Für eine solidarische Flüchtlingspolitik, für Internationalismus, Nein zu NATO und Kriegseinsätzen

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Erklärung des Bundessprecher*innenrates der Antikapitalistischen Linken zu einigen Sommerloch-Verlautbarungen: Hier werden Untergrenzen unterschritten

Die Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Bundestag, Sahra Wagenknecht, hat nach den Anschlägen durchgedrehter Gewalttäter in Würzburg, München und Ansbach am 25. Juli 2016 eine Presse-Erklärung veröffentlicht, die nicht unwidersprochen bleiben darf und die in keiner Weise den Positionen der Partei DIE LINKE entspricht.

Jeder und jede, der oder die alle Sinne beieinander hat, ist von den blutigen Gewalttaten in Würzburg, München und Ansbach schockiert, zornig und alles Mitgefühl gehört den Opfern und ihren Angehörigen. Auch die AKL steht an der Seite der unschuldigen Opfer.

Wir verurteilen diese Gewalt, wie all die anderen barbarischen Mordattacken, die sich fast täglich irgendwo in der Welt ereignen.

Leider ist es zu einem Erkennungsmerkmal der weltweiten Krise des Kapitalismus geworden, dass die zivilen Gesellschaften und der Alltag der Menschen immer mehr brutalisiert werden. Die Schwelle, persönliche und soziale Konflikte mit Gewalt auszutragen, wird immer mehr gesenkt. Die Mittel dafür sind dank gigantischer Waffenproduktion und weltweitem – legalem und illegalem – Waffenhandel immer leichter zu bekommen.

Diese Verrohung der gesellschaftlichen Beziehungen ist ein Spiegel der Brutalisierung und Militarisierung der „großen Politik“, wie sie seit Jahren von NATO, EU und den diversen nationalen Regierungen verfolgt wird.

Es gibt von bürgerlicher und konservativer Seite auf diese Entwicklung immer nur Antworten in eine Richtung: Ausbau der Überwachung und Abbau der Demokratie; Abschottung der nationalen Grenzen gegenüber unerwünschten MigrantInnen; Stärkung der Polizei und Ausdehnung ihrer Befugnisse, Erweiterung der Militäreinsätze nach Innen und nach Außen. Sie nennen das dann gerne „Sicherheitspolitik“.

DIE LINKE ist entstanden, weil sie zu dieser Politik eine grundsätzliche auf den Prinzipien von Solidarität und Gewaltlosigkeit aufbauende Alternative schaffen will. Die wirklichen die Sicherheit gefährdenden Dinge werden im jetzigen Diskurs nicht nur nicht angesprochen, sondern verdrängt: Die größte Gefährdung der Sicherheit in Deutschland ist seit Jahren die Sozialpolitik unter den Namen Hartz IV oder Agenda 2010. Die größten Gefährdungen der Sicherheit auf der Welt heißen Weltneuordnungskriege, Freihandel sowie Umwelt- und Klimazerstörung.

Die AKL ist gegen den Ausbau von Polizei, Überwachungsapparaten und Bundeswehr. Jeder Ausbau staatlicher Gewalt im Kapitalismus kann immer auch gegen die Arbeiterbewegung und die Linke eingesetzt werden. Genau das sehen wir heute in Frankreich. Hier ist die Verlängerung des Ausnahmezustands auch ein deutliches Beispiel dafür, dass dadurch keine Anschläge – wie in Nizza – verhindert wurden.

DIE LINKE ist gegen die Waffenproduktion, die Militarisierung und die NATO, wie sie gegen die Freihandelsverträge ist, die allesamt das Elend in den armen Teilen der Welt verschärfen.

Die genauen Hintergründe der Anschläge von Würzburg, München und Ansbach sind noch nicht bekannt. Der Amoklauf in München ist die Tat eines verzweifelten, ausgestoßenen und psychisch hochgradig kranken Einzeltäters. Auch die Gewalttaten von Würzburg und Ansbach sind Taten von durchgedrehten Einzeltätern, für die nicht alle Geflüchteten in Haftung genommen werden dürfen. Dabei ist das beste Mittel gegen Terrorismus – ob im Namen des rechten politischen Islams oder anderer reaktionärer Ideen – ein sofortiger Abzug der deutschen Truppen aus dem Ausland. Wir fordern eine umfassende Aufklärung der Zusammenhänge durch eine unabhängige Untersuchungskommission, an der Gewerkschaften, demokratische Anwaltsvereine und Organisationen von Geflüchteten beteiligt sind, vollständige Transparenz und Zugang zu allen Ermittlungsakten. Eine Information der Öffentlichkeit ohne ideologische Vorverurteilungen und kollektive Inhaftungnahme ist nötig.

Mit „den Flüchtlingen“ hat das alles nichts zu tun. Vielleicht noch mit der Diskriminierung von Geflüchteten, angesichts des Täters von Ansbach, der ein Syrer ist, dem Asyl verweigert und der geradezu psychiatrisiert wurde.

Es sind in Deutschland im letzten Jahr eine Million Flüchtlinge angekommen. Sie haben alle Anspruch auf eine umfassend menschliche und solidarische Aufnahme und Behandlung. Wenn auch nur ein winziger Bruchteil der Summen aufgebracht wird, der für die Bankenrettung an einem Wochenende abgerufen wurde, dann wäre diese Aufgabe sofort zu bewältigen und gleichzeitig eine große Bereicherung unserer Kultur und Gesellschaft zu erzielen. DIE LINKE ist für die Schaffung legaler und sicherer Fluchtwege, ein bedingungsloses Bleiberecht für alle und eine Ausweitung des Asylrechts, weil alles andere die Zwangsspirale in Richtung militärische Grenzsicherung, menschenunwürdige Lagerunterbringung und Massensterben vor den Außengrenzen beschleunigt und den Markt illegaler Fluchthilfe befeuert.

