Zum Papier von Mathias Höhn „Strategischer Ansatz für die Bundestagswahl 2017“

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Das einzig Positive, was man über das sog. „Strategiepapier“ des Bundesgeschäftsführers Mathias Höhn sagen kann, nachdem es – vor den Parteimitgliedern – an die Presse weitergeleitet wurde: Es ist nur ein „Entwurf“, der so auf keinen Fall vom Parteivorstand beschlossen werden dürfte. Er wird hier ausführlich zitiert, damit die Parteibasis vor der Entscheidung des PV nicht mehr allein auf die Appetithäppchen der bürgerlichen Medien angewiesen bleiben.

Von Heino Berg, Göttingen

Der größte Teil des 21-seitigen Textes ist schwer zu kommentieren, weil er sich auf substanzlose Worthülsen beschränkt. Kostprobe? Die Behauptung, dass „es einen Unterschied macht, ob Linke in der Regierung sind oder nicht“ (S.16), wird nicht etwa mit realen Verbesserungen durch die Thüringer Regierung (Abschiebungen?), sondern folgendermaßen begründet: „Die LINKE kann, wenn sie will.“ (S. 16) Erwähnenswert ist allerdings, dass die Ziele unserer Partei, die über die Verwaltung des Kapitalismus hinausgehen, von Höhn genauso wie von der SPD in ihrem Hamburger Programm jetzt als „Utopien und Visionen“ (S. 15), also als Gegenstand von Sonntagsreden und nicht mehr als Maßstab für die tatsächliche Politik unserer Partei eingestuft werden. Und dass im gesamten Text nirgendwo von Lohnabhängigen, geschweige denn von Klassen die Rede ist. FacharbeiterInnen sind für Höhn nicht mehr Teil der Arbeiterklasse, sondern „der abstiegsbedrohten Mittelschicht“. (S.17)

Nach den katastrophalen Einbrüchen der LINKEn in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, wo Die LINKE sich als Regierungspartner angedient hat und der Wut der Bevölkerung auf die „etablierten Parteien“ deshalb keine Stimme mehr verleihen konnte, will Höhn der LINKEN noch mehr von dieser tödlichen Medizin verpassen: Die LINKE soll nun doch auf eine Regierungsbeteiligung im Bund eingeschworen werden, welche die Parteivorsitzenden noch vor wenigen Monaten als vollkommen unrealistisch bezeichnet hatten. Dafür beschreibt das Höhn-Papier die LINKE jetzt selbst als „etablierte Partei“ und wirbt dafür, die „frühere Oppositions- und Protestrolle“, mit der die LINKE stark geworden ist und die heute mehr denn je gebraucht wird, endgültig gegen Ministerpöstchen von Gabriels Gnaden einzutauschen:„Wir sitzen zwischen Stühlen: Einerseits sind wir nicht mehr in der Oppositions- und Protestrolle früherer Jahre. Wir regieren nicht, wir stellen einen Ministerpräsidenten“.(S. 20) Der Feststellung, dass „ ein Großteil der Bevölkerung das Gefühl hat, dass von etablierter Politik nichts mehr zu erwarten ist“, soll Die LINKE abstrakte Appelle folgen lassen: „So nachvollziehbar mancher Frust ist, die Hoffnung muß zurück. Mit der LINKEN muss sich Hoffnung verbinden.“ Es ist einfach unredlich, wider besseres Wissen der Bevölkerung haltlose Illusionen in die Bereitschaft der SPD zu vermitteln, für soziale Verbesserungen oder gar für einen wirklichen Politikwechsel bereit zu stehen. Die Hoffnung auf Veränderungen kann sich nur aus dem Engagement der Betroffenen selbst entwickeln – und nicht durch Stellvertreterpolitik als Juniorpartner von Kriegs- und Kürzungsparteien!

Zu Merkel fällt Höhn folgendes ein: „Merkels Kurs (der angeblich „humanitäre Umgang mit Geflüchteten“) hat auch die Wirkung, linke Kritik zumindest teilweise vereinnahmen zu können, weil einer Positionierung für Weltoffenheit dem Merkel-Lager zugerechnet wurde und scheinbar Regierungshandeln war.“ Auf genau diese beliebigen Floskeln von „Weltoffenheit, Humanität und eine solidarische Flüchtlingspolitik“ (S.15) konzentriert sich Höhn jedoch in seinem Strategiepapier, anstatt sich eindeutig gegen alle Abschiebungen und für ein Bleiberecht von Geflüchteten auszusprechen.

