegenüber orientierten die Kräfte um Gysi und Bartsch auf einen deutlich gemäßigteren Kurs nach der Devise „Wir müssen Verantwortung übernehmen“, der bereits 1998 das erste Regierungsbündnis von SPD und PDS in Mecklenburg-Vorpommern zur Folge hatte und kurze Zeit später 2001 ein Regierungsbündnis in denselben Farben in Berlin ermöglichte. Beide von der SPD dominierten Regierungen orientierten auf Privatisierung des Wohnungsbaus, auf eine repressive Migrationspolitik in Form von Abschiebungen und setzten gegen die fortschreitende Neoliberalisierung im Bereich der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik kaum wesentliche Akzente, die die Lebensverhältnisse des unteren Drittels spürbar verbessert hätten. Die Regierungsbündnisse in Brandenburg und Thüringen stehen unter denselben Vorzeichen, da auch dort die Linksfraktion sich grundsätzlich einer neoliberalen Politik unterwirft, die u.a. auf Schuldenbremse und Abschiebungen setzt, aber ihre Repräsentanten nicht wahrhaben wollen, dass die Wähler*innen sie nach einiger Zeit dafür abstrafen, was die Ergebnisse der Bundestagswahl zweifellos zum Ausdruck gebracht haben.

 

 

Der aktuelle Streit ist Ausdruck zentraler Konfliktlinien

 

Auch Sahra Wagenknecht ist seit Jahren Hauptzielscheibe von Angriffen des bürgerlichen  Lagers in der Frage „rot-rot-grüner“ Regierungsbündnisse, die u.a. vom rechten SPD-Flügel wie Johannes Kahrs (Sprecher des wirtschaftsorientierten „Seeheimer Kreises“) gebetsmühlenartig den bürgerlichen Medien angetragen werden, dass man sich ein Regierungsbündnis mit Gregor Gysi vorstellen könne, aber auf keinen Fall mit der „Nationalistin“ Wagenknecht. Nun ist es kein Geheimnis, dass Katja Kipping seit vielen Jahren Teil der lange Zeit von Gysi repräsentierten Kräfte ist, die unter Aufgabe entscheidender programmatischer Positionen der Linkspartei alles daran gesetzt haben, auf Bundesebene ein solches Bündnis zu ermöglichen. Dies führte u.a. zu Äußerungen von Gysi, dass man in Regierungsverhandlungen ohne jegliche Bedingungen gehen sollte und dem nahezu abenteuerlichen Statement, dass DIE LINKE angesichts des Erstarkens der AfD auch überlegen sollte, ein Regierungsbündnis mit der CDU einzugehen. Kritik daran aus dem  Reformerlager Fehlanzeige. Die letzten ergebnislosen Versuche des Kippingflügels bestanden in mehreren Gesprächsrunden von Teilen der Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen und Linkspartei, die aber nach wenigen Treffen vorzeitig wieder „beerdigt“ wurden, nachdem der für kurze Zeit als neuer Messias gefeierte Martin Schulz der SPD einen anderen Kurs verordnete und statt Linkspartei die Orientierung auf die FDP ausgab, was zweifellos zu einer erheblichen Ernüchterung innerhalb des regierungsaffinen Lagers in der Linkspartei geführt hatte. Diese sog. Gesprächsrunden wurden nicht von ungefähr an der Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht „vorbei“ geführt, da man sie dabei nicht gebrauchen konnte und wollte. Ebenso erfolgten diese Gespräche abseits vom Parteivorstand, was ein bezeichnendes Licht auf das Verständnis dieses Flügels von innerparteilicher Demokratie in der Partei werfen dürfte, und auch die Mitgliedschaft durfte bei dieser Inszenierung nur auf den Zuschauerrängen Platz nehmen.

 

Dennoch ist der flüchtlingspolitische Kurs der Linkspartei von zentraler Bedeutung

 