Eine umfassend entmilitarisierte Außenpolitik, eine große internationale Umverteilung, die mindestens das Ausmaß der über eine Billion Dollar hat, die jährlich für Waffen ausgegeben werden und eine Wirtschaftspolitik, die die Souveränität der Völker ebenso achtet wie die sozialen Rechte der Arbeiter und Arbeiterinnen, der bäuerlichen Gemeinschaften und lokalen Unternehmen weltweit – das sind die Bausteine für eine Politik, die Fluchtursachen bekämpft und Flüchtende solidarisch unterstützt.

DIE LINKE ist deshalb gegen das kriegstreiberische Bündnis NATO. Dieses Bündnis gehört aufgelöst. Deutschland sollte einseitige Schritte in diese Richtung unternehmen und diese Strukturen verlassen. Deshalb ist die NATO-Frage keine „taktische Verhandlungsmasse“ für eine „größere Rolle“ der LINKEN in der Bundespolitik. Die AKL hält die Sommerloch-Interview-Äußerungen von Bodo Ramelow deshalb für falsch und für DIE LINKE letztlich zerstörende Positionen.

Die Assoziationen, die Sahra Wagenknecht in ihrer Presseerklärung vom 25.07. hat anklingen lassen, sind zurückzuweisen. Ihre Zurückführung der Einzeltat in Ansbach auf Zuwanderung („Die Ereignisse der letzten Tage zeigen, dass die Aufnahme und Integration einer großen Zahl von Flüchtlingen und Zuwanderern mit erheblichen Problemen verbunden und schwieriger ist…“) sowie der Ruf nach mehr Staat und seiner Sicherheitsbehörden, sind keine linken Positionen, sondern Wasser auf die Mühlen der Rechten. Hier wurden eindeutig Untergrenzen der linken Politik unterschritten.

Die AKL verurteilt dies. Die Fraktionsvorsitzende spricht mit ihrer Erklärung vom 25.07. nicht im gesamten Namen der LINKEN.

Alles nur ein Missverständnis?

Aufgrund einer Vielzahl von kritischen Reaktionen auf ihre Erklärung hat Sahra Wagenknecht am 26.07. eine erneute Stellungnahme abgegeben, in der sie schreibt, ihre Position sei missverstanden worden.

Darin schreibt sie, es gehe ihr nicht darum, Geflüchtete unter Generalverdacht zu stellen, sondern: „Es ging mir darum deutlich zu machen, dass die Integration einer derart großen Zahl von Menschen eine der größten Herausforderungen der letzten Jahre ist und um die Kritik an Merkel, die im letzten Herbst zwar ihr „Wir schaffen das“ fleißig gepredigt, bis heute aber unterlassen hat, die notwendigen sozialen und politischen Voraussetzungen zu schaffen, die gebraucht werden, damit Integration gelingen kann.“

Jeder weiß, dass soziale Not zu psychischen Problemen führen kann, die in Ausnahmefällen auch zu Gewaltexzessen führen können. Das betrifft aber nicht nur MigrantInnen, sondern alle Menschen. Sahra Wagenknecht hat einen Zusammenhang zwischen Einwanderung und zunehmender Unsicherheit für die Bevölkerung hergestellt und dies nicht zurück genommen. Statt Bleiberecht für alle und eine ausreichende soziale Mindestsicherung für alle zu fordern, schlägt sie (25.07.) mehr Staat und mehr Überwachung vor: „Der Staat muss jetzt alles dafür tun, dass sich die Menschen in unserem Land wieder sicher fühlen können. Das setzt voraus, dass wir wissen, wer sich im Land befindet und nach Möglichkeit auch, wo es Gefahrenpotentiale gibt. Ich denke, Frau Merkel und die Bundesregierung sind jetzt in besonderer Weise in der Verantwortung, das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit des Staates und seiner Sicherheitsbehörden zu erhalten.“

Diese grundfalschen Positionen werden von ihr nicht zurück genommen.

Wir stimmen Tobias Pflüger zu, der erklärt hat: „Es ist explizit nicht Aufgabe von LINKEN, zu fordern, zu überprüfen, wer sich im Lande befindet. Ja, es gibt Menschen, die sich „illegal“ in Deutschland aufhalten müssen, weil die brutale Politik gegen Flüchtlinge sie dazu zwingt. Für mich gilt immer noch: Kein Mensch ist illegal“.

Die AKL meint: Die Gewalttaten der letzten Tage und die Reaktionen der herrschenden Politik sind eine einzige Aufforderung an die LINKE, der Regierung und den Sicherheitsbehörden zu misstrauen. Nicht mehr Gewalt und Repression ist die Lösung, sondern mehr Transparenz, mehr Demokratie und vor allem mehr Umverteilung des Reichtums an die Bedürftigen – egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund. Die größte, teuerste und umfassendste Ausrüstung und Aufrüstung von Polizei und Armee nützen nichts, sondern erhöhen das Sicherheitsrisiko der friedlich zusammen lebenden Menschen. MigrantInnen und Geflüchtete müssen in Deutschland willkommen sein und dafür sind sehr viel mehr finanzielle und personelle Investitionen vor allem in den Kommunen erforderlich. Ein Ausbau der Überwachung und Abbau der demokratischen Rechte für MigrantInnen und Deutsche schafft niemals mehr Freiheit und Sicherheit.

Zu aller Letzt möchten wir all jenen, die Sahra Wagenknecht zu Recht kritisieren aber zu Abschiebungen in Ländern, in denen DIE LINKE mitregiert, schweigen, mitgeben, dass eine falsche Politik in der Praxis nicht weniger gefährlich ist als falsche Thesen.