Antrag zur Tagesordnung für die AKL-Bundesmitgliederversammlung am 10. Januar 2016

Print Friendly, PDF & Email

EinreicherInnen: René Jokisch (AKL-Länderratsdelegierter Berlin), Sylvia Gabelmann, Wolfgang Zimmermann, Karin Binder, Michael Aggelidis (Landesvorstand NRW), Nina Eumann (Mitglied im Parteivorstand), Helmut Born (Landesvorstand NRW), Elwis Capece (Landesvorstand Baden- Württemberg), Andrej Hunko (Parteivorstand), Claudia Haydt (EL-Vorstand), Christian Leye (stellv. Sprecher NRW), Niema Movassat, Tobias Pflüger (stellv. Parteivorsitzender), Sascha H. Wagner (Landesvorstand NRW)

Wir beantragen eine Ersetzung des TOP1

TOP 1: Generaldebatte und Beschluss einer Resolution „Aktiv gegen Krise, Kriege und Fluchtursachen – für eine solidarische Gesellschaft: Vorschläge der AKL für eine kämpferische LINKE in 2016“ 13:00 – 15:15

durch

TOP 1: Generaldebatte über und Beschluss einer Resolution den Resolutionsentwurf „Aktiv gegen Krise, Kriege und Fluchtursachen – für eine solidarische Gesellschaft: Vorschläge der AKL für eine kämpferische LINKE in 2016“ und das Selbstverständnis der AKL im Jahr 2016

13:00 – 15:15

so dass der Resolutionsentwurf diskutiert, aber nicht beschlossen werden soll.

Begründung:

1. Breite Diskussionskultur in der AKL erhalten

Der vom BundessprecherInnenrat vorgelegte Entwurf für eine Resolution würde in unseren Augen eine weitere Verschiebung des Selbstverständnisses der AKL darstellen und bisherige AKL- Grundpositionen erheblich ändern, ohne dass eine dafür notwendige Diskussion an der Basis stattgefunden hat. Die Konsequenz wäre eine weitere Verengung der politischen Basis der AKL selbst, sowie der Grundlagen ihrer Arbeit in der Partei DIE LINKE und darüber hinaus. Wir möchten dagegen eine offene Diskussion über die verschiedenen Vorstellungen über die Entwicklung der AKL, auf deren Grundlage wir weiter zusammenarbeiten können.

2. Veränderte Grundpositionen zu EU und Regierungsfrage

In zwei Punkten enthält der Resolutionsentwurf eine Veränderung der politischen Grundlagen der AKL.

Im Aufruf zur Neugründung der AKL haben wir festgehalten:

Jeden Schritt in die Richtung, die Roten Haltelinien im Erfurter Programm zu verwässern, lehnt die AKL dagegen ab. Das Erfurter Programm hat klare Regeln und Grenzen für Beteiligungen an einer Regierung benannt. Solche „Haltelinien“ bedürfen natürlich aktueller Ergänzungen.

Die Roten Haltelinien waren die Erfindung der AKL und konnten unter großem Kraftaufwand im Parteiprogramm durchgesetzt werden. Auf der Bundesmitgliederversammlung der AKL vor einem Jahr wurde auch über Regierungsbeteiligungen diskutiert: Da gab es Konsens in der Ablehnung von Regierungsbeteiligungen unter den aktuellen Kräfteverhältnissen, deutliche Unterschiede in der Kommunikationsstrategie und Positionen, die die Roten Haltelinien als nicht ausreichend ansahen. Die gesamte Diskussion wird in dem Entwurf nicht abgebildet, sondern eine einseitige Position gesetzt, die im Wahlkampf ausschließlich auf Opposition setzt. Rote Haltelinien werden nicht mehr erwähnt. Diese Änderung wäre für uns schwerwiegend. Wir glauben nicht, dass sie die kritische inhaltliche Auseinandersetzung breiter Teile der Bevölkerung mit der herrschenden Politik befördert, sondern sie eher darin bestätigt, dass eine andere Politik nicht möglich ist. Es macht für uns eben einen Unterschied ob DIE LINKE sagt, dass SPD und Grüne sich ändern müssen, oder ob sie selbst zu falschen Kompromissen bereit ist. Mit einer Totalopposition überlassen wir dieses diskursive Feld dem rechten Flügel.

