Die EU in der Krise – für ein anderes Europa!

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Inge Höger auf der Strategiekonferenz am 29. April 2016 in Berlin

Auf dem Europarteitag in Hamburg haben viele von uns dafür gestritten, dass die Feststellung, die EU ist neoliberal, undemokratisch und militaristisch ins Europawahlprogramm kommt. Es gab eine massive Kampagne dagegen und der Satz wurde gestrichen.

Inzwischen hat sich der Charakter der EU offensiv gezeigt:

in der kriegerischen Politik gegenüber der Ukraine und der NATO-Aufrüstung gegen Russland, in der Unterwerfung einer linken Regierung in Griechenland und der erstmaligen Ausrufung des EU-Bündnisfalles gegen Syrien sowie dem schmutzigen Deal mit der Türkei zur Abschottung der Festung Europa gegen Flüchtende.

Wir stellen fest: die EU ist Privatisierungen, Sozialabbau und Niedriglöhnen verpflichtet, die EU schafft durch Freihandel und Krieg massenhaft Fluchtursachen und schottet die Grenzen gegen die Folgen ihrer Politik ab. Mit immer weiteren Freihandelsabkommen und TTIP soll die Macht des Kapitals gefestigt werden. Die EU ist neoliberal, undemokratisch und militaristisch und nicht zu reformieren. Die LINKE braucht nicht nur einen Plan B sondern eine Vision für ein anderes Europa, das Demokratie, sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit verpflichtet ist.

Die sog. Eurokrise war eine Folge der Weltwirtschaftskrise von 2007/2008, die durch die Konstruktion der Währungsunion bzw. des Euro massiv verstärkt wurde. Die Währungsunion hat sehr ungleiche ökonomische Entwicklungen in den Kernländern und der Peripherie befördert. Die Bankenrettungsprogramme haben das ökonomische Gefälle zwischen den Mitgliedsstaaten enorm vertieft. Sie haben in Südeuropa zu einem Einbruch des Wachstums und zu einer Explosion von Arbeitslosigkeit und Armut geführt. Die griechischen Erfahrungen haben gezeigt, dass ein Ende der aufgezwungenen Sparpolitik mit dem Verbleib im Euro und der EU nicht vereinbar ist bzw. von den Machteliten in der EU nicht zugelassen werden.

Inzwischen steht die Griechenlandkrise erneut auf der Tagesordnung. Es ist klar, Griechenland kann die Bedingungen des ausgehandelten Memorandums nicht erfüllen, es kann die aufgezwungenen Schulden der EU nicht zurückzahlen. Trotz der Kapitulation von Syriza und Fortsetzung des massiven Sozialabbaus verlangen die Institutionen der EU ein weiteres Austeritätsprogramm von 3,6 Mrd. auf Vorrat. Ebenso wie in Griechenland steigt der Druck auf Portugal, die Forderungen der Banken zu bedienen. Eine Abkehr von der neoliberalen Kahlschlagpolitik wird von der deutschen Bundesregierung und der EU nirgendwo akzeptiert.

Allerdings ist das Zentralprojekt des europäischen Kapitals in eine tiefe Krise geraten. Die Spaltungslinien in der EU verschärfen sich, wie am Beispiel des Wahlsieges der reaktionären PIS in Polen, den Auseinandersetzungen um Verteilung von und Grenzschließungen gegen Flüchtlinge, dem Referendum in den Niederlanden gegen das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine aber auch der Diskussion über einen BREXIT in Großbritannien zu sehen ist. Der Aufstieg der Rechtspopolisten geht unaufhaltsam voran und in Umfragen sinkt die Unterstützung für den Euro und die EU rapide. Auf der anderen Seite gibt es immer neue Kämpfe gegen die Politik des Sozialabbaus der europäischen Eliten wie ganz aktuell in Frankreich.

Das Ziel der EU war von Anfang an ein großer gemeinsamer Binnenmarkt für das europäische Kapital. Zu Beginn war es ein Kind des kalten Krieges. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wollten die großen europäischen Kapitalfraktionen mit den Verträgen von Maastricht und Lissabon an der Neuaufteilung der Weltmärkte teilhaben. Und das wiedervereinigte starke Deutschland sollte in diese europäische Einigung eingebunden werden. Das Mittel der Wahl war die übereilte Einführung des Euro. Es wurde das Ziel vereinbart, Europa zum stärksten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Und dafür war Sozial- und Lohnabbau von vorherein notwendig und vorprogrammiert. Weltmeister auf diesem Gebiet wurde dann Deutschland mit der Agenda 2010 von Schröder und Fischer. So wurden die großen Konkurrenten Frankreich und Großbritannien mit großen deutschen Handelsüberschüssen aus dem Rennen geworfen. Die EU und vor allem auch der Euro entwickelten sich zu einem Instrument zur Sicherung der Vorherrschaft des deutschen Kapitals, gestützt durch wirtschaftliche Eliten anderer Euro-Länder. Die EU ist ein imperialistisches Projekt – mit Frieden, Demokratie und Völkerverständigung hat sie in der Realität nichts zu tun.

Die Krise hat das gemeinsame Europa endgültig zu einer EU unter deutscher Vorherrschaft gemacht. Die Ablehnung der Forderungen der griechischen Regierung nach einer Dämpfung des Hungerprogramms – durchgesetzt vor allem von Merkel und Schäuble – hat bewiesen: Ein soziales Europa ist nur aus einer neubegründeten Kooperation der Völker denkbar, die das Euro-Regime der heute in Europa herrschenden ökonomischen und politischen Eliten überwindet. Ausgangspunkt für einen Neubeginn können nur die Nationalstaaten sein. Nur dort gibt es eine reale Möglichkeit der Partizipation der Massen und eines Bruchs mit den kapitalistischen Macht- und Eigentumsverhältnissen. Auch das hat Griechenland bzw. das dritte Memorandum deutlich gemacht: innerhalb der EU werden die Schuldenländer der Peripherie zu Protektoraten ohne eigenen Handlungsspielraum gemacht. Wir brauchen neue Wege der Kooperation gleichberechtigter, demokratischer und sozialer Nationalstaaten.


Die Linke in Europa muss die Krise zum Anlass nehmen, die EU mit einer antikapitalistischen Perspektive zu überwinden. Eine linke Politik darf nicht Anhängsel einer deutschen Großmachtpolitik werden! Der Hauptfeind steht im eigenen Land und muss dort bekämpft werden. Ein JA zu einem sozialen Europa und ein JA zum Internationalismus erfordern ein klares NEIN zur EU in ihrer gesamten neoliberalen Konzeption. Zu diesem Bruch mit der EU gehört auch die Debatte über Währungssouveränität und dem Bruch mit dem Euro – wie es bei der Erpressung und der Kapitulation der griechischen Regierung deutlich wurde. Die Linke muss Austritte aus dem Euro und der EU unterstützen, wenn dies durch Bevölkerungen gewünscht wird.

Auch Katja Kipping und Bernd Rixinger kommen in ihrem Strategiepapier „Revolution für soziale Gerechtigkeit und Demokratie“ zu dem Schluss: „Eine Revolution für soziale Gerechtigkeit und Demokratie setzt dem Europa der Banken und Konzerne eine konkrete Utopie eines demokratischen, sozial gerechten und friedlichen Europas von unten entgegen. Angesichts der Verankerung neoliberaler Politik in den Institutionen und der Verfassung der EU… ist ein radikale Kritik der EU dringend erforderlich.“