Die in der Linkspartei seit der verstärkten Zuwanderung von Flüchtlingen, aber auch von EU-Bürger*innen aus Rumänien und Bulgarien geführte Kontroverse hat sich vorrangig aufgrund der von Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht vertretenen Positionen entzündet, die sie sowohl anläßlich der ersten größeren Flüchtlingswellen 2015 bzw. Anfang 2016 erklärt haben, als auch  mit ihren Erklärungen unmittelbar nach der Bundestagswahl 2017 erneut bekräftigt haben.  Obwohl der Parteivorstand dazu eine eindeutigen Beschluss gefasst hatte, der sich unmissverständlich gegen Obergrenzen und für offene Grenzen ausspricht, versuchen beide immer wieder, diese von der Mitgliedschaft breit getragene Parteilinie zu relativieren. Während Oskar Lafontaine davon spricht, dass „der Schlüssel für die mangelnde Unterstützung durch diejenigen, die sich am unteren Ende der Einkommensskala befinden,  die verfehlte ‚Flüchtlingspolitik’“ sei und weiter, dass „eine linke Partei bei der Hilfe für Menschen in Not das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit nicht außer Kraft setzen darf“, erkläre Sahra Wagenknecht u.a. in der bürgerlichen Presse (Südwest-Presse): „Wir müssen sachlich diskutieren und seriöse Antworten finden. Das gilt für alle Themen, und das muss auch bei diesem Thema gehen. Es ist unstrittig, dass wir das Asylrecht verteidigen. Das Recht auf Asyl ist ein Grundrecht, das nicht weiter ausgehöhlt werden darf, aber es bedeutet nicht, dass jeder, der möchte, nach Deutschland kommen und hier bleiben kann.“

 

Da ist sie wieder, die umstrittene, aber letztlich falsche Position, dass nicht jeder, der möchte, nach Deutschland kommen und hier bleiben kann. Diese Position steht nicht nur mit einer universalistischen Position zu einem für eine linke Politik unverzichtbaren Gebot „Menschenrechte kennen keine Obergrenze“ in deutlichem Widerspruch, sondern sie geht auch einem von allen bürgerlichen Parteien vertretenen „Nützlichkeitsrassismus“ auf den Leim, wonach zahlreiche Staaten wie die Schweiz, USA, etc. nicht nur von der Visumspflicht, sondern auch vom Vorrangprinzip bei der Arbeitserlaubnis ausgenommen sind („Deutsche zuerst…“) und damit die Botschaft verbunden ist, Euch können wir gebrauchen, aber die anderen nicht. Dies wird von Migrationswissenschaftlern zurecht als „ethnische Hierarchisierung“ bezeichnet, der sich ein linker Anspruch kompromisslos verweigern sollte. Und da helfen auch keine „Treueschwüre“, wie sie von der Landessprecherin der LINKEN im Saarland versucht werden, die ihren Beitrag im ND vom 05.10.2017 mit der Überschrift präsentiert „Lafontaine hat das Recht auf Asyl nicht in Frage gestellt“ und meint, dass „das Konzept der offenen Grenzen den Gewinnern des Neoliberalismus zugute“ käme. Das Asylrecht muss Lafontaine auch nicht in Frage stellen, da die SPD im wesentlichen unter seiner Federführung dieses bereits vor über zwanzig Jahren weitestgehend amputiert hatte, als sie dem sog. Asylkompromiss am 24.05.1993 im Bundestag zustimmte. Auch damals knickte die SPD vor dem Trommelfeuer von rechts ein, nachdem eine größere Flüchtlingswelle aus den Bürgerkriegsländern des ehemaligen Jugoslawien nach Europa floh und mit monatelangen „Das Boot ist voll“-Parolen die bürgerlichen Medien mit dem rechten Lager von CDU/CSU das bis dahin einschränkungslos geltende Asylrecht nahezu sturmreif schossen.

 

Die aktuelle Auseinandersetzung führt aber auch deshalb zu Polarisierungen, weil diese falsche Flüchtlingspolitik von Lafontaine und Wagenknecht inzwischen zahlreiche Fürsprecher auf dem linken Flügel hat. So hat der bekannte Autor und Marxist, Andreas Wehr, in einem ND-Beitrag vom 13.10.17 nahezu pathetisch erklärt „Oskar Lafontaine hat Recht!“ und meint sogar, dass die Position der Linkspartei auf erhebliche Finanzierungsprobleme stoßen würde, wozu sie sich ausschweige. Dass DIE LINKE seit vielen Jahren den monströsen Reichtum konsequent anprangert und deshalb immer wieder erklärt „Wer den Reichen nichts nimmt, kann den Armen nichts geben“ und deshalb für eine deutliche Umverteilung eintritt, scheint Andreas Wehr wohl bewusst zu ignorieren. Aber nicht nur Andreas Wehr, sondern auch auch aus dem ansonsten konsequent antineoliberalen Lager wie den „Nachdenkseiten“ erhalten Wagenknecht und Lafontaine Schützenhilfe, wenn z.B. ihr Herausgeber, Albrecht Müller, erklärt: Zudem wird die Linkspartei nicht noch einmal mit den schönen, aber undifferenzierten Vorstellungen zur Flüchtlingspolitik in eine Bundestagswahl gehen können, ohne massiv abgestraft zu werden.“ Dass DIE LINKE bei der Bundestagswahl ihr zweitbestes Ergebnis erzielt hat, scheint Albrecht Müller nicht bemerkt zu haben. Dass sie in allen (!) westlichen Bundesländern deutlich zulegen konnte, darf offensichtlich nicht registriert werden. Und dass die deutlichen Verluste in allen östlichen Bundesländern (außer Berlin) möglichweise etwas mit der dortigen Politik ihres regierungorientierten Flügels zu tun haben könnten, auch das darf bei derartigen Schlussfolgerungen offensichtlich nicht in den Blick genommen werden. Es gibt keinen belegbaren kausalen Zusammenhang zwischen der Flüchtlingspolitik der LINKEN und dem Rückgang von Wähler*innen-Stimmen bei Arbeiter*innen und erwerbslosen Menschen. Sämtliche gegenteiligen Positionen beruhen auf unbewiesenen Hypothesen und Behauptungen.

