Bericht zur Sitzung des Parteivorstandes vom 25./26. Februar 2017

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1. Im regelmäßig die Sitzung eröffnenden Tagesordnungspunkt „Aktuelle Politik“ bilanzierte der Vorsitzende Bernd Riexinger die abgeschlossenen vier Regionalkonferenzen zur Wahlprogrammdebatte. Sie waren mit 600 bis 700 Teilnehmer*innen relativ gut besucht und bestanden jeweils aus einer Plenumsdebatte und folgenden Arbeitsgruppen zu den wichtigsten Programmkapiteln.

Der vom Parteivorstand gestartete Sloganwettbewerb wurde gut angenommen. Bisher wurden 429 Slogans eingereicht. Der Wettbewerb läuft noch bis zum 16. März, beteiligen könnt ihr euch hier:

https://www.die-linke.de/die-linke/wahlen/slogan/

Zur Lage in der Türkei nahm der Parteivorstand (PV) einstimmig eine Solidaritätsresolution mit den verfolgten HDP-Politiker*innen und Journalist*innen an und erklärte sich solidarisch mit den politischen Kräften, die für ein Nein beim Verfassungsreferendum in der Türkei werben (ist bereits auf diversen Online-Formaten veröffentlicht).

Unterschiedlich wurde die sich immer deutlichere abzeichnende Schwerpunktsetzung in der Außen- und Militärpolitik der neuen Trump-Regierung in den USA eingeschätzt. Aber der sich offenkundig abzeichnende Versuch der deutschen Regierung, die Akzeptanz einer deutlichen Erhöhung der Rüstungsausgaben in Deutschland und Europa mit dem Verweis auf die Trump-Politik zu erhöhen, wurde von allen kritisiert. Daraus werden sicher ein Schwerpunkt im Wahlkampf und eine aktuelle Aufgabe der Friedensbewegung erwachsen.

Es gab den Vorschlag, sich ausführlicher mit den ökonomischen und politischen Auswirkungen der US-Wahl zu beschäftigen.

Die Bemühungen, die Autokonzerne PSA (Citroen-Peugeot) und Opel zu fusionieren hat einmal mehr die Aufgabe der LINKEN angesprochen, grundsätzliche Alternativen zum „Automobilismus“ und den privaten Autokonzernen aufzuzeigen. Bernd Riexinger hatte mit einem Pressestatement zu Opel diese Perspektive aufgezeigt (Verstaatlichung und Aufbau eines umfassenden Mobilitäts-Unternehmens).

Unterschiedlich wurde die neue Krisenlage in Griechenland bewertet. Die (leider auch diesmal abwesende) Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht wurde diesmal von einigen von rechts kritisiert, weil sie gegenüber der Presse an das Recht der griechischen Bevölkerung erinnert hat, den Euro-Raum zu verlassen und dass dies als eine ernsthafte Alternative diskutiert wird. Dagegen wurde von Axel Troost u.a. die positiven Möglichkeiten angeführt, dass die Syriza-Regierung aus „eigener Kraft“ wieder zu Wirtschaftswachstum zurückfinden könnte.

Die Wahl des Bundespräsidenten und das Ergebnis unseres Kandidaten Christoph Butterwegge wurde als eine gelungene Intervention der LINKEN bewertet.

Es gab Berichte von der Kampagne in den Krankenhäusern für mehr Personal und Diskussionen zum Thema Altenpflege. Am 8. März kommt es zu einer großen Demonstration im Saarland, zu der auch aus NRW mobilisiert wird. DIE LINKE beteiligt sich mit eigenen Verteilaktionen vor Krankenhäusern am 8. März und ist darüber hinaus am Tag der Pflege (12.Mai) aktiv. Die Linksfraktion bereitet für den 24./25. Juni einen wichtigen Ratschlag zum Thema Gesundheit und Pflege vor. Es ist möglich, dass es im Bundestagswahljahr zu Streiks in dem Bereich kommt.