Im Aufruf zur Neugründung der AKL haben wir festgehalten:

Die Krise in Europa wird durch die neoliberale Konzeption der Europäischen Union verschärft. Insbesondere die derzeitigen Vertragsgrundlagen der Europäischen Union (Stichwort Lissabonvertrag) sind für LINKE und die AKL völlig inakzeptabel und keine Ausgangsbasis. Der Kapitalismus selbst ist der Konstruktionsfehler. Wir stehen für einen Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsstrukturen und der Politik, die Konzerne und Banken Blankoschecks ausstellt: in Deutschland, Europa und international. Wir sagen Nein zur Austerität und Ja zu einem sozialistischen Europa im Interesse der Lohnabhängigen, Erwerbslosen, Jugendlichen und Rentner_innen.

Diese Formulierungen hielten die Antragsteller schon damals für problematisch, doch boten sie immerhin Spielraum um auch auf EU-Ebene für Alternativen zum neoliberalen, militaristischen und autoritären EU-Projekt zu kämpfen und für den Ausbau demokratischer Rechte. Die Formulierung bezog sich auch noch auf die Passage im Parteiprogramm, die wir weiterhin richtig finden: „Die Europäische Union braucht einen Neustart mit einer vollständigen Revision jener primärrechtlichen Grundelemente der EU, die militaristisch, undemokratisch und neoliberal sind.“

Mit den Formulierungen im Resolutionsentwurf wird dieser Spielraum komplett gestrichen und apodiktisch postuliert: „Grundlegende Veränderungen können nicht im Rahmen der EU und des Kapitalismus durchgesetzt werden. Wer auf Veränderungen im Rahmen der EU setzt, wird scheitern und wie SYRIZA zum Vollstrecker von Austerität im Zeitraffer werden. Wir sind der Auffassung, dass die LINKE-Position, die EU reformieren zu wollen, korrigiert werden muss.“

Wir appellieren an euch, die verschiedenen Positionen dazu in der AKL zu akzeptieren und nicht eine Mehrheitsmeinung durchzusetzen. Wir wollen anerkennen, dass es zur Frage der EU in der LINKEN wie auch in der AKL sehr verschiedene Sichtweisen gibt – die auf engste mit dem tatsächlichen Dilemma in Europa für die Linke zusammenhängen. Grundlegende Reformen der EU als Ergebnis von Verhandlungen der Regierungen scheinen tatsächlich unmöglich. Aber andererseits bieten nationale Auswege angesichts der Herrschafts- und Produktionsverhältnisse keinen Ausweg, den die Bevölkerungen in den Ländern gehen wollen.

Einerseits scheint eine demokratische EU, die zumindest eine ausgleichende Umverteilungs- und Wirtschaftspolitik durchsetzen könnte, unendlich weit entfernt. Andererseits wollen die Menschen in den Ländern Europas zurecht konkrete Veränderungen erreichen. Wir unterstützen daher beispielsweise die grundsätzliche Bereitschaft der Portugiesischen Kommunistischen Partei und des portugiesischen Bloco Esquerda mit (und gegen) die sozialdemokratische Partei konkrete Verbesserungen für die Menschen in Portugal zu erreichen, auch wenn wir um die Widersprüchlichkeit und Begrenztheit vor dem Hintergrund der Herrschaftsverhältnisse in der EU wissen.

Die Strategie einer sozialistischen Revolution in einem Land stellt für uns keine ernst zu nehmende Antwort da. Vielmehr stellen wir die Frage, wie sich die AKL als Strömung der Bewegungen mit der vorgeschlagenen Positionierung in Zukunft zu Blockupy oder der von Varoufakis angekündigten Democracy-in-Europe-Bewegung (DiEM) verhalten möchte. Wir geben zu bedenken, dass ein erfolgreicher Kampf einer europäischen Bewegung für eine demokratische EU nach Rosa Luxemburg auch die Bedingungen im Klassenkampf verbessern würde.