Dem Geschäftsführer und designierten Wahlkampfleiter Höhn geht es in seinem Papier ausschließlich um die Festlegung auf Rot-Rot-Grün für den Bund. Aus diesem Grund unterscheidet er im neoliberalen Parteienkartell die sog. „Gegner“, also CDU/CSU und AfD einerseits und die „Konkurrenz“, also SPD und Grüne andererseits. (S.11) Bei der SPD, die allen neoliberalen Schweinereien in der Innen- und Außenpolitik zugestimmt hat, sei noch offen, „ob von einem linken Kurswechsel gesprochen werden kann.“ (S.11) Da die SPD für Höhn eben kein Gegner, sondern ein konkurrierender Partner im vermeintlich linken Lager ist, dessen Existenz die Parteivorsitzenden vor dem Magdeburger Parteitag immerhin noch ausdrücklich bestritten hatten, sollen wir uns nun doch für ein Regierungsbündnis mit Kriegs- und Kürzungsparteien begeistern, weil… „ohne eine Bündnisoption von SPD und LINKEN die Union nicht aus dem Kanzleramt verdrängt werden kann.“ (S.11) Höhn verschweigt, dass die CDU schon jetzt keine eigene Mehrheit mehr im Bundestag hat und deshalb auch ohne ein rot-rot-grünes „Regierungsbündnis“ aus dem Kanzleramt verdrängt werden könnte, wenn die SPD das ernsthaft wollte. Warum sollten wir für einen bloßen Kanzlerwechsel in einer Regierungskoalition die Mitverantwortung für die neoliberale Politik von SPD und Grünen übernehmen?

Für ein solches Regierungsbündnis definiert das Strategiepapier keine Mindestbedingungen, sondern spricht lieber nur noch vom „Einstieg in Reformprojekte“. Höhn überprüft auch nicht, ob die bisherige und aktuelle Kriegs- und Kürzungspolitik von SPD und Grünen die Mindestbedingungen des Erfurter Programms erfüllt bzw. ob sie dies durch einen Kurswechsel wenigstens glaubhaft in Aussicht gestellt haben, sondern sagt lediglich, dass „unser Grundsatzprogramm gilt“. (S.16) Wenn das Erfurter Programm nach eigenem Bekunden auch für den Bundesgeschäftsführer Gültigkeit behält, ist das nur wenig beruhigend.

Da es für Höhn nicht mehr um die tatsächlichen Lebensbedingungen der Bevölkerung, sondern darum geht, wie sie sich „fühlt“ und worauf sie seiner Meinung nach „hoffen“ sollte, ist für ihn das „erfolgreiche Mitregieren“ der LINKEN kein Mittel mehr, sondern ein Selbstzweck, der wegen seiner angeblich “mobilisierenden” Wirkung nicht mehr mit der Eignung der umworbenen Koalitionspartner begründet werden muss: „Die LINKE in die Bundesregierung und einen Politikwechsel wählen, das hat einen politischen Effekt, das provoziert. Dieses Szenario, die politische Option kann 2017 mobilisieren, vor allem im Osten. Diese Option wäre es völlig Neues, etwas völlig anderes.“ (S.20) Leider ist die Beteiligung von linken Parteien an (Bundes)regierungen alles andere als„völlig neu“, sondern in anderen Ländern mit verheerendem Ergebnis ausprobiert worden. Die praktischen Erfahrungen damit in Berlin und Ostdeutschland belegen das exakte Gegenteil. Sie haben keine WählerInnen für die LINKE „mobilisiert“, sondern nur die AfD als scheinbare „Oppositionspartei“ gestärkt.

Das Strategiepapier von Mathias Höhn ist ein Fahrplan, der nur in einer Sackgasse enden und die LINKE überflüssig machen kann. Es sollte spätestens bei der nächsten Sitzung des Parteivorstands in den Papierkorb wandern. Das Papier von Höhn ist hier zu finden.
Heino Berg, 13.9.16