Alternativen zum Eurosystem und zum Entwicklungspfad der EU

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Die EU ist in einer tiefgreifenden Krise – in immer mehr Mitgliedsländern wächst die Einsicht, dass mit dieser EU kein Staat zu machen ist. Input von Inge Höger auf der Euro-Konferenz der AKL im Januar 2017 in Düsseldorf

Eine Mehrheit der Bevölkerung in Großbritannien hat für den Austritt aus der EU gestimmt und der Amtsantritt von Donald Trump verschlechtert die Bedingungen. Theresa May war gerade zum Antrittsbesuch in den USA, um für die Zeit nach dem Brexit die bestehenden guten Handelsbeziehungen mit den USA zu vertiefen.

Donald Trump hat mit seinen Ankündigungen von Schutzzöllen die EU und insbesondere die deutsche Exportwirtschaft erschüttert. Die USA fahren seit Jahrzehnten riesige Handelsbilanz-Defizite ein. Trump hat angekündigt, dass zu ändern. Besonders betroffen wäre die deutsche Exportindustrie. Ihre anhaltend hohen Exportüberschüsse müssen andere Länder bezahlen. Lange Zeit kam der Schwung für die deutschen Exporte aus dem Euroraum und der EU. Inzwischen sank der Anteil der Exporte in EU-Länder von 46,5 % im Jahr 1995 auf 36,5 % in 2015. Insbesondere die südeuropäischen Länder fielen aufgrund der Bankenrettungs- und Austeritätspolitik als Abnehmer aus und auch der russische Absatzmarkt ist durch die Sanktionspolitik versperrt. So wurden die USA zum größten Abnehmer deutscher Produkte. Auf Platz drei folgte Großbritannien. Deshalb sind sowohl Trumps Ankündigungen als auch der Brexit für die deutsche Wirtschaft ein schwerer Schlag.

Die Antwort aus der EU sowohl auf die krisenhafte Entwicklung als auch die aktuellen Herausforderungen ist die Formulierung eigener aggressiver wirtschaftlicher und weltpolitischer Ansprüche. Die EU hat zwar bisher ihr Ziel nicht erreicht, der stärkste Wirtschaftsraum der Welt zu werden, setzt aber weiter auf Freihandel innerhalb eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes als auch mit dem Rest der Welt und auch mit den USA und Kanada. CETA passierte vor einigen Tagen trotz massiver Proteste der Zivilgesellschaft den Handelsausschuss des EP. Wenn Trump sich jetzt gegen Freihandel ausspricht, ein Auseinanderbrechen der EU begrüßt und der deutschen Autoindustrie mit Importzöllen droht, ist das eine Drohung insbesondere auch an die deutsche Industrie, die sich den Euroraum für ihre expansive Handelspolitik unterworfen hat.

Die Antwort von Kommissionspräsident Junker und der EU-Institutionen ist eine weitere Zentralisierung der EU-Politik durch ein eigenes Außenministerium, Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungszusammenarbeit und der Aufbau einer EU-Armee sowie Sicherung der Außengrenzen gegen die Folgen der Freihandels- und Kriegspolitik in Form von Flüchtlingen.

In Deutschland wird schon länger die Idee der Europäischen Union der zwei Geschwindigkeiten verfolgt, mit einem Kerneuropa der wirtschaftlich starken und einem Randeuropa der schwächeren Mitgliedsländer. Dies war lange CDU-Position, wurde aber aktuell von dem ins Außenministerium wechselnden SPD-Minister Gabriel wieder ins Gespräch gebracht. Die SPD hat in diesem Zusammenhang auch gleich einen neuen Kanzlerkandidaten gekürt, der als ehemaliger Vorsitzender des Europaparlaments für ein positives Bild der EU und eine Stärkung der EU werben soll.

Die EU soll im Interesse des deutschen Imperialismus trotz aller Brüche reorganisiert werden. Das ist für die herrschenden Eliten gerade nach Brexit und Trump eine wichtige Aufgabe. Wie es ausgehen wird, können wir nicht voraussagen. Aber klar ist, dass die EU nicht einfach an ihren inneren Widersprüchen zerbrechen wird.

Die Verhältnisse ändern im Interesse der Arbeiterklasse, der Lohnabhängigen und Erwerbslosen, der Schüler*innen und Studierenden und der Rentnerinnen und Rentner müssen wir schon selber tun. Das ist eine Kernaufgabe für linke Parteien in Europa.

DIE LINKE in NRW hat in ihrem Landtagswahlprogramm festgestellt:

„Das deutsche Kapital dominiert den Euroraum, sowohl wirtschaftlich als auch politisch. In Ländern wie Griechenland und Italien, Portugal und selbst Frankreich führte diese Dominanz zu beschleunigter Deindustrialisierung… Die sogenannten Eurorettungspakete waren nichts weiter als Finanzhilfen für die Banken. Bezahlen müssen die arbeitenden Menschen durch weiteren Abbau sozialer Standards und Infrastruktur in allen Ländern der Europäischen Union.