Die Genossinnen, die in der Führung der Europäischen Linken (EL) aktiv sind, berichteten über die ersten Sitzungen nach der Neuwahl des Vorstands und der Amtsübernahme des Vorsitzendenpostens durch Gregor Gysi. Die EL wird bei den G20-Protesten eine Präsenz haben. Es wurde auf die dritte Mittelmeerkonferenz hingewiesen, die Ende März/Anfang April stattfindet.

Weitere Themen waren u.a. die Abschiebungen nach Afghanistan, der Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst/Länder, die französischen Präsidentschaftswahlen, die Proteste gegen den AfD-Bundesparteitag.

2. Der PV bilanzierte die Arbeit der Kommission Politische Bildung. Der Aufwand der Partei für die politische Bildung ihrer Mitglieder und UnterstützerInnen wächst kontinuierlich und eine neue Generation von Teamer*innen ist mittlerweile aktiv.

Die Kommission wurde neu besetzt und berufen.

Auch die Historische Kommission beim PV berichtete über ihre Funktion und ihre Arbeit. Eine Neuberufung wurde auf die nächste Sitzung vertagt, da es Uneinigkeit über einzelne vorgeschlagene Mitglieder gab. Thies Gleiss schlug darüber hinaus die Abschaffung der Kommission vor.

Einstimmig beschlossen wurde die Durchführung einer Konferenz zum Epochenbruch 1914-1923 (Krieg, Frieden, soziale Revolutionen).

Der PV dankte den Mitgliedern beider Kommissionen.

3. Der gesamte Komplex Bundestagswahl (Programm der LINKEN und aktuelle Lage nach der faktischen Nominierung von M. Schulz zum SPD-Kanzlerkandidaten) wurde aus der Diskussion zur aktuellen politischen Lage ausgelagert und in Blöcken diskutiert.

Der Vorschlag der Parteivorsitzenden zum Wahlprogramm der LINKEN wurde auf Regionalkonferenzen bereits diskutiert. Mehrere PV-Mitglieder, Gremien der Partei und Zusammenschlüsse haben bereits mit Anregungen, Lob und Kritik reagiert. Auf Basis dieser Vorschläge wird eine neue Fassung erarbeitet. Nach einer weiteren Diskussionsrunde wird auf der PV-Sitzung am 1. April (kein Scherz) das Programm als Antrag des PV an den Parteitag verabschiedet.

Auf dieser PV-Sitzung wurde die Debatte in drei Bereichen fortgesetzt: Unsere Haltung zum Sozialstaat, unsere EU-Kritik und die aktuelle Bedeutung der Schulz-Kandidatur.

  1. Zur linken Position des „Sozialstaats“ gab es ein längeres Papier und eine mündliche Einleitung von Ralf Krämer. Dabei ging es um Fragen des Verhältnisses von Staat und Ökonomie (wie unabhängig ist der Staat von sozialökonomischen Interessen und von der Ökonomie), des Charakters des „Sozialstaats“ und der Idee einer „Leistungsgerechtigkeit“ im Kapitalismus und die Vermittelbarkeit unserer Transferleistungsforderungen gegenüber Menschen in Erwerbsarbeit. Die vorgestellten Thesen wurden sowohl aus feministischer als auch aus marxistischer Sicht deutlich kritisiert. Aber diese Debatte wird die LINKE noch lange begleiten und wurde folglich auch an diesem Wochenende nicht beendet.
  1. Zum Thema Europaposition und EU-Kritik lagen Stellungnahmen einer Reihe von Genoss*innen vor, die eine viel positivere zu „Europa“ (ist ja auch ein wirklich schöner Erdteil) und zur EU verlangten als die im bisherigen Wahlprogrammentwurf. Sie wurden von den AKL- und anderen PV-Mitgliedern deutlich zurückgewiesen, die eine eher noch kritischere Bewertung der EU verlangten. Auch diese Debatte wird munter weiter gehen.
  1. In der Bewertung des momentanen Hypes um die Person Schulz und den Aufschwung der SPD in den Umfragen gab es verschiedene Einschätzungen, die teilweise auch die bekannten „links-rechts“-Fronten im Parteivorstand durcheinander würfelten. Betont wurde, dass Schulz nur die hart „arbeitende Mitte“ anspricht und de facto nichts für Hartz-IV-Bezieher*innen und Prekarisierte anbietet und auch zu manchen Themen sehr wenig oder nichts anbietet wie zu Rente, Mindestlohn, Rüstungsausgaben und Erbschaftssteuer. Die Diskussion drehte sich vor allem darum, wie DIE LINKE mit Schulz umgehen sollte (von den Positionen „offene Kritik an seiner Politik zu üben“ über „durch eigene Inhalte treiben und Forderungen stellen“ bis zur Position „Korrektiv zu sein“ war viel dabei). Es wurde auch auf eine Umfrage verwiesen, derzufolge 57 Prozent der Bevölkerung Schulz ‚Aussagen nicht für glaubwürdig halten.