 

Wagenknecht und Lafontaine stecken in einem Dilemma

 

Das eigentliche Dilemma der Positionen von Wagenknecht und Lafontaine in der Flüchtlingsfrage besteht jedoch darin, dass sie ihren Gegnern in Partei und anderen regierungsorientierten Flügeln (z.B. das von Katja Kipping repräsentierte „Institut für Solidarische Moderne“) nahezu einen roten Teppich ausrollen, da diese ihre grundsätzliche Gegnerschaft mit breiter Unterstützung aktuell an ihren flüchtlingspolitischen Positionen festmachen und damit ihren reformistischen Kurs aus der Schusslinie nehmen können. Um deutlich zu machen, worin dieser reformistische Kurs besteht, sei u.a. darauf verwiesen, dass z.B. die zunächst von dem Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn, der seit langem zum Lager um Gysi, Bartsch und Kipping  zu rechnen ist, verfasste „Wahlstrategie“ der Partei in erster Linie sich auf die Abwahl von Merkel konzentrierte und die verheerende Agenda Politik von SPD und Grün aus der Schusslinie nahm. Aufgrund massiver und vornehmlich vom linken Flügel vorgetragener Kritik im Parteivorstand musste Höhn sein Papier zurückziehen. Eine ähnliche Orientierung verfolgte er als Bundeswahlkampfleiter mit den zentralen Wahlplakaten im Bundestagswahlkampf, bei denen überwiegend „Wohlfühl“-Losungen im Vordergrund standen und auf eine deutliche Anklage neoliberaler Verhältnisse verzichtet wurde. Diese Orientierung erfolgte mit Zustimmung von Kipping und und leider auch Riexinger, allerdings gegen den Widerspruch von Wagenknecht.

 

Dass der überwiegend reformistische Kurs von Kipping und Riexinger zwar temporäre Wahlerfolge erzielen kann, aber auf Dauer zum Scheitern verurteilt ist, beweisen nachdrücklich entprechende Entwicklungen in Italien, Frankreich  oder den skandinavischen Ländern, wo sich ebenfalls kleine Linksfraktionen bereits vor Jahren immer wieder in Regierungsbeteiligungen einem auf Neoliberalisierung und Militarisierung orientierten Kurs der dominierenden Sozialdemokratie untergeordnet haben und damit kläglich gescheitert sind. In  Frankreich und Italien spielen beide Linksparteien (KPF und KPI) heute nahezu keine Rolle mehr und haben dazu beigetragen, dass sich kleinere Flügel abgespalten bzw. neue Formationen gebildet haben. Florian Wilde (ehemaliges Mitglied des Parteivorstandes) hat in seinem im ND vom 13.02.2017 veröffentlichten Beitrag daraus überzeugend geschlussfolgert, dass „der Weg sozialökologischer Transformationen durch Regierungsbeteiligungen gegenwärtig versperrt ist.“

 

Dass es anders gehen kann, zeigen die Verhältnisse in Großbritannien oder Frankreich heute. Corbyn hat mit einem deutlichen antikapitalistischen und linkspopulistischen Kurs erreicht, dass seine Labourpartei in wenigen Monaten nicht nur einen massiven Mitgliederzuwachs verzeichnen konnte, sondern er damit auch in der Lage war, den rechtssozialdemokratischen Flügel um Tony Blair entscheidend in die Schranken zu weisen. Ebenso gelang es Melenchon mit einer scharfen Anklage gegen das Establishment („France insoumie“) beinahe in die Stichwahl bei der französichen Präsidentenwahl zu gelangen und füllte bei seinen Wahlkampfveranstaltungen Stadien mit 80.000 Menschen wie in Tolouse.