3. Zum Selbstverständnis der AKL

Im Aufruf zur Neugründung der AKL haben wir festgehalten:

Unermüdliche Aufklärungsarbeit und der Kampf um die Köpfe und Herzen der Mehrheit bleiben damit die vornehmste Aufgabe der LINKEN. … Wir stehen für eine Partei, in der Pluralität, Offenheit, Inklusion, Demokratie, Mitgliederbeteiligung keine Worthülsen sind. … Der pluralistische Charakter der AKL mit Mitgliedern aus verschiedenen antikapitalistischen Traditionen soll dabei bewusst erhalten bleiben. … Die AKL misst sich und die LINKE an der Einlösung dieser Verantwortung.

Der Resolutionsentwurf entspricht nach unserer Ansicht nicht diesen Vorstellungen: Diese angeblichen „Vorschläge“ der AKL stellen zu oft einseitig überspitze Positionierungen dar, die keine andere Meinung gelten lassen. Dabei werden falsche Feindbilder konstruiert, teilweise pauschale Kritik an der Partei und anderen gesellschaftlichen Kräften geübt und die AKL ohne jede Selbstkritik als einzige rechthabende Strömung gefeiert. Wir teilen manche der vorgetragenen Positionen nicht und glauben, dass wir mit diesem Auftreten in den Diskussionen in der Partei und bei den Mitgliedern an Einfluss verlieren.

Im ersten Satz sieht sich die AKL in ihrer Position bestätigt, dass die EU militaristisch, neoliberal und undemokratisch ist. Was wie ein Alleinstellungsmerkmal der AKL klingt, teilen wir mit vielen anderen: Bereits das Parteiprogramm spricht von „Grundelemente(n) der EU, die militaristisch, undemokratisch und neoliberal sind“ und auch andere Strömungen setzen sich dafür ein.

Der Text „bekräftigt“ den Vorschlag einer klassenkämpferischen, sozialistischen Partei, die „statt auf die Kriegstreiber, TTIP-Liebhaber und Pegida-Versteher in SPD und Grünen zu setzen, eine grundlegende Alternative aufbauen muss“. Sollten nicht auch linke LINKE, die eine grundlegende Alternative wollen, Kriegsgegner, TTIP-Gegner und Pegida-Gegner unter SPD und Grünen und deren Sympathisanten stärken?

Es wird zurecht betont, dass man eine Strategie braucht, um Arbeitskämpfe auszuweiten und zusammenzuführen. Doch dann wird gleich pauschal festgestellt, dass dies „offenbar nicht die Strategie der Gewerkschaftsführungen“ sei. Gilt das für alle gleichermaßen? Für Weselski, für die GEW, für Ver.di? Wie die Strategie aussehen könnte wird übrigens nicht verraten.

Der Partei wird erklärt, welche Möglichkeiten sie hat den gesellschaftlichen Widerstand aufzubauen. Ja sie müsse sogar „ein nicht weg zu denkender Faktor in Kämpfen und lokalen Initiativen“ werden und „eine gesellschaftliche Bewegung anstoßen“. Das ist für uns ein fragliches Verständnis der Rolle der Partei in sozialen Bewegungen. Die Partei sollte Teil der Bewegungen sein, aber auch deren Eigenständigkeit anerkennen. Sie kann Entwicklungen unterstützen, ist für uns aber nicht der zentrale Akteur, der den Anstoß gibt oder allein den Widerstand aufbaut.

Konkret werden große, dezentrale Antikriegsmobilisierungen gefordert, ohne das klar ist, wie das politisch funktionieren soll. An anderer Stelle werden Initiativen für lokale bis bundesweite Aktionen und Bündnisse unter dem Motto „Bleiberecht – Wohnungen für alle – Millionärssteuer jetzt“ gefordert. Viele Mitglieder der Partei werden sich da zu recht belehrt fühlen, und fragen, wo denn solche Initiativen von der AKL bisher erfolgreich gestartet wurden.

Genauso wohlfeil ist es festzustellen, dass DIE LINKE die Menschen erreichen muss, die Angst davor haben, dass der Mindestlohn aufgeweicht wird, die keine preiswerte Wohnung finden und die schon lange mit den Herrschenden und ihren Parteien abgeschlossen haben. Wir glauben nicht, dass die AKL dafür ein Patentrezept hat.