Strittig war, ob Schulz die Perspektiven einer „rot-rot-grünen Regierungsübernahme“ verbessert hat oder ob er nicht eher der perfekte Kandidat der großen Koalition mit mehr SPD-Einfluss ist. Auch hier werden die nächsten Wochen zeigen, in welche Richtung sich die Sache entwickelt und ob die SPD das Umfragehoch halten kann.

4. Ein Papier zum „Umgang mit der AfD“ wurde diskutiert und zur weiteren Verarbeitung an das Wahlbüro überwiesen.

5. Es wurde der Finanzplan 2017 angenommen, inklusive der – ziemlich teuren – Durchführung des kommenden dreitägigen Parteitags in Hannover.

Dieser Parteitag wurde auch offiziell und mit Tagesordnung für den 9.-11. Juni in Hannover einberufen. Er wird um 15 Uhr beginnen. Zum ersten Mal ist das Frauenplenum integrierter Teil des Parteitags, das am 9. Juni von 15:30h-17:30h stattfinden wird. Antragsschluss für den Parteitag ist der 27. April. Antragsschluss für eingereichte Änderungsanträge ist der 25. Mai.

Es soll versucht werden, auf diesem und allen weiteren Parteitagen auch ein kostengünstiges veganes Mittagsmahl anzubieten, eine Subventionierung von Genoss*innen ist zudem möglich.

Ein ausführlicher Antrag der BAG Netzpolitik, der die Anwendung von elektronischen Abstimmungsgeräten auf Parteitagen nach eigenen Aussagen sicherer regeln wollte, wurde kontrovers diskutiert und knapp abgelehnt. So bleibt es bei den bestehenden Regelungen durch den Parteitag.

Weitere Beschlüsse zu Finanzen betrafen Zuwendungen an zwei Landesverbände und die externen Publikationen der Zusammenschlüsse.

7. Der PV hat politische und finanzielle Unterstützung beschlossen

  • für unseren Auftritt beim Deutschen Städtetag
  • für die Aktionen und Materialien zum Frauentag
  • für die Unterstützung der Aktionen zum G-20-Treffen in Hamburg Anfang Juli
  • für die Unterstützung der Aktionen gegen den AfD-Bundesparteitag am 22. April in Köln

8. Außerdem: Der PV

– nahm einen Antrag zur Solidarität mit der irischen Kampagne „Jobstown not guilty“ an, der sich um Unterstützung irischer linker AktivistInnen bemüht, die unter heftigen juristischen Pressionen leiden.

– schloss sich der Stellungnahme des Landesverbands der LINKE NRW zum Thema Sexismus an.

– verabschiedete ein längeres Papier aus den Reihen des SDS und unserer Hochschulexpert*innen, das sich mit dem Komplex „Duales Studium“ befasst und linke Forderungen dazu entwickelt. Auch das Papier ist online bereits veröffentlicht.

Thies Gleiss, Lucy Redler

28.02.2017