Wir sind solidarisch mit den Kämpfen der Beschäftigten in Deutschland, Griechenland, Italien, Spanien und allen anderen Ländern. Statt einer Politik im Interesse der Konzerne treten wir für soziale und ökologische Standards ein. Wir wollen mit den Menschen, die von der Verarmungspolitik der EU betroffen sind, gemeinsam erfolgreich gegen die herrschende Austeritätspolitik vorgehen…

Sollte sich der Euro aber als dauerhaft unvereinbar mit einer auf sozialen Ausgleich setzenden Politik erweisen, dann darf der Bruch mit dem Euro kein Tabu sein. Die Länder, die den Euro verlassen wollen, um eine progressive Sozial- und Wirtschaftspolitik durchzusetzen, können sich auf unsere Solidarität verlassen…“

DIE LINKE in NRW hat hier klar gemacht, dass DIE LINKE die Kämpfe der Arbeitenden in anderen Ländern unterstützt und dies erst recht, wenn diese die Zwangsjacke des Euro verlassen und Währungssouveränität herstellen wollen. Gerade dann brauchen sie unsere Solidarität, gerade dann müssen wir für eine Veränderung der Verhältnisse eintreten.

Im Programm heißt es weiter:
„Das bestehende Euro Regime, also die Währungsunion mit den vertraglich verankerten Institutionen und Regeln des EZB-Eurosystems ist mit einer sozialen und demokratischen Entwicklung Europas unvereinbar. DIE LINKE ist daher bereit, den Euro als Gemeinschaftswährung in Frage zu stellen.“

Wenn wir Veränderungen der herrschenden neoliberalen Politik wollen, müssen wir das Euro-Regime in Frage stellen. Wir dürfen uns als Linke nicht einer angeblich neutralen Währung unterwerfen. Von den Wissenschaftlern Martin Höpner und Paul Steinhardt haben wir gelernt, dass ein linker Neustart mit den Regeln der EU nicht zu machen ist. Und auch, dass eine möglichst einvernehmliche Auflösung des Euro notwendig ist, um eine eigenständige Geldpolitik für Investitionsprogramme gegen Deindustrialisierung und Sozialabbau zu ermöglichen. Ansonsten droht die ungeordnete Auflösung des Euroregimes.

Das Beispiel Griechenland hat gezeigt, dass die EU und ihre festgeschriebenen Institutionen und Regeln innerhalb des Euroraums keine Möglichkeiten für einen eigenständigen Entwicklungsweg lassen. Merkel und Schäuble haben der linken Syriza-Regierung ein härteres Sparprogramm aufgezwungen, als den Vorgängerregierungen. Ein andere Politik gegen Banken und Konzerne wäre nur möglich gewesen durch einen Austritt aus dem Euro verbunden mit Maßnahmen für einen eigenständigen Entwicklungsweg: die Übernahme der Zentralbank verbunden mit Kapitalverkehrskontrollen und der Vergesellschaftung von wichtigen Industriezweigen und der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Als LINKE müssen wir alle Möglichkeiten unterstützen, die sich gegen die Macht des Kapital in der EU und hier natürlich insbesondere der Macht des deutschen Kapitals und der deutschen Exportindustrie richten. Der Hauptfeind steht im eigenen Land und das deutsche Kapital saugt seine Stärke zunächst aus den in Deutschland arbeitenden Menschen durch massiven Lohnraub und Sozialabbau und Ausweitung des Niedriglohnsektors. Wir kämpfen in Deutschland für Lohnerhöhungen und den Erhalt und Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Dazu sind Massenmobilisierungen notwendig für Lohnerhöhungen und gegen Niedriglöhne und Sozialabbau, aber auch Maßnahmen des Ausstiegs aus den Verpflichtungen der Verträge von Maastricht und Lissabon.
Wir wollen eine Änderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse mit dem Ziel des demokratischen Sozialismus. Jede Schwächung des Kapitals verbessert unsere Kampfbedingungen. Deshalb stehen wir solidarisch an der Seite von linken Parteien in anderen EU-Ländern, die sich der Austeritätspolitik widersetzen. Es geht darum, Alternativen zum neoliberalen Integrationsmodell der EU zu entwickeln. Eine geordnete Auflösung des Euroraumes würde die Voraussetzungen für gesellschaftliche Veränderungen in den einzelnen Ländern verbessern.

Ein neuer linker Internationalismus ist nur möglich auf Grundlage souveräner Volkswirtschaften. Die EU lässt durch ihre Verträge und Konstitution keinen Raum für eine demokratische Entwicklung, sie ist den herrschenden Kapitalfraktionen und Markt und Wettbewerb verpflichtet, das europäische Parlament hat kaum Kompetenzen, die Entscheidungen werden von den nationalen Regierungen und der Kommission und den Institutionen gefällt.

Ein Austritt aus dem Euro und der EU gibt die Möglichkeit – nicht die Sicherheit – einer antikapitalistischen Perspektive. Für die einzelnen Schritte und Möglichkeiten haben linke Ökonomen Programme und Perspektiven entwickelt, die alle zeigen dass mit einem Austritt aus dem Euro nationale Entwicklungen, ein Ende der Deindustriealisierung, der Aufbau einer nationalen Wirtschaft und ein Ende der Abhängigkeit von Importen möglich ist. Lasst uns einen Pfad für gerechte und soziale Entwicklungen, für einen neuen Internationalismus beschreiten.

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