 

Mehr Machtzuwachs kann Die LINKE nicht durch Wahlen, sondern nur mit einem entschiederen antikapitalistischen Kurs erreichen

 

Einen solchen antikapitalistischen Kurs à la Corbyn wird Wagenknecht und der sie stützende Parteiflügel aber nur durchsetzen können, wenn sie im Gegensatz zu ihrer bisherigen Strategie den Parteivorstand konsequent einbindet und sich vor allen Dingen stärker an der außerparlamentarischen Bewegung orientiert, die in der Flüchtlingsfrage vorrangig das herrschende Machtkartell bekämpft und den Widerstand auf die Straße trägt, sei es bei den dutzenden Gegenmobilisierungen anlässlich rassistischer Anschläge, seien es die bundesweit Monat für Monat erfolgten Proteste gegen Pegida-Aufmärsche oder sei es aktuell die  vor dem Bundestagsgebäude organisierte Kundgebung mit ca. 12.000 Menschen gegen den Einzug der AfD in den deutschen Bundestag.

 

Die notwendige antikapitalistische Orientierung hängt aber noch mit einem weiteren zentralen Problem zusammen, das seit Gründung der LINKEN im Jahre 2007 ein ständig umkämpftes Terrain ist. Von Anfang an war die Linkspartei aufgrund des starken Einflusses der PDS mehr eine Wahlpartei, als eine bewegungsorientierte Formation, die ihren Schwerpunkt auf die Entwicklung außerparlamentarischer Bewegungen und Kämpfe gelegt hätte. Sie wird deshalb im Osten überwiegend als Partei des Establishments bzw. als eine „Regierungspartei im Wartestand“ wahrgenommen, aber nicht mehr als Partei, die sich mit den herrschenden Machtverhältnissen konsequent anlegt, statt sie überwiegend nur besser verwalten zu wollen. Dieses Politikverständnis kommt insbesondere auch darin zum Ausdruck, dass der für eine linke Partei wesentliche Grundsatz der Trennung von Amt und Mandat von einem großen Teil der Parteiführung zu den Akten gelegt worden ist, da nicht nur Kipping gleichzeitig Bundestagsabgeordnete und Parteivorsitzende ist, sondern auch der überwiegende Teil des geschäftsführenden Parteivorstands sitzt einerseits im Parlament und soll andererseits das Primat der Partei sicherstellen. Dieses einer Quadratur des Kreises gleichende Politikverständnis schwächt eine auf Überwindung des kapitalistischen Systems orientierte Partei, da sie nicht mehr durch ihre Parteiführung die erforderliche „Richtlinienkompetenz“ hat, an der sich ihre Fraktionen zu orientieren haben. Die Folge davon ist die weitestgehende Verselbstständigung des parlamentarischen Flügels, der seine Politik nicht mehr mit der Partei abstimmt, bevor er an die Öffentlichkeit tritt oder seine politischen Vorstellungen und Initiativen ins Parlament trägt. Auch Sahra Wagenknecht ist seit vielen Jahren eine „eingefleischte“ Parlamentarierin und muss sich der Kritik stellen, dass sie ihre Politik in einem zu geringen Maße mit der Partei rückkoppelt bzw. überwiegend nicht an Parteivorstandssitzungen teilnimmt, wo der zentrale Ort ist, an dem außerhalb von Parteitagen die wesentlichen Entscheidungen diskutiert und getroffen werden.

 

Es wäre Sahra Wagenknecht als der „Frontfrau“ der Linkspartei zu wünschen, dass sie diesen Grundsatz in Zukunft stärker zur Richtschnur ihres politischen Handelns macht und im Sinne einer widerstandsfähigen und antikapitalistischen Linken auf die außerparlamentarischen Bewegungen stärker zugeht, um mit ihnen gemeinsam ihre Positionen zu entwickeln. Denn nur sie sind es, die letztlich Massenbewegungen erzeugen und die herrschenden Verhältnisse ins Wanken bringen können, aber weder ständige Fernseh-Auftritte noch das Agieren in bürgerlichen Parlamenten, so gut die Linksfraktionen in ihnen auch sein mögen. Oder um es mit Ekkehard Lieberam zu sagen: „Die neoliberale Politik kann nicht einfach abgewählt werden, sondern muss in länger andauernden geschichtlichen Kämpfen um ‚Reform und Revolution‘ gestoppt und bezwungen werden. Dabei spielen Wahlkämpfe eine wichtige, aber in der Regel eine begrenzte Rolle.“