Es stimmt zwar, dass die Partei ihren Aufgaben bei weitem nicht gerecht wird, im Wettlauf mit der Zeit gegen die Rechte ihre gesellschaftliche Basis auszubauen. Aber die bisherigen Versuche nicht zu honorieren, die Arbeit der Partei schwarz zu malen und einfache Antworten zu suggerieren, wird weder die Basis der Partei überzeugen, die ja teilweise tatsächlich daran arbeitet, noch den Einfluss der AKL in der Partei stärken.

In der Tat halten wir es für notwendig, einmal selbstkritisch auf die Arbeit und Wirksamkeit der AKL in der Partei zurückzublicken und zu schauen, ob wir unserer „Verantwortung“ als antikapitalistische Strömung der LINKEN gerecht werden. Die mit dem Resolutionsentwurf weiter getriebene Verengung der AKL läuft nach unserer Sicht auf eine Schwächung ihres Einflusses, auf weniger Kooperation des linken Flügels und eine Vorlage für den rechten Flügel und das FDS hinaus.

Dazu noch zwei Beispiele aus dem Vergleich der Leitanträge von SL und AKL von Heino Berg: Da wird der SL unterstellt, dass für sie 2016 die zentrale Frage die Etablierung in den westlichen Landesparlamenten sei, und ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat als Beleg gebracht. Das Kapitel „Kräfteverhältnisse verschieben“ endet dagegen mit der Festlegung: „Zentral ist die Aufgabe, soziale Bewegungen in gesellschaftlichen außerparlamentarischen Bündnissen zu stärken ‐ gegen Austeritätspolitik, TTIP und Co., Lohndrückerei und Prekarität, Privatisierung, Entdemokratisierung, Rassismus und Krieg. Linke Alternativen und ein grundsätzlicher politischer Richtungswechsel sind nötiger als je zuvor.“

Noch deutlicher wird das konstruierte Feindbild bei der Unterstellung, die SL würde „Regierungsbündnisse mit Kriegs- und Kürzungsparteien“ unterstützen. Der angeführte Nachweis gibt das absolut nicht her, sondern betont vielmehr: Die Fragen nach Regierungsbeteiligungen stellen sich also 2016 ganz konkret. (…) SPD und Grüne bieten auf Bundesebene gerade beinahe keinerlei Ansätze für eine gemeinsame Regierungsbildung. (…) Nichtsdestotrotz brauchen wir neben „roten Haltelinien“, ohne deren Umsetzung in Koalitionsverträgen wir nicht in eine Regierung eintreten, positive Forderungen und Projekte, die wir offensiv als Angebote an Wählerinnen und Wähler und auch an Mitglieder von SPD und Grünen formulieren können, um diese Parteien von links unter Druck zu setzen.“

Daneben steht im SL-Text: „DIE LINKE muss deutlich machen, dass sie nicht Teil eines gemeinsamen Lagers ist, das für die zunehmenden sozialen Spaltungen und internationalen Konfrontationen mitverantwortlich ist. Stattdessen müssen wir die sozialen Konflikte offensiv als Klassenkonflikte thematisieren. ..

In den Wahlkämpfen ist eine offensive Darstellung der LINKEN als die soziale, friedliche, menschliche, demokratische, ökologische Alternative erforderlich, um Menschen für eine andere Politik und für DIE LINKE zu gewinnen und zu mobilisieren. Wir kämpfen für Mehrheiten für einen Politikwechsel nach links. Dann und nur dann ist DIE LINKE für parlamentarische und Regierungszusammenarbeit bereit. Zugleich sind die linken Forderungen für einen Politikwechsel viel anspruchsvollere Kriterien als bloße Haltelinien. Auf Bundesebene erfordert dies einen grundlegenden Kurswechsel von SPD und Grünen in Richtung einer sozial‐ökologischen und friedenspolitischen Reformalternative.“

Bei allen Differenzen zwischen SL und AKL lehnen wir es grundsätzlich ab, die eigene Strömung aufzuwerten, indem andere Strömungen zu Unrecht denunziert werden.